Sie lag schreiend auf dem Boden

7 Stunden Wartezeit - Frau stirbt in Notaufnahme - Dr. Specht erklärt: Das könnten die Ursachen sein

Im RTL-Interview spricht Mediziner Dr. Christoph Specht über den mysteriösen Fall Allison Holthoff.
Im RTL-Interview spricht Mediziner Dr. Christoph Specht über den mysteriösen Fall von Allison Holthoff.
facebook/ali.salter.5/RTL-Collage
von Denise Kylla

Die Szenen, dich sich am Silvesterabend in Kanada abgespielt haben sollen, klingen schrecklich. Allison Holthoff soll mit qualvollen Bauchschmerzen ins Krankenhaus gefahren sein. Doch in der Notaufnahme soll sich niemand richtig um die dreifache Mutter gekümmert haben. Sie starb zusammengekauert auf dem Fußboden. Wochen zuvor soll sie einen Unfall beim Ausreiten gehabt haben. Mediziner Dr. Christoph Specht sprach im Interview mit RTL über den unheimlichen Fall.

"Code Blue" - Allison hat einen Herzstillstand

Anfang der Woche schilderte der verwitwete Ehemann Gunther Holthoff, was ihm und seiner Allison im Krankenhaus widerfahren sei. Schon im September soll seine Frau bei einem Ausritt vom Pferd gefallen sein, seither habe sie unter Bauchschmerzen gelitten, berichtet die „New York Post“. Am 31. Dezember habe sie plötzlich starke Krämpfe bekommen – das Ehepaar fuhr in das Cumberland Regional Health Care Centre in Amherst. Weil Allison vor lauter Schmerzen nicht mehr laufen konnte, habe ihr Mann sie auf dem Rücken in die Notaufnahme getragen, heißt es. Dort habe man eine Blut- und eine Urinprobe abgenommen. Danach hätte man sich nicht mehr um seine Frau gekümmert, beklagt Guther Holthoff.

Fünfmal soll der verzweifelte Ehemann das Krankenhauspersonal angesprochen und um Hilfe gebeten haben. Doch das Personal habe nicht geholfen. Nach vier Stunden flehte Allison: „Ich glaube, ich sterbe hier. Lass mich nicht hier sterben.“ Sieben Stunden nach ihrer Ankunft in der Klinik habe sie in Embryostellung auf dem Boden gelegen und um Hilfe geschrien. Ihr Puls raste und der Blutdruck fiel dramatisch ab. „Code Blue“, riefen die Ärzte. Allison hatte einen Herzstillstand und starb.

Allison Holthoff
Allison Holthof starb aus bisher ungeklärten Gründen nach einem Sturz vom Pferd.
facebook/ali.salter.5, facebook/ali.salter.5

Medizinier Dr. Specht: "Es könnte sich um einen 'akuten Bauch' gehandelt haben"

Erst ein Reitunfall, drei Monate später mit Bauchkrämpfen in der Notaufnahme, dann der Tod. Was könnte Allison zugestoßen sein? Im Interview mit RTL äußert Mediziner Dr. Christoph Specht eine Vermutung: „Der Mensch neigt dazu, Erklärungen und Zusammenhänge finden zu wollen. Ich glaube aber nicht, dass der Sturz vom Pferd und die anschließenden Bauchschmerzen mit Todesfolge zusammenhängen“, sagt er. Er vermutet etwas anderes hinter den schrecklichen Schmerzen der Mutter. „Ihr Leiden klingt nach einem so genannten ‘akuten Bauch’“, so der Experte. Dabei handle es sich um Leiden im Bauchbereich, die verschiedene Ursachen haben könnten. Auf alle Formen treffe eines aber immer zu: „Es handelt sich um einen Notfall.“

Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht
Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht
RTL

Konkret vermutet Dr. Specht, dass es sich bei Allison um eine Blinddarm- oder Eierstockentzündung gehandelt haben könnte. Dafür spreche auch die Embryo-Stellung, in der sie sich zusammengekauert habe. Sobald der Blinddarm durchbreche oder eine Eiterblase platze, könne Flüssigkeit in den Bauchraum gelangen. „Dann hat man ein Zeitfenster von anderthalb bis zwei Stunden, um zu operieren und den Bereich zu reinigen, sonst ist der Patient tot“, erklärt der Mediziner. Bei Allison kam die Hilfe zu spät. Laut Dr. Specht sei es zwar richtig gewesen, das Urin der Patientin zu untersuchen – man hätte aber schneller eine Diagnose stellen müssen, die ihr womöglich das Leben hätte retten können.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Auf dem Boden der Notaufnahme in Kanada: Warum half Allison niemand?

Schenkt man Allisons Witwer Glauben, dann kümmert sich in der Notaufnahme niemand um seine Frau. Dr. Christoph Specht vermutet dahinter personelle Probleme. Die Bauchkrämpfe seien zwischen den Tagen aufgetreten, an Silvester sei die Klinik womöglich knapp besetzt gewesen. „Vielleicht wurde im Nebenzimmer gerade jemand reanimiert und es gab scheinbar dringendere Notfälle und nur einen Arzt“, mutmaßt er. Werfe man beispielsweise einen Blick auf Großbritannien, werde schnell deutlich, dass mancherorts katastrophale Zustände herrschten – „Geldmangel, Streik“.

ARCHIV - 25.11.2021, ---: Ein am Respiratorischen Synzytial-Virus (RS-Virus oder RSV) erkrankter Patient liegt auf einer Kinderstation einer Klinik in einem Krankenbett. (zu dpa «Notfallmediziner: Dramatischer Bettenmangel in Kinderkliniken») Foto: Marijan Murat/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Auch in Kinderkliniken herrscht ein dramatischer Bettenmangel.
mut tba geo vco jai, dpa, Marijan Murat

Auch deutsche Kliniken stehen vor einem Problem

In Deutschland könnte es bald ebenfalls zu Missständen in Krankenhäusern kommen, davor warnte kürzlich der Marburger Bund. In naher Zukunft würden circa 90.000 Mediziner in Rente gehen. Das entspreche einem Fünftel der praktizierenden Ärzte im Land. Hinzu kämen hohe Energiekosten in Kliniken. Außerdem habe sich der Personalmangel durch die Coronapandemie drastisch verschärft.