Absolut lesenswert
Die neue Thriller-Reihe von Michael Robotham um Cyrus Haven und Evie Cormac

In seiner neuen Thriller-Reihe hat sich der australische Autor Michael Robotham viel vorgenommen. Und nach dem dritten Teil „Der Erstgeborene“ lässt sich sagen, dass vieles davon aufgeht.
Tiefe Traumata
Robotham erzählt die Geschichte des forensischen Psychologen Cyrus Haven, der als Berater für die Polizei arbeitet, und der Waisen Evie Cormac, die bei Cyrus lebt. Ihre Beziehung ist rein platonisch. Beide sind schwer traumatisiert. Als Cyrus 13 Jahre alt war, tötete sein älterer, schizophrener Bruder Elias Vater, Mutter und die jüngeren Zwillingsgeschwister. Cyrus überlebte nur, weil er erst kurz nach der Tat nach Hause kam und sich vor seinem Bruder verstecken konnte. Evie geriet als kleines Mädchen in die Fänge eines Pädophilen-Rings und konnte nur mit sehr viel Glück entkommen. Zusätzlich zu ihrer Vergangenheit hat die junge Frau noch mit einer herausragenden Fähigkeit zu kämpfen. Sie ist ein „Truth Wizard“ – ein Mensch, der sehen kann, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt.
Eine einzigartige Fähigkeit
Diese wirklich existierenden „Wahrheitszauberer“ sind ein noch nicht sehr lange bekanntes und wenig erforschtes Phänomen. Von etwa 20.000 im Wizard-Projekt untersuchten Menschen konnten die Psychologen Paul Ekman und Maureen O’Sullivan diese Fähigkeit bei etwas mehr als 50 Personen identifizieren. Die „Wizards“ sind in der Lage, Mikroexpressionen zu erkennen und zu deuten. Mikroexpressionen sind Gesichtsausdrücke, die nur Sekundenbruchteile dauern und willentlich kaum zu unterdrücken sind. Sie drücken die sieben universellen Emotionen Ekel, Ärger, Angst, Traurigkeit, Freude, Überraschung und Verachtung aus.
Das Kennenlernen
Der erste Band „Schweig stille“ schildert, wie Cyrus und Evie sich kennenlernen. Als er einen Studienfreund, der in einer geschlossenen Einrichtung für straffällig gewordene Minderjährige arbeitet, ist er fasziniert von Evie. Zum einen wegen ihrer einzigartigen Fähigkeit, Lügen zu erkennen. Zum anderen von ihrer Geschichte, von der nur wenig bekannt ist und das meiste zu ihrem Schutz der Geheimhaltung unterliegt. Cyrus glaubt, ihr helfen zu können und nimmt sich ihrer an. Gleichzeitig untersucht er mit der Polizei den brutalen Mord an einer jungen Frau. Evie, hochintelligent, unberechenbar und in Unkenntnis alltäglicher sozialer Konventionen, mischt sich auf ihre ganz eigene Art in die Ermittlungen ein. Dabei bringt sie sich und Cyrus bald in Lebensgefahr.
Evies Vergangenheit
Der zweite Band „Fürchte die Schatten“ erzählt Evies Geschichte. Als Cyrus den Mord an einem pensionierten Polizisten untersucht, findet er Verbindungen zu Evies Vergangenheit. Evie, die mittlerweile unter Cyrus‘ Obhut steht, will ihre Geschichte unbedingt für sich behalten, da sie um ihr Leben und auch um das von Cyrus fürchtet. Doch Cyrus will endlich Licht in Evies Vergangenheit bringen, denn er glaubt, ihr so helfen zu können und die Gefahr für sie ein für alle Mal zu bannen. Dabei ahnt er nicht, dass er die Schatten aus Evies Vergangenheit direkt zu seiner und Evies Tür führt.
Die Konfrontation
Der dritte Band setzt sich mit Cyrus‘ Geschichte und Trauma auseinander. 20 Jahre nach dem Mord an seinen Eltern und Zwillingsschwestern soll Cyrus‘ älterer Bruder Elias aus der Psychiatrie entlassen werden. Er soll zunächst bei Cyrus wohnen. Dieser muss sich eingestehen, dass er seinem Bruder noch nicht vergeben kann. Und auch zwischen Evie und Elias bahnen sich Konflikte an. Zusätzlich ermittelt Cyrus an einem Mordfall, der alle drei in tödliche Gefahr bringt.
Spannende Fälle
Auch wenn alle drei Bücher die fortlaufende Geschichte von Cyrus und Evie erzählen, so kann man alle drei Bücher unabhängig voneinander lesen. Michael Robotham versorgt den Leser mit allen zum Verständnis notwendigen Informationen. Die jeweiligen Fälle sind abgeschlossen, gut und spannend konstruiert und offenbaren – wie Robotham üblich – einen tiefen Einblick in die dunkle Seite der menschlichen Psyche. Der rote Faden in den Büchern ist die Geschichte der Protagonisten Cyrus und Evie. Ihre jeweils traumatische Vergangenheit, die Art wie sie damit umgehen und wie sich das Zusammenleben dieser zwei verwundeten Seelen entwickelt. So sehr sich das, was sie erlebt haben, voneinander unterscheidet, so ähnlich sind die Konsequenzen und Folgen, die sich daraus für sie ergeben, wie zum Beispiel Selbsthass, der Drang, sich selbst zu verletzen, die Sehnsucht nach Betäubung des Schmerzes, das Gefühl, dass ihr Überleben sie schuldig macht.
Eine schwierige Beziehung
Cyrus, der aus gutem Hause stammt, hatte die Unterstützung seines sozialen Umfeldes. Sein Beruf gibt ihm außerdem die Mittel und Werkzeuge, mit seiner traumatischen Geschichte umzugehen, allerdings auch nur bis zu einem gewissen Grad. Evie hingegen wurde immer mit sich und ihrem Schicksal alleingelassen. Das will Cyrus ändern. Ihr Zusammenleben gestaltet sich jedoch schwierig. Aufgrund Evies einzigartiger Fähigkeit muss Cyrus absolut aufrichtig sein, jede noch so kleine Lüge könnte Evie als Zurückweisung oder Vertrauensbruch deuten. Das bedeutet allerdings auch, dass er absolut ehrlich gegenüber sich selbst sein muss. Evie hasst es, angelogen zu werden, nimmt es ihrerseits aber manchmal mit der Wahrheit nicht so genau. So stabil das Fundament ihrer Beziehung ist, so stark ihrer beider Wille auch sein mag, ein falsches Wort oder eine kleine unbedachte Handlung können zerstörerische Folgen haben.
Für seine neue Thriller-Reihe hat Michael Robotham ein Szenario geschaffen, das nicht ausrechenbar ist und ihm für die folgenden Bände eine Menge Möglichkeiten offenlässt. Bislang weiß er sie zu nutzen. Reinlesen lohnt sich.
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