Vorwurf der kulturellen Aneignung

Bern: Konzert der Band "Lauwarm" abgebrochen, weil weiße Musiker Rastas tragen und Reggae spielen

Ein Konzert der Band "Lauwarm" in Bern wurde abgebrochen, weil Musiker Rastas tragen und Raggae spielen.
Ein Konzert der Band "Lauwarm" in Bern wurde abgebrochen, weil Musiker Rastas tragen und Re Reggae spielen.
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Im schweizerischen Bern wurde ein Konzert der fünfköpfigen Band „Lauwarm“ abgebrochen, weil die weißen Musiker Rastas tragen und Reggae spielten. Es geht um den Vorwurf der kulturellen Aneignung.

Bandchef Plumettaz: „Wir inspirieren uns von anderen Kulturen"

Die „Brasserie Lorraine“, wo das Konzert am 18. Juli stattfand, hat den Schritt später in einem Statement erklärt. Man habe den Auftritt nach Absprache mit den Bandmitgliedern vorzeitig beendet, weil mehrere Menschen unabhängig voneinander Kritik geäußert hatten. Man möchte sich „bei allen Menschen entschuldigen, bei denen das Konzert schlechte Gefühle ausgelöst hat. Wir haben es verpasst, uns im Vorhinein genug damit auseinanderzusetzen und euch zu schützen“, heißt es in der Mitteilung. Der Veranstalter sprach von „Sensibilisierungslücken“ und bot eine Diskussionsrunde zum Thema kulturelle Aneignung an.

Von kultureller Aneignung („Cultural Appropriation“) spricht man, wenn sich Mitglieder der weißen dominanten Mehrheitsgesellschaft an Elementen einer Kultur bedienen und/oder sogar bereichern, deren Angehörige sie systematisch unterdrückt haben. Wenn weiße Personen etwa Dreadlocks tragen, ist das Kritikern zufolge respektlos gegenüber der Black Hair Bewegung und dem Befreiungskampf Schwarzer Menschen.

Gegen diesen Vorwurf wehrt sich „Lauwarm“. „Wir fühlten uns vor den Kopf gestoßen, da niemand aus dem Publikum auf uns zugekommen ist, als wir an dem Abend gespielt haben“, sagte Bandchef Dominik Plumettaz der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ). „Wir inspirieren uns von anderen Kulturen und anderen Musikrichtungen, entwickeln diese weiter und machen so unsere Musik“, sagte er. Einige Bandmitglieder würden Rastas oder traditionelle Kleidung aus afrikanischen Ländern wie Gambia oder Senegal tragen, weil sie sich „damit identifizieren können“. Man begegne allen Kulturen mit Respekt, schrieb die Gruppe in einem Statement bei Instagram.

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Nach großer Resonanz äußert sich "Brasserie Lorraine" erneut

Die Reaktionen in den Kommentarspalten der sozialen Medien sind überwiegend irritiert. Nicht wegen der Konzertabsage, sondern wegen des Vorwurfs der kulturellen Aneignung. Inzwischen hat sich die „Brasserie“ erneut zu Wort gemeldet. Man sei „überrascht, dass unser Post zum Konzertabbruch wegen kultureller Aneignung solche Wellen geschlagen hat“. Die Diskussion sei nicht neu, es sei ihnen „wichtig, dass die Brasserie Lorraine ein Ort ist, an dem sich alle sicher fühlen und unsere Gäst*innen sich immer bei uns melden können, wenn das nicht der Fall wäre. Wir nehmen jeden Input ernst, der sich in irgendeiner Form der Diskriminierung bewegt.“ Auch den Mitarbeitenden der „Brasserie“ sei zu wenig bewusst gewesen, „welche Tragweite dieses Thema hat und was es mit Menschen machen kann. Wir behaupten nicht, dass wir mit dem Abbruch des Konzerts das Richtige getan haben. Es jedoch einfach weiterzulaufen hat sich auch falsch angefühlt. Wir könnten es auch Überforderung nennen“.

Zudem stellten die Veranstalter klar, dass sie nicht der Meinung seien, dass die Mitglieder der Band „oder weiße Menschen automatisch Rassisten“ sind. „Es gibt einen Unterschied zwischen bekennende Rassist*in zu sein, und unbewusst rassistische Strukturen zu reproduzieren.“ Mit dem Statement habe man einen Diskurs bewirken wollen, wie in Zukunft mit diesem Thema umgegangen werden kann.

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Kulturelle Aneignung: "Kultur wird zu einer Ware gemacht"

Tatsächlich ist der Grat zwischen kultureller Aneignung und Anerkennung („Cultural Appreciation“) schmal. "Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen kulturellem Austausch, der auf Augenhöhe stattfindet, und kultureller Aneignung“, sagt Lars Distelhorst, Professor für Sozialwissenschaft in Potsdam und Autor des Buches „Kulturelle Aneignung“ im Interview mit dem „rbb“. „Durch Prozesse kultureller Aneignung wird Kultur zu einer Ware gemacht. Und wenn Dinge zu Waren gemacht werden, verlieren sie Bedeutung, werden in ihrer Bedeutung verzerrt." Kulturelle Aneignung ist demnach von einem eigennützigen, respekt- und rücksichtslosen Vorgehen geprägt.

Jens Kastner verweist im „Deutschlandfunk“ zudem auf das Buch „Everything But The Burden“ von Greg Tate. Kernthese ist, dass sich Weiße ohne zu fragen an Schwarzer Kultur bedienen, diese imitieren und kopieren, damit Geld verdienen, ohne die Bürde von Rassismus tragen zu müssen, die bis heute andauert. (cwa)