Der 17. Juni 1953 – vor 60 Jahren lehnte sich die DDR auf

Ost-Berlin, Volksaufstand 1953  Ostberlin / Volksaufstand vom 17. Juni. Bauarbeiter rufen zum Generalstreik auf und fordern des Ruecktritt der Regierung, 16. Juni 1953. - Demonstrationszug streikender Bau- arbeiter zum Haus der Ministerien.
Der Beginn des Aufstands in der DDR: Bauarbeiter rufen zum Generalstreik auf und fordern des Rücktritt der Regierung.
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Der Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR gehört zu den Ereignissen, die in der deutschen Geschichte selten sind: Menschen erheben sich massenhaft gegen staatliche Willkür und Unterdrückung und fordern Freiheit und Demokratie. Dabei konnte niemand ahnen, welch hohen Stellenwert der 17. Juni 1953 in der deutschen Nachkriegsgeschichte gewinnen sollte.

Sie forderten freie Wahlen und die deutsche Einheit: Dem Streikaufruf vom Vortag folgten am 17. Juni 1953 bereits in den frühen Morgenstunden tausende Menschen. Nicht nur im Zentrum Berlins um den Strausberger Platz versammelten sich die Menschen, auch in den Außenbezirken zogen streikende Arbeiter, aber auch Schüler, Studenten, Hausfrauen, Rentner, Geschäftsleute, Angestellte und viele mehr auf die Straßen. Den Protesten vorausgegangen war die 2. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die nach sowjetischem Vorbild einen planmäßigen Aufbau des Sozialismus vorantrieb. Die SED regierte ihren Staat und 'ihre' Bürger, die kaum Bürgerrechte hatten, mit stalinistischer Härte, denn schon wegen kleinster Vergehen, etwa wegen des Diebstahls von Nahrungsmitteln aus purer Not, landeten damals viele Menschen im Gefängnis.

Für die Menschen bedeuteten die geplanten Änderungen: Die verbliebene Mittelschicht der DDR wurde noch stärker drangsaliert, insbesondere Bauern und kleine Handels- und Gewerbebetriebe sollten durch erhöhte Abgaben zur Aufgabe ihrer Selbstständigkeit gezwungen werden. Sie wurden zudem für die wirtschaftlichen Probleme verantwortlich gemacht, denn die Lage des Staatshaushaltes war im Frühjahr des Jahres so stark angespannt, dass die Versorgung der Bevölkerung auf dem Spiel stand. Diese fehlerhaften Entwürfe der Planwirtschaft sollten durch höhere Steuern und Abgaben, aber auch Gehalts- und Prämienkürzungen ausgeglichen werden.

Diesen Vorstellungen setzten sich die Demonstranten mit Forderungen nach einer politischen Veränderung entgegen. Bereits in den Vortagen des 17. Juni 1953 war es zu Demonstrationen und Streiks gekommen – doch zum Generalstreik führten erst der Zorn und die Unzufriedenheit über die in den vorangegangenen Tagen zerschlagenen Proteste. Mit Transparenten bekräftigten die Protestler ihren Unmut in mehr als 700 Gemeinden in der DDR. "Freie Wahlen", "Wir brauchen keine SED" und "Abzug der Russen" waren nur einige der Forderungen. Die Demonstranten zerstörten zahlreiche Propagandaplakate der SED und sogar die rote Fahne auf dem Brandenburger Tor wurde von den Demonstranten heruntergeholt und unter großem Jubel der Teilnehmer zerrissen. Mehrere Parteibüros wurden gestürmt und Funktionäre verprügelt. Die SED schien die gesamte Kontrolle verloren zu haben, und so sah sich der wahre Machthaber der DDR gezwungen, die Situation zu entschärfen: Die Sowjetunion.

Symbol für den Freiheitswillen der Bevölkerung

Mit dem Entschluss der sowjetischen Führung, ihre Rechte als Besatzungsmacht wieder aufleben zu lassen, wurde der Ausnahmezustand über Ostberlin durch den Generalmajor Dibrowa verhängt. Jegliche Demonstrationen und sonstige "Menschenansammlungen über drei Personen" wurden verboten und ab 21.00 Uhr die Polizeistunde verhängt. Um zu bekräftigen, dass sie entschlossen waren, mit allen Mitteln die Kontrolle und höchste Autorität in ihrer Interessensphäre zu erhalten, entsendeten die Sowjets Marschall Wassili Sokolowski, den Generalstabschef der Sowjetischen Armee, in das Krisengebiet. Sie glaubten, so den Aufstand ersticken zu können.

Doch die Protestler wollten nicht ohne weiteres aufgeben, sodass die sowjetische Führung mit Panzern und bewaffneten Soldaten gegen sie vorging. Bald schon gab es unter den Demonstranten die ersten Toten und Verletzten. Die Sektorengrenzen wurden durch Heranführung weiterer sowjetischer Truppen hermetisch abgeriegelt, am Abend wurden etwa 20.000 sowjetische Soldaten und 15.000 Angehörige der 'kasernierten Volkspolizei' (KVP) eingesetzt, der Verkehr ruhte seit langem. Erst in den späten Abendstunden beruhigte sich die Lage. Überall in der Stadt patrouillierten Truppen und die sowjetischen Streitkräfte vermeldeten, dass die Lage im Land unter Kontrolle sei.Nach Ergebnissen des Projekts 'Die Toten des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953' sind 55 Todesopfer durch Quellen belegt. Etwa 20 weitere Todesfälle sind ungeklärt. Bis heute ist zudem unklar, wie viele Menschen genau an den Protesten teilnahmen.

Aus Sicht der DDR war der Westen für den Aufstand der Menschen verantwortlich. Die DDR-Führung bezeichnete den Protest sogar als westlichen faschistischen Putschversuch. Um die Wogen innerhalb der Bevölkerung zu glätten und weitere Konflikte zu verhindern, beschloss die SED soziale Zugeständnisse. So wurde anstatt weiter die Schwerindustrie zu fördern jetzt auf die Nahrungsmittelindustrie gesetzt, die Normerhöhungen wurden rückgängig gemacht und die Löhne für Arbeiter angehoben. Kriegsreparationen wurden ab 1954 eingestellt und stattdessen Getreide geliefert. Die Angst vor einem Machtverlust war sogar so groß, dass der Repressivapparat ausgebaut und bis zum Ende der DDR 1989 ständig erweitert wurde.

Aus westlicher Sicht wurde der 17. Juni 1953 zum Symbol für den Freiheitswillen der Bevölkerung – denn ohne das Eingreifen der sowjetischen Truppen wäre die Herrschaft der SED vermutlich schon vier Jahre nach der Staatsgründung an ihr Ende gelangt. Nur wenige Tage nach dem Aufstand verabschiedete der Deutsche Bundestag daher das 'Gesetz über den Tag der deutschen Einheit', welches den 17. Juni im westlichen Teil Deutschlands fortan zum 'nationalen Gedenktag' erhob. Bis zur Wiederherstellung der Deutschen Einheit im Jahr 1990 wurde der 17. Juni als 'Tag der Deutschen Einheit' begangen.