Polizeischüsse in BochumNach Schuss auf Maria (12): Anwalt kritisiert Polizeiangaben scharf – „Zugriff, wie gegen organisierte Kriminalität“

Die Zwölfjährige soll die Beamten zuvor angegriffen haben - mit zwei großen Küchenmessern.
Die Zwölfjährige soll die Beamten zuvor angegriffen haben – mit zwei großen Küchenmessern (Archivbild).
RTL

Maria (12) wurde schwer verletzt!
Nach dem Schuss auf eine zwölfjährige Gehörlose in Bochum wirft ihr Anwalt den Ermittlern fehlende Objektivität vor. Die Familie erlebte die dramatischen Ereignisse demnach ganz anders.

Nach Schuss auf Kind: Anwalt kritisiert Polizeiangaben scharf

Der Anwalt des durch einen Polizeischuss lebensgefährlich verletzten Mädchens in Bochum wirft den Ermittlern manipulative Darstellung in eigener Sache vor. Die gehörlose Mutter sowie der ebenfalls gehörlose Bruder des Mädchens schilderten die Einsatzsituation demnach ganz anders als die Polizei es in ihrer „aggressiven Pressearbeit“ tue, sagte Rechtsanwalt Simón Barrera González der Deutschen Presse-Agentur.

Polizei und Staatsanwaltschaft versuchten noch vor Abschluss der Ermittlungen die aus seiner Sicht fragwürdige Darstellung zu untermauern, der Beamte habe aus Notwehr geschossen, so der Anwalt des Mädchens. „So etwas prägt Strafverfahren und nährt gleichzeitig Zweifel an der Objektivität der ermittelnden Behörden.“ Mutter und Bruder gaben demnach in einer anwaltlichen Vernehmung zu Protokoll, dass die Messer erst in einer Paniksituation ins Spiel gekommen seien, die die Polizei selbst verursacht habe.

Die gehörlose Zwölfjährige war in der Nacht zum 17. November bei einem Polizeieinsatz in Bochum durch einen Bauchschuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten lebensgefährlich verletzt worden. Die Beamten waren ausgerückt, weil das Mädchen seit Sonntag in seiner Wohngruppe in Münster vermisst wurde und offensichtlich zur Mutter nach Bochum gefahren war. Es habe lebenswichtige Medikamente benötigt, erklärte die Polizei.

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Wie die Familie den Einsatz erlebte

Zunächst habe die Polizei in der Wohnung den Strom abgedreht, schildert nun der Anwalt Barrera González unter Berufung auf die Familie. Als die Mutter dann ängstlich die Tür geöffnet habe, habe man sie mit vorgehaltener Waffe zu Boden gebracht und mit Handschellen fixiert. „Die Polizei hat da aus meiner Sicht einen Zugriff inszeniert, wie man ihn gegen organisierte Kriminalität erwarten dürfte, aber doch nicht um ein vermisstes 12-jähriges Mädchen zu suchen”, sagt Barrera González.

Die Polizei hatte berichtet, die Mutter sei fixiert worden, weil sie den Einsatzkräften den Zutritt zur Wohnung versperrte. Als dann die Polizisten die Wohnung betraten, habe das Mädchen die Beamten mit zwei größeren Küchenmessern angegriffen.

„Es war aber nach meiner juristischen Bewertung kein unmittelbar bevorstehender Messerangriff”, sagt Barrera González. Die Polizei habe jede Möglichkeit des Rückzugs gehabt – diese zu nutzen, gelte umso mehr, weil es sich bei seiner Mandantin um ein Kind handele.

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Wie reagiert die Polizei auf die Vorwürfe

Auf Nachfrage gibt die Polizei an, die Mordkommission habe die beteiligten Zeugen zeitnah nach dem Vorfall polizeilich vernommen. Auch Mutter und Bruder seien befragt worden. Dabei seien auch Gebärdendolmetscher vor Ort gewesen.

„Wir haben versucht, möglichst objektiv anhand der Spurenlage und der Aussagen aller beteiligten Zeugen zu berichten, was in der Nacht passiert ist”, sagte ein Sprecher der ermittelnden Polizei in Essen. Nach Abschluss der noch laufenden Ermittlungen müsse ein Gericht entscheiden, ob das Vorgehen der beschuldigten Polizisten rechtmäßig gewesen sei oder nicht. (jow/dpa)

Verwendete Quellen: dpa