20 Jahre EXTRA: 'Undercover-Reporter' Burkhard Kress im Interview

Die EXTRA-Reporter warten nicht auf Schlagzeilen, sondern sorgen selbst für welche. Legendär sind dabei die 'Undercover Reportagen' von Burkhard Kress. Der Reporter der ersten Stunde besticht durch seinen Ideenreichtum, seine Ausdauer und seinen Mut. Er hat in 19 Jahren EXTRA-Erstaunliches erlebt und geleistet.
Sie gehören zu den erfahrensten Undercover-Reportern in Deutschland und haben 1994 erstmalig in EXTRA die versteckte Kamera eingesetzt.
Mich haben immer schon große Reportagen fasziniert, in denen illegales Handeln dokumentiert wurde. Bei der BBC hatte man damals schon Reporter mit versteckter Kamera eingesetzt. EXTRA bot dafür die idealen Voraussetzungen. Wir haben dann 1994 mit dem inzwischen zum echten Klassiker gewordenen 'Waschmaschinen-Test' erstmals eine versteckte Kamera eingesetzt und so diverse Handwerker des Betrugs überführen können.
Wie muss man sich den Einsatz der versteckten Kamera damals vorstellen?
Damals war die Kamera durch ihre Größe schwer zu verstecken und füllte noch einen ganzen Aktenkoffer, der seitlich mit einer pfenniggroßen Linse ausgestattet war. Man war natürlich immer in Gefahr, damit aufzufliegen. In einer meiner ersten brisanten Undercover-Reportagen ging es um Organtransplantations-Tourismus von Köln nach Bombay. Bei der Krankenhaus-Kontrolle in Indien bin ich ordentlich ins Schwitzen geraten.
Wie sieht die Arbeit mit versteckter Kamera heute aus?
Wir arbeiten heute mit sogenannten 'Pinhole-Kameras', die nur noch stecknadelkopfgroß sind. Sie sehen aus wie ein ganz normaler Knopf und können unauffällig an der Kleidung befestigt werden. Sie bieten ein Format von 16:9 in HD-Auflösung und damit sendefähiges Material in bester Qualität. Die Aufnahmedauer ist von einer Stunde auf rund vier Stunden gestiegen. Man kann sagen: Je kleiner die Kamera, desto größer die Wahrheit! Als Undercover-Reporter ist man in der Regel alleine unterwegs, muss immer wieder überzeugend in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen. Wird die versteckte Kamera entdeckt, ist das das Ende der Reportage und je nach Umfeld auch gefährlich für den Reporter. Je nach Situation setzen wir auch einen speziellen Van ein, der mit modernster Überwachungstechnik und fernbedienbaren HD-Spezialkameras ausgestattet ist.
Das klingt nach erheblichem Aufwand, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen?
Die beste Idee nützt nichts, wenn man sie nicht zu Ende denkt und einen Weg findet, um an das entsprechende Beweismaterial zu kommen. Insofern leistet der Reporter auch immer kreative Detektivarbeit. Um die systematische Zwangsprostitution ukrainischer Frauen in Deutschland nachzuweisen, haben wir in Berlin zum Schein ein altes Hotel angemietet, mit Kameras ausgestattet und dort einen fingierten Escort-Service eingerichtet. So konnten wir glaubwürdig Kontakt zu dem Menschenhändlerring aufbauen. Meine Recherche hat mich damals auch vor Ort in die Ukraine geführt. Dort konnte ich sogar eines der Opfer befreien.
Was zählt noch zu Ihren wichtigsten Reportage-Erfolgen?
Das ist sehr unterschiedlich. Dazu zählt sicherlich das Thema Luftsicherheit. Noch vor dem 11. September wollten wir wissen, ob man als Passagier Waffen durch die Sicherheitskontrollen schleusen kann. Dazu habe ich in einem präparierten Absatz meines Schuhs eine Handfeuerwaffe versteckt. Ich war ehrlich geschockt, als ich damit durchkam - und das am New Yorker JFK Airport. Seitdem müssen alle Passagiere auch in Deutschland regelmäßig zum Sonderscan der Füße.
Zu Konsequenzen hat auch das Thema Fleischskandal geführt.
Wir haben in diversen Supermärkten Fleischpackungen gekauft und mit einer Nudel gespickt, Fotos von den Etiketten gemacht, die Packungen abends wieder ins Regal gelegt und am nächsten Morgen erneut gekauft. In fast allen Supermärkten wurde tatsächlich umetikettiert. Ein Stück war unglaubliche 17 Tage im Umlauf. Das hat im Handel für riesen Wirbel gesorgt. Eine Supermarktkette hat daraufhin sogar die Verteilung von Fleischartikeln komplett zentralisiert, um so die Kontrolle zu erhöhen.
Wie finden Sie entsprechende Themen?
Man entwickelt regelrecht ein Auge dafür, und beobachtet sein Umfeld auch ständig. Einige Geschichten kommen aber auch direkt von den Zuschauern.
Der Erfolg macht sicherlich nicht nur Freunde. Waren Sie schon Mal in Gefahr?
Bei einem Test von Schlüsseldiensten konnten wir dazu beitragen, dass ein betrügerischer Geschäftsführer durch unsere Berichterstattung zu vier Jahren Gefängnis ohne Bewährung wegen Betruges verurteilt wurde. Der Mann ging, als wir ihn damals konfrontierten, mit Pflastersteinen auf uns los. Zum Glück kam niemand ernsthaft zu Schaden. Ich bin auch schon einige Male massiv bedroht und drei Mal richtig verprügelt worden. Ich habe in all den Jahren rund 20 Morddrohungen erhalten. Man muss einfach einschätzen lernen, auf welche kriminelle Strukturen man sich einlässt. Sobald es lebensbedrohlich wird, ist Schluss mit der Reportage. Man sollte nie den starken Mann spielen, sondern vielmehr gut argumentieren.
Welche Voraussetzungen sollte ein Undercover-Reporter mitbringen?
In jedem Fall Mut, Ausdauer, Geduld und natürlich Ideenreichtum, was die Umsetzung zum Beispiel in der Beweisführung angeht. Er sollte sehr flexibel, spontan aber auch gut organisiert sein. Er muss aber auch seine Grenzen kennen und darf natürlich keine Angst vor Konfrontation haben. Dazu kommen Erfahrung und auch Reporterglück.
Was sind Ihre nächsten Projekte?
Wir haben gerade ein regelrechtes 'Spy-Mobil' mit Hochleistungstechnik ausgestattet, das jetzt sozusagen auf seinen Einsatz wartet. Optisch ist das Fahrzeug als irgendein beliebiges Dienstleister-Fahrzeug getarnt. Thematisch interessiert mich aktuell am Beispiel von Katar die Sicherheit auf Baustellen. Auch die Qualität von Alarmanlagen ist ein Thema, da damit viel Geld verdient wird. Und wir planen auch immer mal wieder Follow-up-Geschichten und testen nochmal, was sich an einigen Brennpunkten getan hat.