Sind wir hier etwa bei "Deutschland sucht das Topmodel"?GNTM Kolumne 12: Jetzt müssen Heidi Klums Models auch noch singen?!

LOS ANGELES - APR 4: Heidi Klum at the America's Got Talent Judges Photo Call at the Pasadena Civic Auditorium on April 4, 2023 in Pasadena, CA Photo via Newscom picture alliance
Heidi Klum sucht auch 2023 wieder Germany's next Topmodel.
Hutchins Photo, ©2023 Kathy Hutchins / Hutchins Photo
von Claudia Spitzkowski

Liebe Heidi Klum, ich war die vergangenen 17 „Germany’s next Topmodel“-Staffeln ja noch geneigt, dir zu glauben, dass alles, was du deinen Meeedchen in den Challenges zumutest, wirklich nötig ist, um ein echte Topmodel zu werden. Aber Singen? SINGEN? Ohrstöpsel rein und das Englisch-Wörterbuch raus (Thomas „Mr. Anglizismen“ Hayo ist Gast-Juror), wir suchen in GNTM-Folge 12 Deutschlands nächsten Topmodel-Superstar! Oder so ähnlich ...
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Heidi Klum schmeißt eine Mottoparty und alle müssen mit(singen)

„Die Kombination von Musik und Fashion – inzwischen kann man die ja gar nicht mehr trennen“, sagt Gast-Juror Thomas Hayo zu Beginn von GNTM-Folge 12. Musik sei nämlich eines der GRÖSSTEN Themen „in der Fashion“. Schau an.

Während ich bei den Stichworten „Musik“ und „Fashion“ an coole Musikvideos und Rockstars, die Models daten, denke, hat Heidi Klum offenbar eine andere Assoziation. Sie schmeißt eine Mottoparty mit Kostümen aus der Kinderkarnevals-Grabbelkiste. Mit lustigen Jogi-Löw-Perücken und Anzügen für die Beatles, Pailletten-Glittergedöns-Outfits für die 70er Jahre, Pseudo-Punk-Outfits für die 80er und 90er-HipHop-Klamotten, die aussehen wie bei Wish bestellt. Also quasi jedes Jahrzehnte-Klischee, das es gibt. You name it, GNTM got it. Sorry, Thomas Hayo färbt ab.

Die Aufgabe der Nachwuchsmodels besteht eigentlich darin, nur so zu tun als würden sie die Songs der Bands performen, in deren Outfits sie geschlüpft sind. Doch dann beschließt Heidi, dass es „viel echter“ aussieht, wenn die Meeedchen wirklich singen. Warum, Heidi? Warum? Nur für den Kick, für den Vorführ-Augenblick, um es frei nach Tic Tac Toe zu sagen? Weil das TV-Publikum dann was zu lachen hat?

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Denn, gewagte These: Auf dem Foto hört dich keiner singen. Und würde sich echtes Modeltalent – und um das geht es Heidi doch wohl, oder? ODER? – nicht eher darin zeigen, dass jemand selbst in Jogi-Löw-Gedächtnisperücke so cool posiert, dass kein Zweifel aufkommt: Das ist ein Topmodel! OHNE dabei noch „She loves you, yeah, yeah, yeah“ auf Karaoke-Bar-Niveau schmettern zu müssen.

Sorry, ich klinge vermutlich nur so verbittert, weil mein Traum, jemals „Germany’s next Topmodel“ zu werden, soeben endgültig gestorben ist. Und zwar nicht, weil ich wahlweise zu klein, zu dick, zu alt oder zu goth bin, sondern weil ich nicht SINGEN kann. SINGEN! Oh, diese Ironie! An dieser Stelle herzliche Grüße an meine Grundschullehrein Frau Siebold, die mich einst aus der „Hänsel und Gretel“-Schulaufführung der 3b aussortiert hat, weil ich bei „Brüderchen, komm tanz mit mir“ keinen gerade Ton halten kann.

Im Video: Na, wer möchte nochmal reinhören, wie Heidi Klum so singt?

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Tausche Seelenstriptease gegen einen Eiskaffee

Während ich noch grüble, ob ich im falschen TV-Format gelandet bin und hier doch heimlich Deutschlands Superstar und nicht Germany’s next Topmodel gesucht wird, erwartet mich die nächste Denksportaufgabe: Wieso müssen Heidis Meeedchen beim Casting für Eiskaffee einen Seelenstriptease hinlegen, in dem sie über den schweren Autounfall ihres Vaters (Katherine) oder ihre Geschlechtsangleichung (Mirella) auspacken – wenn es bei der Entscheidung dann doch nur darum geht, wer am höchsten auf dem Trampolin gehüpft ist?

Das war übrigens Selma. Deren persönlicher Wendepunkt war, dass sie „Abi gemacht hat“ und jetzt bei GNTM halt endlich mache, worauf sie Lust habe. Sorry, Katherine und Mirella. Aber danke, dass ihr vor einem Millionenpublikum euer Innerstes nach Außen gekehrt habt. Das nächste Mal einfach höher hüpfen, gell.

Wer hat hier Angst vorm Fußboden?

„Rock’n’Roll, das ist Power, das ist Feuer, das ist Attitude. Die Models müssen heute diesen Runway rocken. Das ist nicht so soft, das braucht Power“, anglizismiert Thomas Hayo die Aufgabe des heutigen Entscheidungswalks.

Übersetzt bedeutet das, dass Heidis Meeedchen in Outfits des US-Designer-Duos „The Blondes“ in Dreier-Gruppen zu sehr lauter Rockmusik aus den 80ern und 90ern über einen Beton-Runway laufen müssen, wo sie eine Choreo zeigen sollen, die sie sich selbst ausgedacht haben.

In regelmäßigem Abstand quiekt Heidi entsetzt auf, weil eines der Models Gefahr läuft, sich auf den mörderhohen Plateauschuhen auf die Nase zu legen. Trotzdem tadelt sie ihre Meeedchen später, sie sollen „nicht so viel Angst vor dem Fußboden zeigen“, sondern „einfach drüber laufen“. Bahnbrechend. Maike hatte allerdings offensichtlich nicht nur Angst vor dem Fußboden, ihre „Armen haben auch gar nicht geschwungen“, deshalb hat Heidi leider kein Foto für sie.

Ich nehme jetzt die Ohrstöpsel raus und versuche ohne allzu große Angst vor dem Fußboden von der Couch ins Bett zu kommen. Ich verspreche auch, dass ich dabei nicht singe. Denn leider hatte Frau Siebold damals Recht. Aber wie sagt die weise Frau Heidi K. aus Bergisch Gladbach: „Es können nicht alle den großen Hit landen.“ Na, dann … Kolumnen machen ja auch Spaß.