Ermittlungen wegen Verdachts auf KörperverletzungsdelikteHeftige Vorwürfe gegen Altenheim in Bayern: Mussten Bewohner verhungern und lange in ihrem eigenen Kot liegen?

Es sind üble Vorwürfe gegen die Seniorenresidenz Schliersee in Oberbayern. Monatelang sollen dort Bewohner vernachlässigt worden sein. 88 Menschen sollen unterernährt und verwahrlost gewesen sein, so Karin Jung, Sprecherin der Anklagebehörde. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt wegen Verdachts auf Körperverletzungsdelikte. Wer war für die Missstände im Altenheim zuständig? Das soll nun geprüft werden. Auch 17 Todesfälle werden untersucht. Der „Bayerische Rundfunk“ hatte zuerst über die Vorfälle berichtet.
Sieben Senioren binnen weniger Tage in Altenheim gestorben
Bei den 17 Todesfällen sollen erneut die Ursachen untersucht werden. Zwei Verstorbene seien aufgrund behördlicher Anordnung wieder ausgegraben worden. Waren die Senioren wegen einer Corona-Infektion oder einer Unterernährung gestorben?
Bewohner abgemagert und dehydriert

Manche Bewohner sollen total abgemagert und dehydriert gewesen sein. Ihre Wunden seien nicht ausreichend versorgt worden. Noch schlimmer: Die Bewohner hätten stundenlang in ihrem eigenen Kot gelegen, wie Angehörige, Betroffene und eine Behördenmitarbeiterin in dem Bericht des „Bayerischen Rundfunks“ erzählen. Es gehe dabei um den Zeitraum von mehreren Monaten bis Mai vergangenen Jahres.
Offenbar wurde das Gesundheitsamt des Landkreises Miesbach auf die Missstände aufmerksam, als binnen weniger Tage sieben Menschen in dem Heim mit oder an Covid-19 starben. Der Leiter des Gesundheitsamts habe daraufhin Strafanzeige gestellt. Um die Infektion wieder einzudämmen, sollen sogar Soldaten der Bundeswehr das Personal vor Ort unterstützt haben.
Eine Beschuldigte immer noch in Altenheim tätig
Aktuell wird gegen vier Personen, darunter auch die ehemalige Einrichtungsleitung, ermittelt. „Eine der beschuldigten Mitarbeiterinnen aus der Seniorenresidenz ist dort noch tätig“, teilte Oberstaatsanwältin Andrea Mayer im RTL-Intervier mit. Etwa 150 Zeugen hat die Kriminalpolizei bisher befragt.
Der derzeitige Leiter der Seniorenresidenz, Robert Jekel, wies die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Er hatte den Posten erst nach Beginn der Ermittlungen übernommen. Seit Juli vergangenen Jahres sei das Heim corona-frei. „Wir haben es geschafft, Covid von dem Haus fernzuhalten“, sagte er zu den Ermittlungen. Pflegemangel habe es nicht gegeben. Was die Verantwortung der vier Personen angeht, verwies er auf die laufenden Ermittlungen.
Warum hatte die Seniorenresidenz nicht sofort geschlossen?
Doch warum hatten die Behörden die Seniorenresidenz Schliersee nicht direkt geschlossen, als die Missstände ans Licht kamen? Die Antwort: Eine Heimschließung könne nur erfolgen, wenn eine Gefahr für Leib und Leben bestehe, so die Sprecherin des Landratsamtes. „Diese Gefahr nach dem Corona-Ausbruch wurde aber durch den Einsatz der Bundeswehr abgewendet.“

Landrat Olaf von Löwis habe sich daher für eine Teil-Betriebsuntersagung entschieden. Neue Bewohner werden wohl seit den Ermittlungen nicht mehr aufgenommen. Außerdem habe es strenge Kontrollen gegeben.
Schlechte Ergebnisse bei externer Qualitätsprüfung
Im August 2020 schnitt die vollstationäre Pflegeeinrichtung dagegen bei einem externen Qualitätsgutachten in vielen geprüften Bereichen nur mäßig ab. In Bereichen wie bei der Unterstützung in der Mobilität, beim Essen und Trinken, Kontinenzverlust, Kontinenzförderung als auch bei der Unterstützung in der Körperpflege gab es bei der Prüfung erhebliche Mängel. Auch das Schmerzmanagement sowie die Wundversorgung ließen hier viel zu wünschen übrig – die Einrichtung erfüllte nur zwei von vier erreichbaren Punkten, was laut Gutachten „erheblichen Qualitätsdefiziten“ entspricht.