Schafft der Online-Handel kostenlose Retouren ab?
Bestellen, anprobieren, zurückschicken - bald nicht mehr kostenlos

Jedes zweite Mode-Pakte wird in Deutschland wieder zurück geschickt. Das geht aus Zahlen des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI hervor. Und die meisten Retouren sind kostenlos. Doch das könnte sich bald ändern. Die ersten Modemarken verlangen für die Rücksendung von T-Shirt und Co. jetzt Geld.
Bislang waren Retouren Teil des Geschäftsmodells
Irgendwie gehört es mit dazu. Die Bluse noch mal in Khaki bestellen – könnte ja schöner aussehen als in Weiß. Oder die Schuhe in Größe 38 und 39. Schließlich fallen die immer mal wieder etwas anders aus. Das was nicht passt, das geht halt zurück. Und eigentlich haben die Onlinehändler bisher auch immer betont, dass Retouren Teil des Geschäftsmodells sind. Doch kostenlos wollen die ersten das nun nicht mehr anbieten.
Zara und Uniqlo: Rückversand kostet bereits
Zahlen müssen Käuferinnen und Käufer schon seit dem vergangenen Jahr beim größten japanische Bekleidungshändler Uniqlo. Die Rücksendung kostet 2,95 Euro pro Paket. Und jüngst folgt auch Zara mit einer Retourengebühr von 1,95 Euro je Rücksendung. Auf der Website erklärten sie, die Kosten der Rücksendung würden vor der Rückerstattung unmittelbar von dem zu erstattenden Betrag abgezogen. Geht also das T-Shirt für 11,95 Euro zurück, gibt es also nur noch 10 Euro zurück.
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Wird sich die Rücksendegebühr durchsetzen?
Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel erwartet, dass weitere Unternehmen folgen. "Bleiben die Rückversandkosten weiter so hoch, werden Zara und Uniqlo die ersten, aber nicht die letzten sein, die Kosten an ihre Kunden weitergeben", sagte ein Sprecher gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Vor allem die hohen Preise für Transport und Verpackung führten dazu, dass die Händler diese Kosten stärker an die Kunden weitergeben. Schließlich machen dem Online-Handel derzeit auch die stockenden Lieferketten, der teurer werdenden Energie und hohe Inflation das Leben schwer.
Und auch sonst kostet die Rücksendung für jeden Händler Geld. In einer Umfrage des Handelsforschungsinstituts EHI gaben 72 namhafte Onlinehändler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an, dass nach der Rücksendung vor allem das Sichten der Ware mit großem Aufwand und Kosten verbunden sei. Kommt die Ware zurück, muss sie zudem meist gebügelt werden, teils gereinigt oder sogar repariert werden. Somit kostet eine Retoure die Hälfte der Händler bis zu 20 Euro.
Und das bei einer Retourenquote von bis zu 75 Prozent. Und bei Mode schicken wir Deutschen sogar mindestens jedes zweite Paket im Durchschnitt zurück. Hinzu kommt ein neuer Trend, bei dem TikTok- und Instagram-Nutzerinnen und -Nutzer massenweise Kleidungsstücke bestellen, diese auf ihren Kanälen zeigen und dann teils alle Artikel zurückgeben.
2018 wurden nach Angaben der Universität Bamberg annähernd 20 Millionen Artikel vernichtet. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz sollte das eigentlich beenden. Dennoch zeigten Recherchen aus dem vergangenen Jahr, dass auch weiterhin Waren geschreddert werden. Die RTL+-Reportage "Retouren-Wahnsinn – Die dunkle Seite des Onlinehandels" zeigt alles – von der Rücksendung bis zur Verwertung der Ware.
Retouren-Experte sieht verpasste Chance
Deshalb findet Marco Atzberger, Retouren-Experte des Kölner Handelsforschungsinstituts, die kostenpflichtige Retouren sinnvoll. "Das ist der richtige Weg", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Der Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg sieht allerdings noch keinen echten Trend. „Für mich ist das eine von vielen Händlern verpasste Chance. Sie agieren immer noch zu zögerlich“, bedauert er.
Und auch die Anfrage bei anderen Anbietern zeigt. Amazon, Zalando und Otto beabsichtigen nicht, Retouren kostenpflichtig zu machen. "Wir werden unsere Kundinnen in einer Zeit, in der sie durch die Teuerung von Energie und diverser Waren zusätzlich belastet sind, ganz bestimmt nicht über kostenpflichtige Retouren extra zur Kasse bitten", sagte ein Sprecher der Otto Group der Süddeutschen Zeitung.
Kein Wunder. Denn schließlich passt nicht jedes Kleidungsstück so, wie man es sich vielleicht bei der Bestellung vorgestellt hat. Ausprobieren gehört ja immer noch irgendwie dazu. Damit Retouren reduziert werden, könnte Künstliche Intelligenz helfen. Der Digitalverband Bitkom sieht darin schon länger eine Chance. Damit nicht mehrere Größen oder Farben zum Ausprobieren bestellt werden müssen, könnten mit der Technik Kleidungsstücke vor der Bestellung virtuell anprobiert werden. Doch bislang ist das eher eine Idee, als Alltag.
Ob die Gebühren letztendlich das Kaufverhalten beeinflussen, ist bislang noch nicht untersucht. In den sozialen Medien gab es für die Entscheidung bei Zara aber auch Zustimmung: Es sei unter anderem eine großartige Maßnahme, um die CO2-Emissionen zu stoppen. (mtr)
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