EM-Gold nach Olympia-SilberErst Eiskanal, dann Tartanbahn: Deutsche Athletin verblüfft im Bob und Sprint

Medaillen bei Winter-Olympia und Leichtathletik-EM. Wer kann das schon von sich behaupten? Nun, Alexandra Burghardt ist dieses Kunststück gelungen. Der Bob-Ausflug hat sie sogar stärker gemacht.
Schneller Antritt von Alexandra Burghardt
Es war ein mehr als würdiger Abschluss: Die deutsche Sprint-Staffel der Frauen hat die Leichtathletik-EM und die European Championships aus deutscher Sicht endgültig vergoldet. Im letzten Wettbewerb rannten Alexandra Burghardt, Lisa Mayer, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase am späten Sonntagabend im Tollhaus Olympiastadion über die 4x100m zu EM-Gold – sieben erste Plätze feierte das deutsche Team. Platz eins im Medaillenspiegel.
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Dabei war das Finale furioso der Staffel kein Selbstläufer, auch wenn es bei der WM in Eugene vor fünf Wochen schon zu Bronze gereicht hatte. Das deutsche Team ist gespickt mit Comeback-Storys. Dazu gleich mehr. Den ersten Schritt zum Staffel-Gold und den Grundstein legte am Sonntagabend Alexandra Burghardt. Ein schneller Antritt half ihr auch schon zu einer Olympia-Medaille - unter ganz anderen Bedingungen.
Ein erfolgreiches Eis-Intermezzo

Denn 2021 wechselt sie vorübergehend von der Tartanbahn in den Eiskanal. Sie heuert als Anschieberin für die Bob-Pilotin Mariama Jamanka an, feiert im November nach ersten Tests ihr Debüt. Nach erfolgreicher Quali steht das Highlight Olympia 2022 an, wo sie zusammen mit Jamanka zu Silber im Olympia-Eiskanal fährt und schiebt. Der bis dato größte Triumph ihrer Karriere. Bis zu diesem Sonntagabend.
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Von ihrem Ausflug in die ganz andere Sportart habe sie sogar profitiert. „Mich hat das auf jeden Fall stärker gemacht. Auch der Bobzirkus drumherum, das war relativ hart. Ich glaube, es hat mich ein bisschen robuster gemacht. Als Sprinter ist man immer ein bisschen sensibel und feinfühlig“, hatte sie vor dem EM-Start gesagt.
Mit dieser Robustheit ging die Athletin der LG Wacker Burghausen in ihre Heim-EM. Den Durchbruch hatte sie im vergangenen Jahr geschafft schon vor dem Bob-Intermezzo geschafft. Nach Jahren des Stillstands wagte sie einen Neuanfang, belohnt wurde er 2021 mit dem Doppeltitel bei den Deutschen Meisterschaften über 100 und 200 Meter. Es waren ihre erste Titel im Erwachsenenbereich.
Lückenkempers Weg von der Notaufnahme zu Doppel-Gold
Die Geschichte von Burghardt ist nur eine der vier ungewöhnliche aus der deutschen Staffel. Am bekannten ist wohl der Weg von Gina Lückenkemper – er führte über die Notaufnahme. Nach dem Goldtriumph über die 100 Meter verletzte sich die 25-Jährige mit ihren Spikes am Knie, musste mit acht Stichen genäht werden. Ihre Teilnahme am Finale war lange Zeit unklar. Ihre Teamkolleginnen liefen derweil auch ohne Gold-Gina ins Finale.
Dort brachte sie das deutsche Team als dritte Läuferin in Führung, übergab an Schlussläuferin Rebekka Haase. Die beiden verbindet eine Freundschaft. Haase war nach den Olympischen Spielen 2021 in Tokio fiel in ein mentales Loch gefallen, wie sie zuletzt offen erzählte. Sport-Burnout. „Du bist zu nichts mehr in der Lage und orientierungslos", sagte die 29-Jährige der Sportschau. Selbst der weg zum Kühlschrank sei mitunter zu weit gewesen. Die Hallen-Saison ließ sie daraufhin aus. Mit psychologischer Hilfe arbeitet sie sich zurück.
Zurückkämpfen kennt auch Lisa Mayer. Die Läuferin, die den Stab von Burghardt übernommen hatte, plagten immer wieder Verletzungssorgen. Bei Olympia musste sie aufgrund muskulärer Probleme wieder abreisen. Für München setzte sie sich im letzten vor der EM ein Ausrufezeichen – und schrieb damit eifrig mit an dieser Wunder-Comeback-Geschichte.
Bob-Silbergewinnerin und frischgebackene Gold-Läuferin Burghardt brachte es auf den Punkt. „Es ist wirklich wie ein Märchen.“ (msc)


