Bibiana Steinhaus: Mit ihr wird die Bundesliga 2017 weiblich!

"Das einzig andere ist, dass ich die Einzige mit einem blonden Pferdeschwanz bin." Besser als Bibiana Steinhaus selbst kann man eigentlich nicht beschreiben, wie wenig sich verändern wird, nur weil zum ersten Mal eine Schiedsrichterin ein Spiel in der Fußball-Bundesliga der Herren pfeift. Warum auch eine Sensation aus der Ernennung machen? Der DFB hat vier neue Unparteiische wegen überragender Leistungen in die höchste deutsche Spielklasse berufen. Einer der Neuzugänge ist eine Frau. Klingt selbstverständlich - ist es aber nicht. Denn es war ein langer Weg von der gelungenen "Umstellung von Haushaltsführung auf Ballführung" (Reporter 1957 über Frauenfußball) bis zur Berufung von Bibiana Steinhaus.
Von Ursula Willimsky
"Decken, decken! Nicht Tisch decken! Richtig, Mann decken! So ist's recht!"
Noch bis in die 1970er Jahre hinein war es Frauen verboten, auf Plätzen von DFB-Vereinen Fußball zu spielen. Seit 1955 galt dieser Bann: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand", hatte damals der Verband entschieden.
Nicht alle fußballbegeisterten Frauen akzeptierten das - schon damals genügte es ihnen nicht, für Schnittchen- und Biernachschub zu sorgen: Sie wollten selber kicken. Und taten es auch. Zum Beispiel 1957 in München. Ein quasi verbotenes Spiel, das immerhin 17.000 Zuschauer bejubelten, wie der 'Spiegel' berichtet. Erst 1970 rang sich der DFB zu einer Aufhebung des Verbotes durch. Mit Einschränkungen: Keine Stollenschuhe. Ein Spiel dauerte nur 60 Minuten - und das auch nur bei schönem Wetter. Erst seit 1993 herrschen gleiche Regeln.
Kommentiert wurden Damen-Spiele gerne mit Sprüchen, wie sie heute auf "lustigen" Postkarten zu finden sind. "Decken, decken! Nicht Tisch decken! Richtig, Mann decken! So ist's recht!" war im Aktuellen Sportstudio zu hören. Und als eine Spielerin im Dreck landete, tröstete der Moderator: "Die brauchen sich doch gar nicht aufzuregen, die Zuschauer, die Frauen waschen doch ihre Trikots selber." Womit er vermutlich nicht seiner Hochachtung dafür Ausdruck verleihen wollte, dass Frauen oft besser mit technischem Gerät umzugehen wissen als Männer.
Immer mehr Frauen lieben Fußball

Lange wurden Frauen im aktiven Fußball entweder belächelt oder - als Zuschauerinnen - in die Schubladen "Cheerleader" oder "Die guckt eh nur auf die durchtrainierten Waden" gesteckt. Ab in die Abseitsfalle damit! Immer mehr Frauen begeistern sich für Fußball. Man sieht es auf Fan-Meilen: gefühlt ein Unentschieden zwischen Männern und Frauen, genaue Zahlen gibt es nicht. Man sieht es an der Analyse von Einschaltquoten: Die EM 2008 guckten sogar mehr Frauen als Männer.
Und man sieht es im Stadion: Rund ein Viertel der Besucher sind inzwischen Frauen, die mit Herzblut und Fußballsachverstand ihre Mannschaft unterstützen - und als nicht ganz so siegfixiert gelten wie die männlichen Fans. Generell interessieren sich laut 'Allensbacher Institut' 49 Prozent aller Frauen für Fußball - auf so viel Begeisterung stößt bei ihnen ansonsten nur noch "Tanzen", ein Sport, der bei Männern nur wenig Gegenliebe findet. Klägliche 17 Prozent machten hier ihr Kreuzchen.
Fußball ist in den Herzen der Frauen angekommen, um es mal in Politikerdeutsch zu sagen. Auch wenn es immer noch Unterschiede in Sachen Zuneigung gibt: Wenn von Bundesliga die Rede ist, denken die meisten von uns wahrscheinlich an die Herren-Mannschaften. WM: Logisch, der erste Gedanke gilt der Männer-WM. Und auch die offizielle Seite des DFB wartet mit feinen Nuancen auf. So findet man die Nationalmannschaft der Männer unter dem markigen Reiter "Die Mannschaft". Das Team von Trainerin Steffi Jones muss sich dagegen mit einem sachlichen "Frauen-Nationalmannschaft" begnügen. Wer, bitte schön, ist nochmal die emotionalere Hälfte des Fußball-Volkes?
Bibiana Steinhaus pfeift seit 2007 in der 2. Liga
Bei der Berufung von Bibiana Steinhaus wiederum geht es um vieles, nur nicht um Emotionen (wobei wir eine gewisse Grundbegeisterung für Fußball schon voraussetzen). Sondern es geht um Kompetenz, gute Nerven, Kondition und Erfahrung. Hat sie alles.
Wer sich für Fußball interessiert, kennt sie ohnehin. Die 38-jährige Polizistin pfeift seit 2007 in der Zweiten Fußball-Bundesliga der Herren und trat in der ersten Liga schon oft als sogenannte 'Vierte Offizielle' an. Beim Finale der Damen-WM 2008 war sie Referee und auch beim DFB-Pokal der Herren stand sie auf dem Platz. Sie weiß, wie man mit aufgeregten Trainern umgeht, wies zum Beispiel 2014 einen wütenden Pep Guardiola sehr souverän in seine Schranken. Und als eine von wenigen Eingeweihten dürfte sie von der neuen Abseitsregel (gilt seit der Saison 2016/2017) nicht nur gehört haben, sondern ein Abseits während des Spiels auch tatsächlich erkennen.
Eine Frau als Schiedsrichterin in der Bundesliga - dafür musste sich viel verändern. Ob der Karriereschritt auch Bibiana Steinhaus´ Leben verändert? "Da müssen wir nächstes Jahr noch mal sprechen. Für den Moment kann ich sagen, dass es einfach eine tolle Herausforderung ist."