Abgesang auf den gefallenen Superstar
Das Rampenlicht gehört Cristiano Ronaldo nicht mehr

Jetzt ist es vorbei. Der größte Publikums-Star der WM in Katar tritt ab. Beim Viertelfinale gegen Marokko trifft Cristiano Ronaldo zum ersten Mal auf ihm feindlich gesinnte Fans. Nach dem WM-Aus der Portugiesen ist er nicht mehr die Geschichte. Nur noch ein geschlagener Held.
Cristiano Ronaldo mit Pfiffen empfangen
Die letzte WM-Minute von Cristiano Ronaldo dauert 47 Sekunden. Dann hat er den Platz verlassen und die Kameras im Kabinentunnel übernehmen. Der 37-Jährige weint bittere Tränen. Der Traum ist geplatzt und Mitleid hat mit ihm niemand. Schon vor dem Spiel und bei seiner Einwechslung ist alles anders. Zum ersten Mal bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft steht das Stadion nicht hinter ihm. Der groteske Hype aus dem Schweiz-Spiel ist nicht mehr.
Die marokkanischen Fans haben für Cristiano Ronaldo nur laute Pfiffe und Buhrufe übrig. Niemand wartet im Al-Thumama Stadion auf ihn, niemand will ihn dort sehen. Ein wenig haben sie Angst vor ihm. Immerhin war er vor langer Zeit einmal der beste Fußballer der Welt, fünffach bewiesen bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres. Doch davon ist wenig geblieben.
Ronaldos letzte 47 Sekunden im Rampenlicht

Klar, er probiert es in der Nachspielzeit noch einmal. Sein Schuss aber findet nicht den Weg ins Netz. Seine Heldengeschichte ist auserzählt, der Moment, der mit "ausgerechnet" eingeleitet wird, fällt aus. Das freut die Marokkaner im Stadion, die den Abpfiff nicht mehr erwarten können. Nachdem auch Pepe nicht trifft, ist es so weit. Ende. Kein Showdown im Lusail mit Lionel Messi im letzten Kampf der Superstars der vergangenen 15 Jahre. Nichts. Einfach vorbei. Das Rampenlicht gehört ihm nicht mehr.
Ronaldo steht da gerade irgendwo tief im Strafraum der Marokkaner. Vielleicht erwartete er noch einen letzten Ball, einen letzten Schuss, der ihn zurück in die Herzen der Menschen katapultieren wird. Den gibt es nicht. Und so beginnen die letzten 47 Sekunden mit einem Kamerateam, das wie aus dem Nichts neben ihm auftaucht, mit den um ihn herum eskalierenden Freudenfeiern des Gegners und mit einer Aufmunterung der Marokkaner Achraf Dari und Jawad El Yamiq, der seinen Arm um ihn legt und ihm etwas zuflüstert. Ronaldos Blick ist leer. Um ihn herum spielen sich Szenen ab, die er stets für sich reklamierte.
Titel mit Real Madrid und Portugal
Wie damals im Finale der Champions League im Jahr 2014. Über 119 Minuten ist er ein Phantom und trifft dann per Elfmeter zum 4:1. Es ist das unwichtigste Tor des Spiels, aber sein 17. im laufenden Wettbewerb. Er lässt sich feiern, als habe er gerade den Henkelpott ganz allein gewonnen. Er ist der unbestrittene Star, dem alle anderen zu folgen haben. Der Stadtrivale Atlético Madrid ist bezwungen, Real Madrid gewinnt zum zehnten Mal die Champions League und zum ersten Mal seit 2002.
Es ist der Aufbruch in die bis heute andauernden Jahre der europäischen Dominanz der Königlichen. Auch Ronaldo wird drei weitere Titel mit Real gewinnen. Und dann, mit Portugal, wird er 2016 im Finale der Europameisterschaft die Heldenrolle für sich reklamieren, obwohl eine Verletzung ihn früh aus dem Finale nimmt. Er coacht an der Seitenlinie und ist der zwölfte Mann des Teams, das Gastgeber Frankreich besiegt.
Freundin schießt gegen Trainer Santos
Diesmal ist alles anders, das Kamerateam begleitet ihn vom Strafraum in Richtung Kabine. Sein Kopf auf den Boden gerichtet wie einst Uwe Seeler und die Bobbies beim WM-Finale 1966. Seeler bekam noch eine WM, Ronaldo wird keine mehr bekommen. Und kaum jemand wird das schade finden. Vielleicht seine Lebenspartnerin, die nach der Niederlage schon bald auf Instagram schimpft und gegen Trainer Fernando Santos schießt, der seinerseits "keine Reue" für die Degradierung des Superstars zeigt, wie er später auf der Pressekonferenz berichtet.
Als Ronaldo nach ewigen Sekunden die Seitenlinie erreicht hat, stürmt ein Fan auf den Platz. Er will Ronaldo noch einmal berühren, wie es seit langer Zeit immer wieder auf den Fußballplätzen dieser Welt passiert. Mit einem letzten Haken weicht er dem Fan aus, der ohnehin schon von den Ordnungskräften identifiziert und weggezerrt wird. Die Kameras sind immer drauf, bei jedem Schritt, den er macht, weil es seine letzten auf einem WM-Rasen sein werden. Dann hat er den Platz verlassen und die Kameras im Kabinentunnel übernehmen. Der 37-Jährige weint bittere Tränen. Der Traum ist geplatzt und irgendwie ist da doch so etwas mit Mitleid.
Ronaldo auf dem Tiefpunkt
"Es ist nicht wichtig, was man über einen denkt, wenn er kommt, sondern wenn er geht", sagte der Fußball-Trainer Jürgen Klopp einst zum Abschied in Dortmund und alle in Dortmund dachten gut über ihn. Für immer und ewig. Ronaldos turbulenter und mit allerlei Häme begleiteter Absturz endet nun im Al Thumama. Schon gibt es Gerüchte über seinen baldigen Rücktritt. Auf dem tiefsten Tiefpunkt seiner Karriere. Es ist nicht klar, wie über ihn in Zukunft gedacht werden wird.
Quelle: ntv.de