Team soll Budgetregeln gebrochen haben
Formel-1-Beben droht: Hat Red Bull Verstappen zum Titel geschummelt?

Die Formel 1 könnte von einem Erdbeben erschüttert werden. Wie „auto motor und sport“ und die „Gazzetta dello Sport“ berichten, sollen zwei Teams im Vorjahr die Budgetgrenze von 148,6 Millionen Dollar überschritten haben – darunter Red Bull. Die Gretchenfrage, die sich dabei stellt: Hat der Rennstall Max Verstappen einen unerlaubten Vorteil im WM-Kampf 2021 gegen Lewis Hamilton verschafft? Wenn ja, könnte dies enorme Folgen haben.
Marko sieht "Rufschädigung"
Die Medienberichte decken sich mit Informationen von RTL/ntv. Demnach stimmt es, dass in der vergangenen Saison zwei Teams den Budgetdeckel nicht eingehalten haben: Aston Martin und Red Bull. Eines der beiden Teams soll die Grenze sogar deutlich gerissen haben.
"Es ist schon erstaunlich, wenn in einem laufenden Verfahren, das noch keineswegs geklärt ist, solche Dinge an die Öffentlichkeit gelangen", sagte Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko am Freitag bei Sky: "Das ist rufschädigend." Aus Red Bulls Sicht liege kein Regelbruch vor. Es seien "Punkte aufgelistet, die gar nicht ins Budget gehören", sagte Marko. Momentan laufe eine Diskussion "über Positionen, wer wo arbeitet. Wir haben ja verschiedenste Firmen. Wir haben Red Bull Advanced Technology, wir haben Red Bull Technology, Red Bull Powertrains. Und das muss man alles ganz klar trennen.“
FIA steckt in einem Dilemma
Der Automobil-Weltverband FIA will das Ergebnis der „Buchprüfung“ für 2021 kommende Woche öffentlich machen. Das Dilemma für die Regelhüter: Es gibt kein klar definiertes Strafmaß für den Fall, dass ein Team mehr Geld ausgibt als erlaubt. Die Regelhüter wollten so verhindern, dass die Rennställe eine Kosten/Nutzen-Analyse anstellen, bis zu welchem Betrag sich ein Überschreiten der Grenze im Verhältnis zur Strafe lohnen könnte. Laut Reglement gilt eine Überschreitung von fünf Millionen Dollar als „kleinere Regelverletzung“. Im Fahrerlager geht man davon aus, dass dies mit einer Geldstrafe geahndet wird.
„Die FIA schließt derzeit die Bewertung der von allen Formel-1-Teams eingereichten Finanzdaten für 2021 ab“, sagte ein Sprecher beim Großen Preis in Singapur. Angebliche Verstöße gegen die Finanzvorschriften würden „gegebenenfalls gemäß dem in den Vorschriften festgelegten formellen Verfahren behandelt“, hieß es entsprechend unkonkret.
5 Millionen Extra = 5 Zehntel?
Bei Mercedes kocht man allerdings. Tenor: Wir haben die Fahrer-WM wegen einer umstrittenen Safety-Car-Entscheidung in Abu Dhabi verloren. Wir haben uns anders als Red Bull an die Budgetregeln gehalten. Wir sind die Gelackmeierten. „Wenn wir und Ferrari gewusst hätten, dass wir fünf Millionen mehr ausgeben können, würden wir das ohne Probleme machen“, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei Sky Italia.
Kein Wunder, dass die Silberpfeile, aber auch Ferrari, jetzt Betrieb machen. Laut „auto motor sport“ beziffern die beiden F1-Großmächte den Nutzen von fünf Millionen Dollar Extra-Entwicklung mit bis zu einer halben Sekunden auf dem Asphalt.
„Wenn es Beweise gibt, dass Red Bull das Budget bewusst überschritten hat, ist das wie ein zu großer Motor oder ein illegaler Flügel“, erläuterte ORF-Experte Alexander Wurz in Singapur.
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Titelverlust von Verstappen unwahrscheinlich
Mit welchen Strafen müsste Red Bull rechnen? Hier wird es eben schwammig. Hat das Team, wie von Wurz hinterfragt, bewusst den Geldhahn aufgedreht, muss die FIA ermitteln und womöglich einen Präzedenzfall schaffen. Teams, die den Rahmen um mehr als fünf Millionen Dollar gesprengt haben, müssen ohnehin mit härteren Strafen als einer Geldstrafe rechnen. Sanktionen wie ein nachträglicher Punktabzug oder eine Rückstufung in der WM sind denkbar.
Muss Max Verstappen also rückwirkend um seinen ersten Titel zittern? Mercedes wird sich die offiziellen Ergebnisse der Budgetprüfung des Vorjahres jedenfalls ganz genau anschauen – und könnte den Fall vors Sportgericht bringen. Dass dem Holländer tatsächlich die WM aberkannt wird, ist aber unwahrscheinlich.
Bei Vergehen der Teams, auch bei schweren, wurden in der Vergangenheit die Teams und nicht die Fahrer bestraft. So etwa beim Spionage-Skandal um McLaren und Ferrari 2007. Damals hatte sich McLaren geheime Ferrari-Dokumente verschafft. Der Rennstall musste eine Strafe von 100 Millionen Dollar bezahlen und verlor alle Punkte in der Konstrukteurs-WM. Lewis Hamilton und Fernando Alonso aber durften ihre Punkte behalten. (mar/sid/dpa)