Restpostenhandel während der Corona-Pandemie
Jake Slinn wurde durch herrenlose Schiffscontainer und eine brillante Idee reich

In der Pandemie stranden Tausende von Containern. Mit ihnen macht Jake Slinn sein Vermögen. Vor drei Jahren gründete er seine Firma im Schlafzimmer der Eltern mit 400 Pfund Kapital.
Tausende herrenlose Container waren in der Corona-Pandemie ein Problem
In der Pandemie blüht der Restpostenhandel. Firmen kaufen überschüssige Ware bei Händlern ein und verkaufen sie dann weiter. Sie profitieren von der Pandemie, die viele Einzelhändler zum Aufgeben zwang. Dazu gibt es einen wachsenden Markt herrenloser Container.
Lese-Tipp: Wann entspannt sich der Container-Verkehr?
Wegen der Pandemie und der Sperrung im Suezkanal kommt es zu den bekannten Stockungen in den weltweiten Nachschubketten. Das heißt auch, die ganze Welt ist voller Container, die nicht zu ihrem Empfänger kommen – oder zumindest nicht rechtzeitig.
Jake Slinn begann tote Fracht aufzukaufen
Und diese Container werden zum Problem, denn in irgendeinem Container-Terminal auf der Welt stranden sie und kosten dann Geld. Wenn sich kein Eigner meldet, wollen die Besitzer der Anlagen diese tote Fracht, die ihren wertvollen Stauraum belegt, möglichst schnell loswerden.
Und hier kommt der Brite Jake Slinn ins Spiel. Nach der Schule, mit 19 Jahren, suchte er eine Beschäftigung und hat "JS Global Cargo & Freight Disposal" gegründet – der imposante Name täuschte darüber hinweg, dass die Firma in einer Ecke des elterlichen Schlafzimmers residierte. Sein Startkapital belief sich auf 400 Pfund. Damit begann Slinn den Inhalt unerwünschter Frachtcontainer aufzukaufen und weiterzuverkaufen. Oder, wenn das nicht geht, ihn zu entsorgen.
Der blinde Kauf von Containern führte zu vielen Überraschungen
In dem Geschäft wird in der Regel "blind" gekauft. Das heißt, Slinn sieht sich den Container vorher nicht wirklich an. Anhand der Papiere weiß der Käufer aber meist, was sich darin befindet. Und kann vermuten, in welchem Zustand es ist. Manche Container haben eine wertvolle Fracht. Unlängst erstand Slinn 4500 "Gesichtssaunen", die die Haut bedampfen. Andere enthalten einfach Müll, der entsorgt werden muss. In einem Container fand Slinn 50.000 Brustimplantate, die nicht verwendet werden durften, sie wurden geschreddert und verbrannt. Ab und zu gibt es auch Überraschungen, etwa wenn mit dem Container geschmuggelt wurde. In einem Stahlkasten, der für Haushaltswaren deklariert war, fand sich ein ausgewachsenes Auto.
Während der Corona-Pandemie verdarben viele Lebensmittel in Containern
Größter Renner in der Pandemie sind abgelaufene und verdorbene Lebensmittel. Sie vertragen die Lieferverzögerungen am schlechtesten. Slinns schlimmster Fall war eine 50-Tonnen-Ladung Bananen in kaputten Kühlcontainern, die drei Wochen lang gelagert worden waren und sich in der Sonne komplett zersetzt hatten. Als er die Container öffnete, schwappte eine Welle von stinkendem Bananensaft heraus.
Die Lebensmittel werden industriell vergoren, um Methan-Gas zu erzeugen. Inzwischen verarbeitet Slinn 20-50 Tonnen pro Woche. Die Kosten für einen Container haben eine große Spannbreite, sie reichen von 1000 bis 100.000 Pfund. Alles in allem macht Slinn gute Gewinne. 2022, drei Jahre nach der Firmengründung, will er einen Umsatz von mehr als einer Million Pfund erzielen.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei stern.de.