Berüchtigte Gruppierung versetzt 1.500 Polizisten in AlarmbereitschaftEM-Spiel: Heute könnte die "Carpathian Brigade" aufmarschieren

Unten am Block hängt das Banner der "Carpathian Brigade"
Unten am Block hängt das Banner der "Carpathian Brigade"
Imago Sportfotodienst

Am Mittwoch könnte Deutschland den Einzug ins Achtelfinale schon mit einem Remis gegen Ungarn perfekt machen. Die Vorfreude auf das entscheidende Spiel gegen Ungarn steigt – aber auch die Brisanz. Laut war die Kritik, weil die UEFA die Regenbogenfarben an der Münchner EM-Arena untersagte. Ob sich die Wogen durch die Absage des für heute geplanten Besuchs von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban geglättet haben, ist momentan noch nicht abzusehen. Die Münchner Polizei hält sich heute dennoch in Alarmbereitschaft. Grund: Eine berüchtigte Gruppierung der ungarischen Fans, die durch homophobe und rassistische Äußerungen aufgefallen ist, kündigt sich an. 1.500 Polizisten werden im Einsatz sein.

Münchner Polizei steht in ständigem Austausch mit den ungarischen Behörden

Die Stimmung vor dem letzten Gruppenspiel ist schon weit vor dem Anpfiff um 21 Uhr aufgeheizt. Ob Fans, Mannschaft, Verantwortliche der Stadt München oder Medien – sie alle wollen ein Zeichen für Vielfalt setzen. Es könnte ein friedliches und aussagekräftiges Fußballfest werden. Doch es gibt auch ein paar Chaoten, die diese Party sprengen könnten, vielleicht sogar wollen.

Werner Kraus von der Polizei München teilt auf RTL-Anfrage mit: „Nach aktuellen Lageerkenntnissen rechnen wir mit etwa 2.000 ungarischen Fans. Darunter sollen nach derzeitigem Wissensstand etwa 200 Angehörige von problematischeren Fanvereinigungen sein. Dazu zählen auch Angehörige der ‘Carpathian Brigade’.“

Gruppierung besteht aus Neonazis

15.06.2021, Ungarn, Budapest: Fußball: EM, Ungarn - Portugal, Vorrunde, Gruppe F, 1. Spieltag in der Puskás Arena. Ungarische Fans zünden eine Rauchfackel auf der Tribüne. Important: For editorial news reporting purposes only. Not used for commercial or marketing purposes without prior written approval of UEFA. Images must appear as still images and must not emulate match action video footage. Photographs published in online publications (whether via the Internet or otherwise) shall have an interval of at least 20 seconds between the posting. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Fußball-EM-Spiel: Ungarn - Portugal
jai, dpa, Robert Michael

Diese berüchtigte Fan-Gruppierung trat bei den bisherigen Partien der Ungarn in Budapest (0:3 gegen Portugal und 1:1 gegen Frankreich) im Stadion in zweifelhafte Erscheinung.

Der schwarz gekleidete Mob wird von Experten als paramilitärische Gruppierung eingeschätzt, die aus Neonazis besteht. Laut diverser Berichte sollen die Mitglieder der Brigade durch homophobe und rassistische Äußerungen aufgefallen sein, auch der Hitlergruß sei gezeigt worden.

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Polizei will konsequent gegen Täter vorgehen

Allerdings würden der Münchner Polizei derzeit keine konkreten Erkenntnisse über geplante Straftaten oder sonstige Störaktionen vorliegen. Kraus weiter: „Sollten wir jedoch vor, während oder nach dem Spiel, Verstöße feststellen, insbesondere bei rassistischen oder homophoben Äußerungen, werden wir diese unterbinden und konsequent gegen die Täter vorgehen. Dazu steht die Münchner Polizei in ständigem Austausch mit den ungarischen Behörden.“

Im Video: Warum Ungarn für Müller noch zu früh kommt

Wenn Kylian Mbappé den Ball berührte, waren Affenlaute im Stadion zu hören

Das Spiel gegen Frankreich sah aus wie ein Fußballfest, die Puskas-Arena ist bisher die mit den meisten Besucherinnen und Besuchern bei diesem Turnier. Doch unter den mehr als 55.000, die den Fußballern da zujubelten, waren allem Anschein nach auch einige, die dem verbindenden Ideal einer solchen Europameisterschaft massiv entgegenstehen.

Diejenigen etwa, die französische Fußballer rund um dieses Unentschieden massiv beleidigten. Wenn Kylian Mbappé den Ball berührte, waren von den Rängen laut eines Reporters der Deutschen Presse-Agentur immer wieder Affenlaute zu hören. Was einen unzweifelhaft rassistischen Angriff darstellen würde. Auch Mbappés Sturmpartner Karim Benzema ist demnach mit vermuteter ähnlicher Intention verbal angepöbelt worden.

"Das große Problem ist, dass die lautesten, die stärksten und die sichtbarsten Hooligans und Ultras alle Neonazis sind

Der Kölner "Express" berichtet außerdem davon, dass unter den ungarischen Fans eine größere Gruppe der "Carpathian Brigade" auszumachen gewesen sei. Das deckt sich mit Bildern aus dem Stadion, auf denen ein entsprechendes Banner prominent platziert ist. So wie auch am ersten Gruppenspieltag, dem 0:3 gegen Portugal, als einige von ihnen laut "Express" sogar "freimütig den Hitler-Gruß" präsentiert hätten. Das Onlinemedium "Vice" hatte sich bereits 2016 mit der "Carpathian Brigade" beschäftigt. Der damals Interviewte war Balint Josa, Gründer der Organisation "Szubjektív Értékek Alapítvány" ("Stiftung für subjektive Werte"), die eng mit dem von UEFA und FIFA anerkannten europäischen Netzwerk FARE - Football Against Racism in Europe - kooperierte.

Josa bezeichnete die Gruppierung als "eine paramilitärische Gruppe, die aus Neonazis besteht. Sie sind die gewalttätigste und auch einflussreichste Gruppe in der Kurve. Wie der Name schon verrät, wünschen sie sich die alten Territorien und Grenzen von Großungarn zurück". Zwar teile längst nicht die Mehrzahl der Fans dieses Denken, so Josa: "Es sind, denke ich, weniger als zehn Prozent rechtsradikal", aber "das große Problem ist, dass die lautesten, die stärksten und die sichtbarsten Hooligans und Ultras alle Neonazis sind". Eine Minderheit also, aber offenbar eine einflussreiche und öffentlichkeitswirksame. (sid/msc/tsi/dpa)