„Ich sehe MTV wie die Titanic”Die legendäre MTV-Ära ist vorbei! Moderatoren-Legende Steve Blame blickt auf eine einzigartige Zeit zurück

Steve Blame war jahrelang eines der prägenden Gesichter von MTV. Seit dem 31. Dezember 2025 ist der legendärste Teil von MTV Geschichte: Der Sender zeigt keine Musikvideos mehr. Für RTL.de erinnert sich Steve Blame (66) an eine Ära, die nie wiederkommen wird.
Steve Blames Abschiedsbrief an MTV
„MTV verband Musik, Politik, Identität und Zugehörigkeit für eine ganze Generation in ganz Europa. Ich hatte das Glück, daran teilzuhaben – nicht nur als Moderator, sondern als Mitgestalter der Art und Weise, wie Kultur, Nachrichten und Musik Millionen junger Menschen präsentiert wurden. Und das zu einer Zeit, als solche Plattformen noch selten waren. Der Einfluss war enorm – nicht nur musikalisch, sondern auch im Fernsehen, Design, Storytelling und Branding. MTV verlieh Songs ein visuelles Gewand; Künstler wurden zu Marken mit eigenem Look, eigener Geschichte und eigener Identität. Musikstars erlangten eine Aura – fast wie Hollywood-Legenden. Vieles davon wurde in dreiminütigen Videos vermittelt. Auch die visuelle Sprache veränderte sich: schnelle Schnitte, markante Typografie, neue Übergänge. Dieser Stil ist bis heute in Werbung, Film und sozialen Medien präsent. Durch moderne Präsentation wurde die Moderation persönlicher – Meinungen, Reaktionen, Dialog mit dem Publikum. Formate wie MTV Unplugged, Yo! MTV Raps oder die frühen Reality-Shows brachen mit den Regeln und setzten neue Maßstäbe. Und MTV News, wo ich mitgewirkt habe, hatte einen enormen Einfluss: Ohne MTV News gäbe es den heutigen Unterhaltungsjournalismus in vielen seiner Formen wahrscheinlich nicht.

Ich kann MTV nicht auf eine einzige Erinnerung reduzieren, aber als Interviewer habe ich viele Momente erlebt, die mir im Gedächtnis geblieben sind.
Der Dalai Lama, der mir sagte, dass es die einfachen Dinge im Leben sind, die einen am meisten erfüllen. Die Bedeutung dieses Satzes habe ich erst später wirklich begriffen. Michail Gorbatschow, der vor den Gefahren eines Rückzugs von der Demokratie warnte – etwas, dessen sich heute mehr denn je bewusst sein sollte. Tina Turner, die sagte, dass das Leben mit 40, 50 oder sogar 60 Jahren beginnen kann – etwas, das ich mit meinen 66 Jahren nur bestätigen kann. Und natürlich Madonna, die für mich die Verkörperung der MTV-Künstlerin war und das Medium MTV vielleicht am effektivsten nutzte; deren Karriere die gesamte Lebensdauer von MTV umfasste.

Ich verspüre keine Nostalgie, wenn ich an MTV denke – aber ich habe großen Respekt vor den Menschen, die damals dort gearbeitet haben, vor dem Publikum, vor den Musikern und Künstlern, die ich interviewen durfte, und ich kann ohne Zweifel sagen, dass der Sender und das, was er war, als ich das Glück hatte, dort zu sein, etwas ganz Besonderes waren.
Zweifellos hat die Marke jedes Mal gelitten, wenn sich MTV vom Kern der Musik entfernt hat. Sicherlich waren das kurzfristige, finanzielle Entscheidungen, aber ich sehe MTV immer wie die Titanic: Anfangs als das Schiff gefeiert, das niemals sinken konnte – doch für die Titanic reichte eine einzige Kollision, um sie zu zerstören. MTV entwickelte das Geschick, einen Eisberg nach dem anderen zu treffen, und geriet schließlich in Vergessenheit.”