Spanier macht Dampf

Ferrari in der Klemme: Stößt Sainz Leclerc vom Thron?

Eric Gay
Carlos Sainz macht Charles Leclerc bei Ferrari die Hölle heiß
deutsche presse agentur
von Christian Schenzel

Vor dem Start der Formel-1-Saison 2022 herrscht in der Königsklasse das große Rätselraten. Wie werden die Kräfteverhältnisse aussehen? Fahren Mercedes und Red Bull dem Feld wieder davon? Oder wird aus dem Zwei- womöglich ein Drei- oder Vierkampf um den Titel? Nicht wenige trauen der Scuderia Ferrari die große Überraschung in diesem Jahr zu. Die Vorzeichen sind gut. Gleichzeitig gibt es aber auch einige Warnsignale.

Scuderia geigt wieder mit

Im Schatten von Mercedes und Red Bull entwickelte sich Ferrari im letzten Jahr zu den großen Gewinnern der Saison. Von allen Teams gelang den Roten verglichen mit 2020 der größte Sprung nach vorne. Von Platz sechs ging es in der Konstrukteurswertung hoch auf Platz drei. Statt 17 Top-Ten-Platzierungen landete das Team 37 Mal in den Punkten - eine Entwicklung, die nur wenige erwartet hatten.

Unter anderem dank modifizierter Power Unit spielte die Scuderia 2021 wieder im Konzert der Großen mit. Neben dem verbesserten Motor werkelten die Roten aber auch in anderen Bereichen erfolgreich an einigen Stellschrauben. Statt Pleiten, Pech und Pannen griff bei Ingenieuren, Mechanikern und Teamleitung endlich ein Rädchen ins andere. Das war vor allem in den beiden letzten Vettel-Jahren noch völlig anders. Dort herrschte an der Boxenmauer und in der Garage regelmäßig das Chaos.

Sainz mit beeindruckendem Debüt in Rot

Als vielleicht größter Glücksgriff erwies sich aber die Verpflichtung von Carlos Sainz. Der Spanier fuhr schon in seiner ersten Saison auf Augenhöhe mit Charles Leclerc, Ferraris "Mann für die Zukunft". Wie so viele Neuzugänge (Vettel, Ricciardo, Pérez) hatte auch der 27-Jährige in den ersten Wochen bei seinem neuen Team Eingewöhnungsprobleme. Umso bemerkenswerter war, wie schnell Sainz das Level von Leclerc erreichte.

Am Ende hatte der Spanier nicht nur mehr Punkte (164,5:159), sondern auch mehr Podestplatzierungen (4:1) auf dem Konto. Überhaupt landete der Neuzugang in 22 Rennen nur zwei Mal nicht in den Punkten. Diese beeindruckende Konstanz war auf dem Weg zum dritten Platz in der Konstrukteurs-WM entscheidend.

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Hat Sainz Leclerc "entzaubert"?

Sainz' Zahlen ließen auch die Konkurrenz staunen. Erst vor wenigen Tagen befand Red-Bull-Berater Helmut Marko, dass der Spanier Leclerc "entzaubert" habe. Da Sainz aus dem Red-Bull-Stall kommt, ist Marko hier natürlich nicht unvoreingenommen. Dem Tenor seiner Aussage aber stimmen nicht wenige zu. Selbst Mattia Binotto bezeichnete Sainz im letzten Jahr schon als "Benchmark" für Leclerc - und das mitten in der Saison, als der Monegasse die Nase im direkten Duell noch vorne hatte.

"Ferrari muss sich jetzt darauf einstellen, zwei Fahrer mit gleichen Ambitionen, den gleichen Zielen und den gleichen Gewinnchancen zu managen", warnte der ehemalige Formel-1-Fahrer Ivan Capelli die Roten vor einer neuen Herausforderung. Auch für ihn ist Sainz "auf einem Level" mit Leclerc, der seine Rolle als angedachter Teamleader "nicht immer erfolgreich" ausgefüllt habe, erklärte der Italiener.

Capelli gehört daher auch zu denjenigen, die glauben, dass Leclerc 2022 unter besonders großem Druck steht. "Und diesen Druck auf den Schultern zu haben, macht einen großen Unterschied", sagt der ehemalige Formel-1-Pilot.

In der Chefetage haben sie schon im letzten Jahr das Gefühl bekommen, dass Leclercs Leistungen kritischer wahrgenommen wurden. Mattia Binotto sprang seinem Schützling deshalb demonstrativ zur Seite und relativierte: "Wir sollten nicht vergessen, dass es einige Rennen wie in Monaco und Budapest gab, in denen er viel Pech hatte. Dadurch fehlen ihm mindestens 40 Punkte." Insgesamt sei er "sehr zufrieden" mit der Leistung seiner Nummer eins, deren Status zumindest angekratzt ist.

Auch Massa warnt Ferrari

Für die Scuderia stellt sich 2022 die Frage, ob zwei gleichstarke und gleichermaßen ambitionierte Fahrer in den eigenen Reihen eine Luxussituation sind oder vielleicht doch zu einem Luxusproblem werden. Klar ist, dass die Erwartungen in Maranello an die Saison 2022 deutlich gestiegen sind. Störfeuer jeglicher Art könnten die hohen Ziele gefährden.

Wie schnell bei den Roten alles zusammenbrechen kann, haben die letzten Jahre gezeigt. Der Brasilianer Felipe Massa war nicht selten hautnah dabei. Er sagt: "Es braucht viel harte Arbeit und einen kühlen Kopf, um gute Resultate zu erzielen." Vor allem die Sache mit dem kühlen Kopf sei wichtig, betonte der Brasilianer. "Und das", so Massa, "ist bei Ferrari schwer".

Quelle: sport.de