Hautärztin Dr. Yael Adler im Interview„Man darf nicht denken, Naturkosmetik ist zu 100 Prozent sicher“

Naturkosmetik wird bei vielen Menschen immer beliebter. Das ist kein Wunder, denn sie verzichtet vollständig auf chemische Substanzen und andere problematische Inhaltsstoffe. Zudem ist sie deutlich nachhaltiger als konventionelle Kosmetik. Warum Naturkosmetik dennoch nicht in jedem Fall die bessere Alternative ist, erklärt die Hautärztin und Buch-Autorin Dr. Yael Adler („Haut nah: Alles über unser größtes Organ“*) im Interview mit RTL.de.
von Isabel Michael
Was zeichnet Naturkosmetik aus?
Produkte zertifizierter Naturkosmetik verzichten vollständig auf Silikone, die als Emulgatoren genutzten PEG (Polyethylenglykole), Mikroplastik, viele problematische Konservierungsstoffe und Inhaltsstoffe auf Erdölbasis. Somit ist Naturkosmetik aus Gesundheits- und Nachhaltigkeits-Perspektive die bessere Wahl. Tierversuche sind bei Kosmetik – Natur und normaler – nicht erlaubt.
Doch Verbraucher sollten dazu erst einmal genau wissen, bei welchen Produkten es sich tatsächlich um „echte“ Naturkosmetik handelt, denn Naturkosmetik und Bio-Kosmetik sind laut der Verbraucherzentrale keine gesetzlich geschützten Begriffe. Kunden sollten daher darauf achten, dass sich Naturkosmetiksiegel auf den Produkten befinden, um auf jeden Fall zu „echter“ Naturkosmetik zu greifen. Da Naturkosmetik nicht unbedingt mit Inhaltsstoffen aus biologischem Anbau gleichzusetzen ist, müssen Verbraucher auch in dieser Hinsicht auf entsprechende Kennzeichnungen achten.
Nicht jede Haut verträgt Natur pur
Obwohl Naturkosmetik viele Vorteile mit sich bringt, ist sie längst nicht für jeden geeignet und hat einige Nachteile. So sind solche Produkte oft kürzer haltbar, da nicht solche starken Konservierungsmittel eingesetzt werden wie bei konventioneller Kosmetik. Eine weitere wichtige Problematik ist die Verträglichkeit. „Naturkosmetik arbeitet oft mit sehr fetthaltigen Inhaltsstoffen. In Cremes sind Wasser, Fett und Emulgatoren enthalten damit eine cremige Konsistenz erreicht wird. Darauf kann man empfindlich reagieren. Manche Produkte sind wiederum sehr fett und das kann die Poren verstopfen. Dadurch kann man Pickel, also eine Kosmetikakne, ein fettiges Ekzem, oder kleine juckende Bläschen um den Mund und an den Augen bekommen“, sagt Adler.
Weiterhin sind in Naturkosmetikprodukten oft Pflanzenstoffe wie Calendula, Arnika oder Kamille enthalten. Diese können bei manchen Menschen Kontaktallergien auslösen. Deshalb sollten Allergiker auf jeden Fall zu Produkten ohne Pflanzeninhaltsstoffe greifen. „Prinzipiell kann jeder eine Kontaktallergie entwickeln, insbesondere Menschen mit einer schwachen Hautbarriere weil sie zu viel geseift haben, oder die Hautbarriere nicht intakt ist“, warnt die Hautärztin. Daher sollten auch Nicht-Allergiker darauf achten, Produkte mit möglichst wenigen Allergenen, Duft- oder Pflanzenstoffen benutzen. Achtung: Auch ätherische Öle können zu einer Kontaktallergie führen!
Weniger ist mehr
„Die beste Naturkosmetik ist, den Körper in Ruhe zu lassen. Wir produzieren mit den Oberhautfetten und den Fetten aus der Talgdrüse, die über die Poren abgegeben werden, unsere Hautfette selbst. Diese Creme, die der Körper produziert, ist die beste Creme“, sagt Adler. Sie empfiehlt daher, so wenig Produkte wie möglich mit so wenigen Inhaltsstoffen wie möglich zu nutzen. Um die eigene Haut erst einmal richtig kennenzulernen, sei es sinnvoll mal vier Wochen lang die Haut nur mit Wasser zu waschen und nur dort zu cremen, wo sie trocken ist und spannt, nicht alles zumatschen. „Nach vier Wochen hat man seinen normalen Fettgehalt und kann schauen, ob es da noch Stellen gibt, die überhaupt noch trocken sind und eingecremt werden müssen“, erklärt die Haut-Expertin.
Wer insbesondere beim Duschen nicht auf ein Duschgel verzichten möchte, sollte Adler zufolge schwitzige Stellen wie die Achseln oder Füße mit einem synthetischen Tensid, einem seifenfreien Waschstück oder Duschgel - am besten auf Zucker-oder Kokos-Tensid-Basis waschen. Beim Rest des Körpers ist kein Duschgel notwendig, weil die Schmutzpartikel wasserlöslich sind. Bei der Wahl der Creme ist darauf zu achten, dass diese keine Duftstoffe, Farbstoffe, Konservierungsstoffe und Emulgatoren enthält. Die Hautärztin empfiehlt dazu besonders Produkte der Hightech-Kosmetik, auch wenn sie nicht explizit Naturkosmetik sind: „Die kommen ohne klassische Emulgatoren aus und enthalten körperähnliche Lipide“, sagt sie. Danach kann man in der Apotheke fragen. Sie werden auch von Menschen mit Hauterkrankungen wie Schuppenflechte, Neurodermitis oder Rosazea gut vertragen. Eine günstigere Alternative zur Hightech-Creme ist gerade bei sehr trockenen Partien Shea-Butter (unraffiniert,), denn sie ist „ein ganz tolles natürliches Schutz- und Reparaturfett“.
Egal, ob Naturkosmetik oder konventionelle Kosmetik: Was das richtige Produkt für die Haut ist, muss oft erst individuell ausprobiert werden. „Man darf nicht denken, dass Naturkosmetik zu 100 Prozent sicher ist“, sagt Adler. In manchen Fällen kann daher auch konventionelle Kosmetik die bessere Wahl sein. Hier sollte man jedoch auf hochwertige Inhaltsstoffe achten und sehr problematische besser meiden.
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