"Viele Kollegen gehen mit Bauchschmerzen zum Dienst, sie haben Angst"

Hamburger Pfleger: So geht es wirklich während der Corona-Krise in Krankenhäusern zu

ARCHIV - 28.10.2020, Nordrhein-Westfalen, Essen: Mitarbeiter der Pflege in Schutzkleidung behandeln einen Patienten mit Corona-Infektion auf der Intensivstation IT2 im Operativen Zentrum II des Universitätsklinikums Essen. Die Zahl der verzeichneten
Die Lage auf den Intensivstationen während der Corona-Pandemie ist angespannt.
fst tba llop fdt, dpa, Fabian Strauch

Pflegekräfte in Hamburg schlagen Alarm

Romana Knezevic und Timon Heßbrüggen sind in diesen Tagen mehr denn je gefordert. Die Situation ist angespannt. Auf Hamburgs Intensivstationen werden immer mehr Menschen mit Covid-19 behandelt. Ein großes Problem sind nicht nur die steigenden Zahlen an Corona-Patienten, sondern auch die Personalnot. „Es gibt Patientinnen und Patienten, die allein sterben müssen“, sagt Romana Knezevic im exklusiven RTL Nord-Interview.

Pflegekräfte übernehmen Reinigungs- und Serviceaufgaben

Die Gesundheits- und Krankenpflegerin Romana Knezevic berichtet uns, dass auf Intensivstationen aktuell mit einer Besetzung von 1 zu 5 gearbeitet wird. Eine Intensivpflegekraft betreut somit fünf Intensivpatienten. „Es ist leider auch so, dass wir teilweise noch Aufgabenbereiche der Reinigungs- und Servicekräfte übernehmen müssen, weil auch in diesen Bereichen kaputtgespart wurde. Wir können uns nicht einfach nur auf unsere pflegerischen Aufgaben konzentrieren“, erzählt sie uns. Normal hingegen wäre ein Betreuungsschlüssel auf Intensivstationen von 1 zu 2 oder sogar 1 zu 1.

Patienten werden in Krankhäusern allein gelassen

Romana Knezevic erklärt im exklusiven RTL Nord-Interview: „Wir können nicht mehr so arbeiten, wie wir es damals in der Ausbildung gelernt haben. Die Patienten werden teilweise für einen längeren Zeitraum allein gelassen, weil wir einfach von Patient zu Patient hetzen müssen und uns einfach die Kapazitäten und die Zeit dafür fehlt, uns für jeden Patienten individuell Zeit zu nehmen.“ Hinzukommt, dass immer mehr Intensivbetten im Norden belegt sind und die Corona-Lage in den Kränkenhäusern sich immer mehr zuspitzt.

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Pflegekräfte haben Angst, zur Arbeit zu gehen

Die angespannte Lage bekommen nicht nur Patienten zu spüren, auch den Pflegekräften geht die Situation nahe: „Viele Kollegen gehen mit Bauchschmerzen zum Dienst. Sie haben Angst. Ich gehöre da auch dazu, weil sie einfach nicht wissen, wie sich die kommenden Wochen entwickeln werden, wie die Personalsituation sein wird, aber auch der Patientenanlauf, Zustrom von Covid-Patienten. Es ist eine große Ungewissheit.“

Und auch Timon Heßbrüggen, der im dritten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger ist, bereitet die Ausnahmesituation auch nach der Arbeit viel Kummer: „Wenn man merkt, da wird jetzt noch jemand aufgenommen mit Covid und der verschlechtert sich massivst. Man weiß einfach, in der nächsten Schicht werden nicht mehr Kollegen zur Versorgung der Patienten da sein, dann belastet einen das schon.“

Krankenhausbewegung fordert mehr Service- und Reinigungspersonal in Hamburg

Timon Heßbrüggen berichtet uns außerdem von einem Covid-Patienten, der nachts ins Krankenhaus gekommen sei und dessen Zustand sich schnell verschlechtert habe. Er konnte nicht sofort intubiert werden, weil es nachts nur einen Arzt auf der Station gab. „Wenn in dem Fall, in der Zeit etwas anderes passiert, also wer Anderes, der krank ist mit Reanimationspflicht oder so, dann kann man sich ja nicht aufteilen. Das hat wirklich dazu beigetragen, dass man den Patienten möglichst lange stabil hält und die Entscheidung möglichst lange nach hinten zieht, weil man weiß, in der nächsten Schicht, in der Frühschicht sind etwas mehr Pflegekräfte da und mehr Ärzte.“

Seit März dieses Jahres fordert die Krankenhausbewegung in Hamburg Hilfe vom Senat: Zumindest mehr Service- und Reinigungspersonal soll eingestellt werden, so eine Forderung. Damit sich die Pflegekräfte, gerade jetzt, auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können. Darauf, Patienten zu versorgen, um möglichst viele Leben zu retten.