Heiße Phase vor der Europameisterschaft beginnt

So heizt Löw jetzt den EM-Kampf an

Das große EM-Abenteuer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hat mit Gewitter und wenig glamourös begonnen. Ein paar Dutzend versprengte Fans hatten trotz Donner und Dauerregen ausgeharrt, um Joachim Löw und seine 26 Titeljäger vor den Holzhaus-WGs im Turnierquartier Herzogenaurach zu begrüßen. Im Video schildert RTL-Reporter Kyrill Ring seine Eindrücke von der Ankunft und verrät, was jetzt in den nächsten Trainingstagen auf dem Plan steht.

Löw: "Die Arbeit fängt erst an"

Vor dem Kracherstart in die EM gegen Frankreich erhöht Bundestrainer Löw den Druck. Das fast gefährlich lockere 7:1 (5:0) gegen heillos überforderte Letten ist längst vergessen und soll niemandem den Kopf verdrehen. "Wir dürfen nicht glauben, dass jetzt alle Arbeit getan ist. Die Arbeit fängt erst an", mahnte Löw. Frankreich, der Weltmeister mit seinen Superstars, sei selbstverständlich "ein ganz anderes Kaliber", am 15. Juni in München entstehe "ganz anderer Druck".

Der steigt auch intern: Löw heizt ihn bewusst an. "Wir wollen die Intensität oben halten, damit um die einzelnen Plätze gekämpft wird", betonte er, "da gibt es schon noch Überlegungen." Allerdings hatte er in Düsseldorf offenbart, wie er Kylian Mbappe und Antoine Griezmann stoppen will: Mit Dreierkette - und Joshua Kimmich als "Philipp Lahm von 2021" auf der ungeliebten rechten Außenbahn.

Im Video: Deutschlands Tor-Gala gegen Lettland

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Wer zieht im Mittelfeld den kürzeren?

Das exzellent besetzte deutsche Mittelfeld bietet für die vielen Topspieler mindestens einen Platz zu wenig. Toni Kroos und Ilkay Gündogan als Duo von Weltklasse zu haben und Kimmich rüberzuziehen, um zugleich die Probleme auf der rechten Seite zu lösen: Das erscheint geschickt und hat ein historisches Vorbild. Auf dem Weg zum WM-Triumph 2014 war Lahms Versetzung nach rechts womöglich Löws entscheidender Schachzug.

"Jo hat das sehr gut gemacht", sagte der Bundestrainer, obwohl Kimmich sich innerlich gegen die Rolle zu sträuben schien: "Er hat das Format eines Philipp Lahm. Das macht seine Klasse aus, sich sofort auf seine Aufgaben einstellen zu können." Ein größeres Lob kann es kaum geben.

Im Tor ist selbstverständlich Kapitän Manuel Neuer gesetzt, der sich nach seinem Jubiläum für "die ganze Reise mit 100 Spielen" beim Trainerteam, aktuellen und ehemaligen Mitspielern bedankte. Der alte Leitwolf Mats Hummels soll mit dem Champions-League-Sieger Antonio Rüdiger und Matthias Ginter die Dreierkette bilden, links wird Robin Gosens spielen, dem bei seinem ersten Länderspieltor "so richtig einer abging".

Die offensive Dreierreihe mit dem herausragenden Kai Havertz, Siegtorschütze im Champions-League-Finale, Thomas Müller und Serge Gnabry muss sich auch nicht verstecken. Leroy Sane und Timo Werner haben vorerst das Nachsehen. Sie sind die Härtefälle, aber auch gute Wechseloptionen.

Deutschland muss Gegentore abstellen

Geht da vielleicht doch viel bei dieser ersten Paneuropa-EM? "Wir vertrauen einander", sagte Neuer: "Wir haben eine schwere Gruppe, aber es ist auch unangenehm, gegen uns zu spielen." Bei der Ehrenrunde zum Toten-Hosen-Hit "Tage wie diese" war Aufbruchsstimmung zu spüren.

Doch ein altbekanntes Problem muss Löw abstellen. Er ärgerte sich wie Neuer mächtig über das Gegentor - selbst gegen Lettland, die Nummer 138 der Weltrangliste und ein Ausbund an Harmlosigkeit, gab es kein zu null. "Wenn man gegen Frankreich unaufmerksam ist, reichen wenige Momente. Da müssen wir noch hart arbeiten", kündigte der Bundestrainer an.

In den baumgesäumten Vierer-Wohngemeinschaften soll die Mannschaft ein eingeschweißtes Team werden. Ein Hauch des legendären WM-Quartiers Campo Bahia weht über der Anlage. "Wir wollen einen Spirit wecken", sagte Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff: einen Geist von Herzogenaurach.

Trotz "guter Basis" geht das nur mit dem parallelen Einschleifen von Verhaltensmustern. "Die Themen bleiben die gleichen", sagte der Bundestrainer: "Wie verteidigt man Räume? Wie verteidigt man im Pressing? Wie sieht es aus mit den Zweikämpfen? Das sind die defensiven Fragen."

Vorne hingegen: "Räume bespielen, Räume öffnen, Räume freimachen - das sind die Themen in der Offensive. Es gibt im modernen Fußball eine unheimliche Raumknappheit. Das müssen wir gut machen, daran müssen wir feilen."

Eine Woche ist dafür noch Zeit. Dann kommt der Weltmeister und rüttelt mächtig am System.

(lhö/sid)