Sechs Jahre schwieg er

OP am falschen Fuß! Ex-DFB-Junior erlebte Horror-Szenario

Karlsruher SC - 1.FC Heidenheim: Jan ENGELS (KSC) im Zweikampf mit Daniel ABDULAHAD (Heidenheim) Fussball Junioren U19 Indoor-Cup, Linkenheim, 09.01.2016 --
Jan Engels 2016 nach seinem Comeback für den KSC
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„Ich bin nach meiner OP im Aufwachraum mit Tränen in den Augen wieder zu mir gekommen, hatte unfassbar starke Schmerzen und das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmen kann“, berichtet Jan Engels über jene schreckliche Zeit 2015. Denn sein Gefühl täuschte den damaligen U17-Nationalspieler nicht: Es stimmte etwas ganz und gar nicht. Die Ärzte hatten ihn nach einem Riss des Syndesmosebands im rechten Fuß fälschlicherweise am gesunden linken Fuß operiert. Ein Horror-Szenario, das seine Karriere veränderte.

Nach OP am falschen Fuß: „Habe alles an mir vorbeiziehen sehen“

Engels spielte damals für die Jugend des Karlsruher SC, steckte im Meisterschaftskampf und fieberte der U17-WM in Chile entgegen. Doch in jenem Moment im Krankenhaus wurde ihm klar, dass diese für ihn unerreichbar wurde.

Engels über den Schicksals-Tag 2015 im Interview mit Spox: „Dann wurde ich in mein Zimmer gebracht, wo meine Mutter auf mich wartete. Sie arbeitet als Kinderkrankenschwester und hat daher medizinisches Know-how. Sie beruhigte mich und sagte, es sei ganz normal, dass ich mich nach dem Eingriff so fühle. Die Schmerzen wurden jedoch immer schlimmer und nach etwa 15 Minuten bat ich meine Mutter, mal nach meinem operierten Fuß zu schauen.“ Der Youngster konnte kaum glauben, was er sah: Schrauben und Platten in seinem gesunden linken Fuß. „In diesem Moment habe ich alles an mir vorbeifliegen sehen.“

Sein Arzt weinte an seinem Krankenbett

Der DFB-Junior suchte trotz seines Schocks umgehend das Gespräch mit dem Arzt, der ihm etwas von einer „Fehlstellung“ im linken Fuß erzählte. „Ärzte dürfen solche Fehler wohl nicht zugeben“, mutmaßt Engels. „Er kam dann an mein Bett, hat mit mir gesprochen und dabei geweint. Irgendwann habe ich ihm gesagt: ‚Sie haben doch super operiert, es war halt leider das falsche Bein.‘“

Der heute 23-Jährige reagierte damals fast schon unmenschlich: besonnen, ruhig und voller Verständnis. Die Flucht aus jenem Krankenhaus, das ihm das angetan hatte? Nein. Engels „bestand darauf“, dort zu bleiben. Wenn auch hin und hergerissen zwischen seinen Emotionen: „In dem Moment konnte ich nicht mal weinen, ich war einfach hilflos und habe ihn nur gebeten, die Schrauben aus meinem zuvor gesunden Fuß zu holen. Noch am selben Tag hatte ich meine zweite OP unter Narkose, obwohl man das normalerweise nicht macht.“

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Verständnis statt Hass: So reagierte der Ex-DFB-Junior

Der Teenager wollte, dass ihn der gleiche Arzt weiter behandelte, der den Fehler gemacht hatte. „Ich habe dafür meine Zustimmung gegeben und auch für mich entschieden, nicht gegen den Arzt vorzugehen und auf eine Anzeige zu verzichten.“

Sechs Jahre später spricht er erstmals öffentlich über sein Schicksal – und steht zu seiner Entscheidung von 2015: „Wir sind alle nur Menschen und machen Fehler. Ich war damals jung, würde heute aber genauso vorgehen. Im gesamten Prozess wurden mehrere Fehler gemacht, es war nicht nur die Schuld des operierenden Arztes.“

Heute sucht er seine Chance in den USA

Direkt danach die Spiele der deutschen U17 zu verfolgen, war für ihn nicht leicht. „All das von zuhause verfolgen zu müssen mit dem Wissen, dass man eine Chance gehabt hätte, dabei zu sein, war sehr hart. Ich habe mir deshalb auch nicht alle Spiele angesehen.“

Heute spielt er in den USA für ein College-Team. Engels geht seinen Weg – nur eben anders als gedacht. „Jetzt bin ich zum ersten Mal wieder seit einem halben Jahr verletzungsfrei“, freut sich der 23-Jährige. „Ich fühle mich super und merke, dass ich plötzlich wieder besser werde. Dadurch fällt immer mehr der Druck ab, den ich mir selbst gemacht habe. Ich kann mich wieder entwickeln und mein Körper lässt es zu.“ (ana)