FDP-Anfrage zur Berufsorientierung

Der Staat lässt die Schüler allein

Azubi Emre erklärt am 12.03.2014 in Schwaigern (Baden-Württemberg) während der Girls'Day-Akademie in der Firma Walter Söhner den Schülerinnen Tamara (l) und Dajana die Arbeitsschritte. Foto: Franziska Kraufmann/dpa    (zu dpa "Ein Jahr statt ein Tag: «Girl's Day» wird zur Akademie ausgebaut" vom 21.03.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++
In der Pandemie können Schülerinnen und Schüler kaum vor Ort Jobs ausprobieren.
dpa, Franziska Kraufmann



Von Philip Scupi
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Wie können Schülerinnen und Schüler in der Coronazeit ihren Traumjob finden? Eine Anfrage der FDP an die Bundesregierung zeigt jetzt: Die Möglichkeiten für die Berufsorientierung sind während der Pandemie drastisch eingeschränkt. Tut der Staat zu wenig für angehende Azubis?
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Betriebe in der Pandemie für Schüler geschlossen

Normalerweise können sich Achtklässler in Deutschland bei sogenannten Werkstatttagen mögliche Berufe vor Ort in Betrieben anschauen. Im Corona-Jahr 2020 aber ging das deutlich schlechter. Nur 90.000 von 148.000 geplanten Werkstatttagen konnten stattfinden. Im vorherigen Jahr waren es noch 134.000 – ein Drittel mehr.

Die Zahlen stammen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. RTL liegt das Papier exklusiv vor. Darin heißt es: „Der Bundesregierung ist bekannt, dass aufgrund von pandemiebedingten flächendeckenden Schulschließungen sowohl im Jahr 2020 als auch im Jahr 2021 vielerorts Maßnahmen zur beruflichen Orientierung in Präsenzform stark eingeschränkt werden oder entfallen mussten.“

Berufsberater haben anderes zu tun

Ein anderes Problem, das aus der Antwort hervorgeht: Schülerinnen und Schüler haben in den Arbeitsagenturen während der Pandemie weniger Ansprechpartner. Von 3.750 Vollzeit-Berufsberaterinnen und -Beratern waren von April bis Dezember im Monatsschnitt 550 nicht im Einsatz. Sie halfen wegen der Coronakrise im sogenannten Operativen Service aus, vor allem bei der Bearbeitung von Anträgen auf Kurzarbeitergeld. Im April und Mai waren es sogar 1.200 Berater – und damit knapp jeder Dritte.

Zudem dürften wegen der Kontaktbeschränkungen viele Praktika in Betrieben und Ausbildungsmessen abgesagt worden sein. Wie viele es genau waren, kann die Regierung in ihrer Antwort auf die FDP-Anfrage nicht beziffern.

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FDP-Kritik an Bundesregierung

Jens Brandenburg, Sprecher für berufliche Bildung der FDP-Fraktion, kritisiert bei RTL/ntv: „Vor Ort gibt es oft gute Ansätze, aber der Bundesregierung fehlt bis heute eine funktionierende Strategie für eine krisensichere Berufsorientierung.“ Digitale Formate seien zwar bei der Orientierung eine wichtige Ergänzung, den persönlichen Eindruck einer Werkshalle könnten sie aber nicht ersetzen. Brandenburg fordert deshalb, Praktika und kleine Ausbildungsmessen mit Hygienekonzepten wieder zu ermöglichen.

Berufsberatung im Videochat

Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist wegen der Coronakrise schwierig. 29.349 Bewerber blieben im Ausbildungsjahr unversorgt – ein Fünftel mehr als ein Jahr zuvor. Jeder sechzehnte hat keine Stelle bekommen. Und das obwohl die Konkurrenz durch weniger Bewerber sogar kleiner geworden ist. Das Problem aber ist: Zugleich haben die Firmen in der Pandemie ihre Plätze gekürzt.

Die Regierung betont, zur Berufsorientierung pandemiegerechte Alternativen zu vermitteln, darunter Beratung per Video und Spaziergänge mit Arbeitgebern. Man kümmere sich vor allem um jene, die den Einstiegs ins Berufsleben 2020 nicht unmittelbar geschafft hätten. „Die Verhinderung eines sogenannten Corona-Jahrgangs ist für die Bundesregierung von sehr großer Bedeutung.“