Sportmediziner klärt aufDramatischer Schwimm-Kollaps - wie kann das passieren?
Die Szenen gehen unter die Haut. Nach ihrer freien Kür bei der Schwimm-WM wird die Synchronschwimmerin Anita Alvarez plötzlich bewusstlos. Sie sinkt hilflos zu Boden. Ihre Trainerin zieht die Amerikanerin mit einem weiteren Helfer aus dem Wasser. Die 25-Jährige kommt mit einem Schrecken davon. Die Frage bleibt: Wie entstehen solche gefährliche Kurzzeit-Knockouts bei Athleten? Ein Sportmediziner klärt auf.
Inaktivität nach Anspannung ist der Knackpunkt
Ein kurzzeitiger Bewusstseinsverlust im Leistungssport sei gar nicht so selten, erklärt Hans-Georg Predel, Professor und Sportmediziner an der Deutschen Sporthochschule in Köln, im RTL-Interview. Man kenne den Effekt beispielsweise auch von Ruderern oder anderen Disziplinen.
Was genau passiert im Körper beim Bewusstseinsverlust? „Während der Kür ist der Körper unter extremer hochintensiver Anspannung. Nach der Kür kommt es dann zu einem plötzlichen kompletten Umwerfen des Nervensystems“, erklärt Predel. Von hoher Aktivität gehe es nun zur Inaktivität über. „Der Blutdruck sackt ab, die Blutzufuhr ins Gehirn stockt. Bei manchen Menschen kann das zu einem kurzzeitigen Bewusstseinsverlust führen.“
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Schon vor einem Jahr bei der Olympia-Quali gab es Zwischenfall
So wie bei Anita Alvarez am Mittwoch im Becken von Budapest. Nach dem Zwischenfall erklärten die Trainer, es sei nicht das erste Mal gewesen, dass sie während des Sports bewusstlos geworden sei und schoben die Reaktion auf den Stress.
Dass dies eine Rolle gespielt habe „mag ja sein“, sagt Predel. „Aber in erster Linie war es die hoch intensive Mischung körperlicher und psychischer Anstrengung während des Wettkampfes unabhängig von psychischen Stressfaktoren, die vorher stattfinden.“
In der Reaktion des Körpers sieht er definitiv ein Alarmsignal, wenn dies häufiger auftrete. „Man muss man sich dann überlegen, ob der Sport auf Dauer der geeignete ist. Es kann immer wieder auftreten.“ Gerade im Wasser kann das „extrem gefährlich“ werden. „Im schlimmsten Fall wäre sie ertrunken“, so Predel. „Diese Schwimmerin braucht sicherlich immer eine gewisse Betreuung am Beckenrand, die beherzt eingreift.“
Deutsche Synchronschwimmerinnen geschockt
Die leblos im Wasser sinkende Alvarez beunruhigte die Zuschauer vor Ort und auch die Konkurrentinnen. Die deutschen Synchronschwimmerinnen Marlene Bojer und Michelle Zimmer waren von der Nachricht „geschockt“. „Das wünscht man keinem. Es ist nicht schön mitzubekommen, wenn jemand ohnmächtig wird im Wasser“, sagt Bojer im RTL-Gespräch. Erst nachdem sie Alvarez einige Zeit später am Trainingspool gesehen und realisiert hatten, dass es ihr wieder gutgehe, setzte bei den beiden die Erleichterung ein.
Grundsätzlich seien solche Vorfälle nichts Unbekanntes in ihrer Disziplin. „Bei unserer Sportart ist es so, dass man stark an die körperlichen Grenzen geht. Das trainiert man auch und bereitet sich darauf vor“, sagt Zimmer. Auch ihre Kollegin Bojer berichtet von einem eigenen Ohnmachtsanfall im Training.
„Es ging um eine maximale Zahl an Metern, die man zurücklegen sollte. Ich dachte: Ich kann noch, konnte dann doch nicht mehr“, schildert sie die Szene. Es seien direkt zwei Leute reingesprungen. „Ich habe es selbst gar nicht mitbekommen. Selbst als ich aufgetaucht bin. Mir ging es danach auch gut.“
Zimmer betont: „Im Wasser sieht es dramatischer aus als an Land. Weil man quasi alleine ist und an den Boden sinkt. Grundsätzlich passiert es auch in anderen Sportarten.“
Sowohl Bojer als auch Alvarez wurden gerettet - dank gedankenschneller Trainer. Die spanische Trainerin Fuentes beklagte nach ihrer Rettungstat allerdings, dass die Hilfskräfte in Budapest zunächst nur „geglotzt“ hätten. Daraufhin sprang sie selbst rein, half ihrem Schützling.
Alvarez geht es unterdessen wieder gut. Die Vitalwerte seien alle im normalen Bereich, teilte das Team mit. Sie überlege sogar, beim Teamwettbewerb am Freitag an den Start zu gehen.