"Jetzt ist es meine Ära. Ich könnte heulen."
Beeindruckende Gold-Show des "Blade Runners": Johannes Floors erfüllt sich Paralympics-Traum

Was für Emotionen: Nach seiner beeindruckenden Goldshow auf zwei Prothesen sprang Blade Runner Johannes Floors seiner Vereinskollegin Irmgard Bensusan freudestrahlend und jubelnd in die Arme. Weltrekordler, Weltmeister, Europameister - und jetzt als Krönung Paralympicssieger über die 400 Meter: Der 26-Jährige hat sich längst auf eine sportliche Stufe mit dem früheren und inzwischen tief gefallenen Para-Star Oscar Pistorius katapultiert.
Weltrekord ganz knapp verpasst

"Jetzt ist es meine Ära. Ich könnte heulen, ich könnte es rausschreien. Es ist einfach ein geiler Moment", sagte Floors nach seinem Paralympics-Rekord in der Startklasse T62 in 45,85 Sekunden voller Emotionen mit der Deutschland-Fahne um die Schultern. Der Druck sei aber riesig gewesen, räumte er mit einem Lachen ein: "Ich habe mir in die Hose geschissen."
Floors hielt der immensen Erwartungshaltung stand. "Eine Zehntel am Weltrekord vorbei. Ich habe noch Potenzial, das ist auch geil", betonte er. Potenzial und vor allem große Ziele. Die 45,07 Sekunden von Pistorius, die der wegen Mordes zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilte Südafrikaner allerdings mit längeren Prothesen gelaufen war, sei seine "persönliche Marke, die schwirrt mir im Kopf rum. Die will ich schlagen", betonte Floors, der nach Staffelgold von Rio und Platz drei über die 100 Meter in Tokio die dritte Paralympics-Medaille seiner Karriere gewann.
Noch vor zehn Jahren deutete allerdings wenig auf eine derart steile Karriere hin. Der Athlet von Bayer Leverkusen hatte wegen eines angeborenen Fibula-Gendefekts starke Schmerzen. Im Alter von 16 entschloss sich Floors nach einem halben Jahr Bedenkzeit zur Amputation beider Unterschenkel. "Es war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich habe sie getroffen, weil ich keine Schmerzen mehr haben wollte und nicht unbedingt ein Rollstuhlunterstütztes Leben. Genau das ist der Fall. Alles andere was mit dem Sport dazugekommen ist, das ist einfach nur das Sahnehäubchen", sagte Doppel-Weltmeister Floors vor den Paralympics.
"Ich bin Johannes Floors und ich gehe meinen Weg"
Er hole nun eben "das nach, was ich nie konnte". Auf allerhöchstem Niveau sprinten. Er sei aber, hatte er schon vor den Wettkämpfen klar gestellt, "nicht der nächste Oscar Pistorius. Ich bin Johannes Floors und ich gehe meinen eigenen Weg." Den Erfolgsweg!
Den geht auch Irmgard Bensusan. Nach Silber über 200 m wurde die 30-Jährige auch über die 100 m hinter der Niederländerin Marlene van Gansewinkel Zweite. Es war im fünften Paralympics-Finale die fünfte Silbermedaille. Dennoch sei es "jedes Mal eine gewonnene Silbermedaille. Ich kann wirklich stolz sein", sagte "Tante Irmie" Bensusan und nannte sich selbst mit einem Lachen "Silber-Tante". Ali Lacin komplettierte mit Bronze über 200 Meter den Medaillensatz der deutschen Leichtathleten.
Abseits des Olympiastadions gab es für Deutschland am drittletzten Wettkampftag noch zwei Medaillen. Sportschützin Natascha Hiltrop aus Lengers gewann nach Gold mit dem Luftgewehr Silber im 50-Meter-Dreistellungswettkampf mit dem Gewehr. „Der letzte Schuss hätte besser sein können», erklärte die 29-Jährige: «Aber ich bin vollauf zufrieden.“ Schwimmerin Verena Schott (33) holte über 100 Meter Rücken wie zuvor schon über 200 Meter Lagen und 100 Meter Brust erneut Bronze. „Jetzt freue ich mich, nach Hause zu kommen zu meinen drei Monstern“, sagte die Cottbuserin. (tno/hni/sid/dpa)