Drogenprozess in Bremen
Ein Anruf beim "Koks-Taxi" genügte

Statt des Pizza-Lieferanten, klingelte der Drogendealer: Über eine Hotline konnten Kunden offenbar Lieferungen mit dem "Koks-Taxi" bestellen. Manchmal seien täglich mehrere Hundert Verkaufseinheiten Kokain in Bremerhaven ausgeliefert worden. Jetzt muss sich die mutmaßliche Führungsriege einer Bande wegen Drogenhandels in Millionenhöhe in Bremen vor Gericht verantworten.
Mutmaßliche Bosse der Bande vor Gericht

Angeklagt sind fünf Männer im Alter zwischen 24 und 40 Jahren, wie das Landgericht Bremen mitteilte. Sie sollen von März 2020 bis Oktober 2021 mit großen Mengen Kokain und Cannabis gedealt haben. Die Drogen wurden demnach in drei Wohnungen in Bremerhaven versteckt und abgepackt, um sie dann ausliefern zu können. „Die Anklage geht davon aus, dass sie einen Lieferdienst betrieben haben, bei dem Kunden praktisch binnen Minuten Kokain an jeden gewünschten Ort im Stadtgebiet von Bremerhaven bestellen konnten“, sagt Gerichtssprecher Jan Stegemann im RTL Nord-Interview. Die Bande soll insgesamt 1,5 Millionen Euro eingenommen haben.
Bremerhaven - das Tor für Drogen und Waffen

Bei der Anklageverlesung wirken die Angeklagten betroffen – sie werfen sich häufig Blicke zu, beobachtet unsere Reporterin im Gerichtssaal. Zu den Vorwürfen äußern sie sich zum Prozessauftakt nicht. In dem Verfahren gibt es noch elf weitere Beschuldigte, die nach Angaben eines Gerichtssprechers als Kuriere arbeiteten oder andere Hilfe leisteten. Die Kommunikation der Bande untereinander wie auch der Verkauf lief über Kryptohandys, die lange Zeit als abhörsicher galten. Dann wurden sie aber doch von französischen Ermittlungsbehörden geknackt. Sie gaben ihre Erkenntnisse im Rahmen der europäischen Rechtshilfe an die deutsche Justiz weiter.
Von 4.500 Hinweisen auf in Deutschland betriebene Handys konnten 500 dem Bundesland Bremen zugeordnet werden. Der große Containerhafen Bremerhaven ist nach Polizeiangaben ein Einfallstor für Drogen und Waffen, die nach Deutschland und Nordeuropa geschmuggelt werden.
Prozess stützt sich auf Encro-Chat-Daten

Seit August 2020 seien in Bremen und Bremerhaven 60 U-Haftbefehle ergangen, sagte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) vergangene Woche. Es seien mehr als 80 Kilogramm verschiedener Drogen und acht Schusswaffen sichergestellt worden. 85 Fahrzeuge, 1,4 Millionen Euro Bargeld und 41 Immobilien seien beschlagnahmt worden.
Der neue Prozess ist nach Gerichtsangaben in Bremen bereits der 22., der sich auf entschlüsselte Encrochat-Daten stützt. Encrochat wurde vor allem von Kriminellen genutzt. Der Dienst galt wegen seiner aufwendigen Verschlüsselung als nicht zu knacken. Der Polizei in den Niederlanden und Frankreich war es trotzdem gelungen, mehr als 20 Millionen geheime Nachrichten abzuschöpfen. Das ermöglichte auch in Deutschland zahlreiche Ermittlungserfolge. Versuche der Verteidiger, die Zulässigkeit der Beweise anzufechten, scheiterten in den meisten Fällen. (dpa/kum)