Schweizer Sportkommentatorin gibt auf

Hass und Häme: Frauen in der Sportberichterstattung

Michèle Schönbächler beim SRF Sport
Michèle Schönbächler
Screenshot: medien.srf.ch, Screenshot: medien.srf.ch, Screenshot: medien.srf.ch

Frauen in der Sportberichterstattung. 2021. So weit, so normal. Sollte man meinen. Ein Fall in der Schweiz zeigt: Frauen haben es in der einstigen Männerdomäne immer noch schwer. Michele Schönbächler kann ein Lied davon singen. Nach drei Jahren als Ski-Kommentatorin im Schweizer Fernsehen warf die 40-Jährige das Handtuch. Nach Jahren voller Anfeindungen und harscher Kritik.

"Verpisti du drek sau"

„Sorry deine Ski-Kommentationen sind nicht auszuhalten. Such dir einen anderen Job. Bitttteeee.“ - „Verdammt nochmal, du bist so was von schlecht als Kommentatorin...“ Oder: „Verpisti du drek sau.“ Nur ein Teil der Kommentare auf ihrer Facebook-Seite. Schönbächler war die erste Live-Kommentatorin im Skisport in der Schweiz. Nun gibt sie auf. Häme und Kritik, in den sozialen Netzwerken, in den Medien.

Nach einer Umfrage des Schweizer Blick bei Sportmoderatorinnen und Reporterinnen des Landes ist klar: Frauen fühlen sich oft zu Unrecht kritisiert. Aufs Äußere reduziert. Fehler werden auf die Goldwaage gelegt. Ganz anders als bei den männlichen Kollegen. So der einhellige Tenor.

Wie Schalke 05 die Karriere kostete

05.05.2021, Nordrhein-Westfalen, Köln: Carmen Thomas, Moderatorin, steht in einem Garten. Carmen Thomas ist unvergessen als Moderatorin der Kult-Sendung «Hallo Ü-Wagen». Jetzt wird sie 75 - und macht sich Sorgen über die Langzeitfolgen von Corona. (Zu dpa: "Carmen Thomas' große Angst: "Abstand schafft Distanz im Herzen"") Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Carmen Thomas
obe, dpa, Oliver Berg

Was ein Fehler für Folgen haben kann, weiß wohl niemand besser als Carmen Thomas. Ihres Zeichens Moderatorin des Aktuellen Sportstudios. Bis zu ihrem verhängnisvollen Versprechers in der Sendung am 21. Juli 1973: Aus Schalke 04 wurde Schalke 05. Nach dem Ende ihres Vertrages beim ZDF verschwand sie von den Bildschirmen.

Und heute? „Das Positive: Es gibt mittlerweile deutlich mehr TV-Sportjournalistinnen, die hübsch und kompetent sind. Doch diese Kombination irritiert die Männer noch immer. Für sie kann eine Frau nur hübsch oder kompetent sein, aber nicht beides gleichzeitig“, sagte die heute 74-Jährige dem „Sonntagsblick“. „Ein typischer Fernsehzuschauer stellt sich beim Anblick einer Moderatorin eine Reihe von Fragen: Wie sieht sie aus? Was hat sie an? Wie hat sie die Haare? Wie wäre sie als intime Partnerin? Das war 1973 so, und das ist leider auch im Jahr 2021 noch immer so.“ Ein trauriges Fazit von Thomas.

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Weltbild der Männer bricht zusammen

Ein düsteres Bild zeichnet auch Claudia Neumann. Als erste Frau kommentierte sie für das ZDF ein Champions-League-Spiel. Auch während der Weltmeisterschaft 2018 war sie im Einsatz. In Ihrem Buch „Hat die überhaupt ´ne Erlaubnis, sich außerhalb der Küche aufzuhalten?“ verarbeitete Neumann ihre Erfahrungen: „Eine Frau, die Männern ein Männerspiel deutet, zerstört das Weltbild. Offensichtlich haben diese Hater im Fussballrefugium größere Probleme mit Frauen als in anderen Bereichen. Sie sagen sich: Jetzt dringen sie auch noch in diesen Bereich ein.“ Und das 2021. Ob in Deutschland oder in der Schweiz.

tme