Bertelsmann Stiftung
Staat bevorzugt verheiratete Paare, alleinerziehende Mütter zahlen hohen Preis
Frauen verdienen immer noch weniger als Männer, der Gender Gap ist auch im Jahr 2022 Realität. Und die finanzielle Schere zwischen den Geschlechtern wird noch größer, wenn man eine längere Lebensspanne betrachtet. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung können Frauen auf das gesamte Erwerbsleben berechnet nur halb so viel Bruttoeinkommen erarbeiten wie Männer. Bei Transferleistungen bevorzugt der Staat klassische Rollenbilder deutlich, vor allem alleinerziehende Mütter haben das Nachsehen.
Frauen in traditioneller Rolle finanziell besser abgesichert
Laut der Studie ist dieser „Gender Lifetime Earnings Gap“ für Mütter noch größer. Die Lücke schließe sich mit Blick auf die verfügbaren Einkommen und den tatsächlichen Lebensstandard vor allem dann, wenn Frauen sich innerhalb des traditionellen Familienbilds bewegen. Werden beide Einkommen im Haushalt zwischen den Eheleuten gleichmäßig aufgeteilt, fängt das Partnereinkommen Einkommensausfälle von Müttern infolge von Erwerbsunterbrechungen, beispielsweise durch Kindererziehungszeiten, auf.
Fällt diese Absicherung im Haushalt jedoch weg, kann der Staat Einkommensausfälle in der Lebensperspektive nur unzureichend kompensieren: Laut den Berechnungen haben verheiratete Mütter und Väter, die 1985 geboren wurden und heute etwa Mitte 30 Jahre alt sind, im Haupterwerbsalter insgesamt jeweils knapp 700.000 Euro netto zur Verfügung. Diese Berechnung nach Steuern und Abgaben und zuzüglich Transfers und Familienleistungen bezieht sich auf die Lebensspanne zwischen 20 und 55 Jahren.
Alleinerziehende Frauen kommen auf eine deutlich kleinere Summe: Mütter, die überwiegend - also mehr als die Hälfte der Erziehungszeit - alleinerziehend sind, haben zwischen 20 und 55 Jahren insgesamt lediglich rund 520.000 Euro netto zur Verfügung. Das seien im Durchschnitt 25 Prozent weniger als bei verheirateten Müttern.
Der tatsächliche Lebensstandard hängt laut der Studie stark von der Familienkonstellation und den wohlfahrtsstaatlichen Leistungen ab. „Für verheiratete Mütter schließt sich die geschlechtsspezifische Lücke in den Lebenseinkommen – die Partnerschaft sichert sie finanziell ab“, sagt Manuela Barišić, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung. „Alleinerziehende haben dagegen das Nachsehen, da sie von Partnereinkommen kaum oder gar nicht profitieren können.“
Frauen zahlen hohen Preis für "Spezialisierung im Haushalt“
Insbesondere die Kombination aus Ehegattensplitting, steuer- und abgabenfreien Minijobs und fehlenden Betreuungsmöglichkeiten setze starke Anreize für eine traditionelle Rollenaufteilung, so die Forscher. Die Frau übernehme in dieser Rolle weniger Erwerbsarbeit und dafür mehr Sorgearbeit als der Mann.
Die Vorteile einer solchen „Spezialisierung im Haushalt“ über das Leben seien gering, der Preis langfristig aber hoch: „Viele Frauen stecken in der Zweitverdienerinnenfalle fest. Dadurch sind es bei Trennungen und im Alter vor allem Frauen, die gravierende finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssen“, mahnt Arbeitsmarktexpertin Manuela Barišić. „Wohlfahrtstaatliche Leistungen, die einen spezifischen Lebensentwurf fördern, sollten der Vergangenheit angehören, zumal Familie heute deutlich vielfältiger ist als früher.“
Stattdessen müsse es um eine universellere Absicherung unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten gehen – durch verlässliche und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und größeren finanziellen Spielraum. Dies seien wichtige Rahmenbedingungen für eine gleichmäßigere Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern und eine bessere Absicherung von Alleinerziehenden. (aze)
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