Sexologin klärt auf

So kommen Frauen selbstbestimmt zum Orgasmus

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Selbstbewusstsein und Entspannung sind Schlüsselfaktoren für den perfekten Orgasmus.
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Viele Frauen haben Schwierigkeiten, zum Höhepunkt zu kommen - das muss nicht sein!
Wieso haben Männer weniger Probleme, zum Orgasmus zu kommen als Frauen? Wieso schaffen es viele Frauen nicht zum Höhepunkt? Helfen Sex-Toys dabei, bessere und schnellere Orgasmen zu erleben? Diese und weitere Fragen stellen sich viele Frauen. Die Sexologin und Sexualtherapeutin Jana Welch gibt Antworten.

Was passiert eigentlich beim weiblichen Orgasmus?

Wenn eine Frau sexuell erregt wird, passiert eine ganze Menge in ihrem Körper, sowohl sichtbar als auch unsichtbar. Der Orgasmus startet mit der Erregungsphase: Mehr Blut strömt in die Geschlechtsorgane, die Klitoris schwillt an und die Vagina wird feucht. Das sind die ersten sichtbaren Zeichen dafür, dass sich der Körper auf sexuelle Aktivität vorbereitet. Dann steigert sich die Spannung in der sogenannten Plateauphase: Die Erregung nimmt zu und die inneren zwei Drittel der Vagina weiten sich aus, bereit, den Penis oder ein Sexspielzeug aufzunehmen. Die Klitoris zieht sich ein bisschen zurück, bleibt aber hochsensibel.

Der Höhepunkt all dieser Anspannung und Erregung ist der Orgasmus, im Grunde eine Reihe von rhythmischen Muskelkontraktionen in der Vagina. Diese Zuckungen kommen normalerweise alle 0,8 Sekunden und die meisten Frauen erleben zwischen drei und fünf davon, aber manchmal sogar mehr. Diese Kontraktionen sind das, was Frauen tatsächlich als Orgasmus fühlen. Währenddessen pocht das Herz schneller und die Atmung steigt. Nach dieser Achterbahnfahrt kommt die wohlverdiente Entspannung. Der Körper kehrt in den Ruhezustand zurück, die Klitoris und die Vagina nehmen ihre ursprüngliche Form wieder an und Herzschlag und Atmung normalisieren sich.

„Der Penis vibriert nicht”

Natürlich können Gesundheitsprobleme (zum Beispiel Hormonstörungen) ein Grund dafür sein, weshalb es Frauen schwerer fällt, den Höhepunkt zu erreichen. In diesem Falle sollte man sich an einen Arzt wenden. Ist das aber ausgeschlossen, dann sollte man genauer hinschauen. „Immer mehr Frauen sind nicht in der Lage, beim penetrativen Sex zum Orgasmus zu kommen”, sagt die Sexologin, Sexualtherapeutin und Buchautorin (Sex that conncts: Das erotische Playbook für Paare mit 30 Abenteuern) Jana Welch im Interview mit RTL.de. Sie macht dafür auch den vermehrten Einsatz von einigen Sexspielzeugen verantwortlich: „Viele Frauen, die nur mit Vibratoren kommen, erleben das nicht als etwas besonders sinnliches. Es geht dann einfach nur darum, Spannung abzubauen. Vibratoren steigern unsere Erregung aber nicht zwingend die Lust”, erklärt sie. Sexspielzeuge mit Vibration können Welch zufolge daher auch das Sexualleben mit dem Partner negativ beeinflussen: „Ich wünsche mir, dass Frauen wieder in ihr Gefühl kommen und ihren Körper besser spüren. Was mag ich? Was gefällt mir? Was fühlt sich schön an? Das ist natürlich nicht einfach, wenn man ausschließlich zielgerichtet mit Vibratoren zum Orgasmus kommt. Wenn man versteht, dass Masturbation das Trainingslager für Paarsex ist, dann weiß man auch, warum viele Frauen auf Penetration verzichten können. Kein Penis vibriert so schön wie ein Vibrator. Dementsprechend kann Penetration auch nicht so spannend sein, wie das Spiel alleine”, sagt Welch.

Ein weiterer Grund, weshalb viele Frauen, Schwierigkeiten haben zum Orgasmus zu kommen ist die Unsicherheit mit dem eigenen Körper und ihrer Vulva. Eine Frau, die ihr Genital schön findet, sich oft berührt, wird mit diesem positiven Verhältnis eine lustvollere Sexualität erleben. „Wenn eine Frau sexuell selbstbewusst ist, wenn sie sich ohne Scham zeigen kann, wird es ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit auch leichter fallen, zum Höhepunkt zu kommen. Ich wünsche mir daher, dass Frauen stolz sind auf ihr Genital und es mehr genießen sich selber Lust und Erregung zu verschaffen, sagt die Sexologin. Männer haben in der Regel weniger Unsicherheiten in Bezug auf ihren Körper und deshalb sind sie von diesem Problem auch viel weniger häufig betroffen. Natürlich spielen auch weitere soziale Aspekte eine Rolle: Fühlt sich die Frau sicher in der Beziehung, kann sie vertrauen, fühlt sie sich verstanden und respektvoll behandelt – und – hilft der Mann auch genug im Haushalt. All diese Faktoren können einen Einfluss auf die Orgasmusfähigkeit einer Frau haben.

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Jede Frau kann zum Orgasmus kommen

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass nur bestimmte Frauen zum Orgasmus kommen können. Jede Frau hat - rein körperlich - die Möglichkeit zum Höhepunkt zu kommen – wenn sie es lernen will. „Ob eine Frau zum Orgasmus kommt ist reine Übungssache und hat mit angelernten Masturbationsmuster zu tun. Diese sind zu jeder Zeit veränderbar und mit ein bisschen Übung und Liebe kann jede Frau lernen, zum Höhepunkt zu kommen, betont Welch. Damit die Orgasmusfähigkeit gesteigert wird, ist es der Sex-Expertin zufolge ganz wichtig, dass Frauen sich mit ihrem Körper und vor allem natürlich ihrer Vulva auseinandersetzen. „Ganz viele Frauen kennen ihre eigenen Bedürfnisse gar nicht. Sie wissen gar nicht, wie sie berührt werden möchten. Man sollte sein eigenes Instrument gut spielen können, damit man auch ganz sicher und eigenverantwortlich zum Orgasmus kommen kann”, sagt sie. Die Sex-Expertin empfiehlt deswegen, erst einmal den Vibrator auszulassen und sich selbst zu erkunden. Was mag die Vulva? Wie fühlt sie sich an? Wie ist es, wenn ich mit dem Finger hinein gehe? Welche Erfahrungen hat sie mit einem Penis gemacht? Kann sie gut aufnehmen? Welche Berührungen findet sie gut und welche nicht? Solche und weitere Fragen sollte sich die Frau laut Welch stellen, die tolle Orgasmen erleben möchte.

Es geht um Sinnlichkeit und Berühren: „Wenn man zweimal die Woche mit sich wirklich übt, sich langsam berührt, auch mal mit Öl den ganzen Körper eincremt und dabei die Vulva berührt, ist es ideal”, sagt die Sexologin. Es geht also auch vor allem um Entspannung. So kann man mehr fühlen und die Vulva wird auch feuchter. Wer sich selbst so intensiv kennenlernt, wird es auch leichter beim Sex mit einer anderen Person haben: „Wenn ich was ich wirklich will, dann kann ich in einen sehr selbstbewussten Austausch mit einem Mann gehen und das sogar noch kommunizieren. Viele Frauen haben einen Sex, der ihnen überhaupt keinen Spaß macht und wundern sich, warum sie nicht kommen”, sagt Welch.

Sex-Toys ja, aber die richtigen

Ganz ohne Hilfsmittel müsst ihr bei eurer Selbsterkundungstour natürlich nicht auskommen. Allerdings hält die Sexologin von Vibratoren sehr wenig: „Im Bett mit einem Mann vibriert nichts und man gewöhnt sich diese Stimulation an”, sagt sie. Aber wenn ihr bisher sehr häufig Vibratoren benutzt habt, könnt ihr das natürlich auch weiterhin tun. Welch empfiehlt allerdings, diese ab und an auch einmal auszulassen. Stattdessen sind ihrer Meinung nach Dildos, vor allem solche aus Glas, oder auch Liebeskugeln besser geeignet. „Alles was dafür sorgt, dass der Beckenboden und die Vagina stimuliert werden, finde ich toll”, betont sie.

Diese Sex-Toys kommen ganz ohne Vibration aus:

Dildos: Dildos sind phallusförmige Sexspielzeuge, die zur Penetration genutzt werden. Sie sind in einer Vielzahl von Größen, Formen und Materialien erhältlich, z.B. Glas, Metall, Silikon oder Gummi.

So wendet ihr sie richtig an: Zunächst ist es wichtig, entspannt und erregt zu sein, um Verletzungen oder Unbehagen zu vermeiden. Bevor ihr den Dildo einführt, könnt ihr ein Gleitmittel auftragen, um das Einführen zu erleichtern. Gleitmittel ist vor allem beim Analverkehr wichtig, da dieser Bereich nicht selbständig Gleitmittel produziert. Setzt den Dildo behutsam an den Eingang eures Vaginal- oder Analkanals an und führt ihn langsam und vorsichtig ein. Experimentiert mit unterschiedlichen Bewegungen und Geschwindigkeiten, um herauszufinden, was euch am besten gefällt. Nach der Verwendung, reinigt den Dildo gründlich entsprechend den Anweisungen des Herstellers.

Analplugs: Analplugs sind kleine Spielzeuge, die in den Anus eingeführt werden und dort getragen werden können, um sanften Druck und Fülle zu erzeugen.

So wendet ihr sie richtig an: Um einen Analplug sicher und angenehm zu nutzen, solltet ihr entspannt sein und viel Gleitmittel verwenden, da der Anus keine natürliche Schmierung produziert. Beginnt das Einführen des Plugs langsam und vorsichtig, und passt es nach Bedarf an, um ein angenehmes Gefühl zu gewährleisten. Anale Spielzeuge sollten immer schmerzfrei eingeführt und verwendet werden. Nach der Verwendung solltet ihr den Plug gründlich reinigen. Wichtig ist es, immer auf die Signale des eigenen Körpers achten und bei Schmerzen oder Unbehagen die Aktivität sofort stoppen.

Beckenbodentrainer (auch bekannt als Liebeskugeln oder Ben-Wa-Kugeln): Diese kleinen Kugeln werden in die Vagina eingeführt und erfordern Muskulatur, um sie dort zu halten. Sie können zur Stärkung des Beckenbodens genutzt werden, was wiederum das sexuelle Empfinden steigern kann.

So wendet ihr sie richtig an: Zur Anwendung setzt man die Kugeln, die vorher mit wasserbasiertem Gleitmittel bestrichen wurden, vorsichtig in die Vagina ein, ähnlich wie einen Tampon. Sobald die Kugeln positioniert sind, kann das Training beginnen: Anspannen und Entspannen der Muskulatur, um die Kugeln zu halten. Beginnt mit kurzen Zeitspannen und steigert die Dauer stufenweise. Nachdem ihr die Kugeln entfernt habt, solltet ihr sie gründlich reinigen. Wichtig ist, dass die Aktivität angenehm ist und keine Schmerzen verursacht.

Nippelklemmen: Wenn die Brustwarzen erogene Zonen sind, können Nippelklemmen, die dort angebracht werden, beim Sex oder beim Vorspiel erhöhtes Vergnügen bringen.

So wendet ihr sie richtig an: Für die Anwendung von Nippelklemmen sollten die Brustwarzen zunächst durch Streicheln oder Ziehen erregt und hart gemacht werden. Die Klemmen werden dann vorsichtig auf die Brustwarzen gesetzt und die Intensität nach Bedarf angepasst. Man kann sie eine Weile angebracht lassen und eventuell daran ziehen oder wackeln, um zusätzliche Stimulation zu erzeugen. Nach der Anwendung solltet ihr die Klemmen langsam entfernen. Achtet stets auf euren Körper und vermeidet unangenehme oder schmerzhafte Erfahrungen.

Bondage-Spielzeug: Fesseln, Augenbinden, Peitschen usw. fallen ebenfalls in die Kategorie der nicht-vibrierenden Sexspielzeuge.

So benutzt ihr das Bondage-Spielzeug richtig: Vor der Anwendung sollten alle Beteiligten über Regeln und Grenzen sprechen und ein Sicherheitswort vereinbaren. Einsteiger sollten mit einfacheren Spielzeugen beginnen. Fesselt gemäß den vereinbarten Vorlieben und befreit die andere Person danach, da das Spiel emotional und physisch intensiv sein kann. Wichtig ist, dass alle Aktivitäten sicher und einvernehmlich sind.

Vergesst nicht, euch immer ausreichend Zeit zu nehmen. „Männer kommen sehr schnell zum Orgasmus und die brauchen auch viel weniger Zeit als Frauen. Frauen brauchen oft ein viel längeres zärtliches Vorspiel von mindestens 40 Minuten”, betont die Sex-Expertin. Deswegen probiert die Tipps aus, aber entspannt euch dabei. Je mehr Druck ihr euch macht, desto weniger wird es funktionieren. Macht euch außerdem bewusst, dass guter Sex nicht unbedingt im Zusammenhang mit einem Orgasmus steht. Alles was sich gut und stimmig für euch anfühlt, ist auch richtig. Und Sex muss nicht gleich Penetration bedeuten.

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