Schlüsselspieler im Gruppenfinale gegen Ungarn
Abwehrkanten und ein Muckimann: Auf wen es heute Abend ankommt

Von Emmanuel Schneider
Deutschland gegen Ungarn – das weckt große Erinnerungen. Tatsächlich war das letzte Pflichtspiel der beiden Länderauswahlen das Duell im WM-Finale 1954 – die etwas Älteren werden sich erinnern. Diesmal geht es „nur“ ums Weiterkommen ins EM-Achtelfinale. Und im Vergleich zum Endspiel vor 67 Jahren ist das DFB-Team der klare Favorit. Wir haben uns die Schlüsselspieler und -duelle vor dem Gruppenfinale (21 Uhr, RTL-Liveticker) angeschaut.
DEUTSCHLAND: Toni Kroos (31, 104 Länderspiele)

Die Schaltzentrale im deutschen Mittelfeld machte zwei solide Spiele bei dieser EM. Die große Herausforderung gegen Ungarn: Geduldig bleiben, weiter das Spiel aufziehen, auch wenn der Gegner lange mithalten sollte und die Räume verengt.
Bei den gefährlichen Kontern der Ungarn muss der Real-Spieler nach hinten mitarbeiten, auch als Balleroberer da sein, sonst droht wie den Franzosen Gegentor-Ungemach.
Wo noch Luft nach oben ist: bei den Standards, die bislang weitgehend verpufften. Gerade gegen Ungarn sollte die DFB-Elf mehr Ecken und Freistöße herausholen als bislang. Dann ist Kroos gefordert.
Leon Goretzka (26, 33 Länderspiele)

Fällt Thomas Müller für die Partie aus, ist er der erste Kandidat als Ersatz. Der Bayern-Spieler drückt nach seiner überstandenen Verletzung (Muskelfaserrisses im Oberschenkel) ohnehin in die Startelf, kann die offensiven Positionen allesamt spielen und hat diese im DFB-Team auch schon übernommen.
Gegen Portugal schickte ihn Bundestrainer Löw schon für eine Viertelstunde aufs Feld, lieferte gleich mal einen Lattenstreifschuss ab. Das Muskelpaket aus dem Ruhrgebiet bringt alles mit, um im Duell mit den aggressiv-verteidigenden Abwehrkanten der Ungarn zu bestehen – zum Beispiel einen hervorragenden Schuss und Kopfballstärke. Goretzka ist bereit, die Verantwortung zu übernehmen, die durch einen Müller-Ausfall notwendig ist.
Serge Gnabry (25, 24 Länderspiele)

Der Bayern-Stürmer spiele bei ihm „immer“, sagte Bundestrainer Joachim Löw einst. In den ersten beiden EM-Gruppenspielen kam Gnabry demnach auch zum Einsatz, arbeitete und lief viel. Ein Treffer gelang dem 25-Jährigen noch nicht (er zwang allerdings Raphaël Guerreiro beim 2:1 zum Eigentor), seine Leistung ging im Vergleich zu Überflieger und Torschütze Kai Havertz auch etwas unter. Und doch: Seine Wucht, Antritte und Schnelligkeit braucht das deutsche Team vor allem auch gegen einen defensiv-eingestellten Gegner wie Ungarn.
Video: So tippt Lothar Matthäus das Gruppenfinale
UNGARN: Peter Gulacsi (31, 41 Länderspiele)

Der Keeper der Ungarn war DER Rückhalt und Mann des Spiels gegen Frankreich. Mit etlichen Paraden sicherte er dem Team gegen Weltmeister Frankreich den wichtigen Punktgewinn, auch gegen Portugal hielt er die Ungarn lange im Spiel. Bislang einer der stärksten Schlussmänner des Turniers.
Der Torhüter vom RB Leipzig kennt die Bundesliga und damit auch viele Spieler der DFB-Auswahl gut. Die deutsche Mannschaft wird wohl ähnlich wie gegen Portugal mit viel Ballbesitz und Abschlüssen auf Tore drängen. Mit Gulacsi, der inzwischen einer der komplettesten Keeper der Bundesliga ist, steht und fällt das ungarische Ergebnis.
Willi Orban (28, 24 Länderspiele)

Zusammen mit Gulacsi bildet der Leipzig-Profi die Defensiv-Achse der Ungarn. Der Innenverteidiger, der in Kaiserslautern geboren und aufgewachsen ist, nimmt im Dreierkette-Abwehrblock die linke Position ein. Der 1,86 Meter große Verteidiger, der gerne auch rustikal dazwischengeht, muss das vielköpfige DFB-Offensiv-Monster um Havertz, Gnabry und Co. bändigen – keine leichte Aufgabe.
Orban kündigte selbstbewusst an: „Wir haben genug Körner, um Vollgas zu geben.“ Er leistete sich allerdings in beiden Spielen bislang kleinere oder größere Patzer, verursachte unter anderem einen Foulelfmeter.
Adam Szalai (33, 73 Länderspiele)

Der nächste Bundesliga-Spieler in der Runde. Der Mainzer-Profi ist als Sturmspitze für die Offensive und klare Ansagen im Team zuständig, heizt dem Team vor Anpfiff regelmäßig ein. Gegen Weltmeister Frankreich musste er wegen eines Schlags auf den Kopf früh vom Feld. Inzwischen meldete sich der Offensivmann aber wieder fit. Sein klarer Auftrag: Bei Entlastungskontern der Ungarn für Gefahr sorgen, Räume schaffen, Bälle halten und weiterleiten sowie das Team mit seiner Erfahrung (73 Spiele, 23 Tore) als Leader anführen.
Der Routinier hat mit Mainz schon alles erlebt (auch seinen Beinahe-Rauswurf in der vergangenen Saison, dann streikte das Team für ihn) – er wird auch auch im entscheidenden Match einen kühlen Kopf bewahren.