Drei Wochen nach der TatNach Messer-Attacke – zum ersten Mal spricht Herdecker Bürgermeisterin

Iris Stalzer wurde bei einem Messerangriff lebensgefährlich verletzt.
Iris Stalzer wurde bei einem Messerangriff lebensgefährlich verletzt (Archivbild)
picture alliance/dpa | Bernd Henkel

Sie tritt ihr Amt an!
Am 7. Oktober wurde die gewählte Bürgermeisterin von Herdecke, Iris Stalzer, lebensgefährlich verletzt in ihrem Haus gefunden. Ihre 17-jährige Adoptivtochter steht im Verdacht, sie über einen Zeitraum von mehreren Stunden im Keller des Hauses bedroht und gequält zu haben. Neben 13 Messerstichen soll die 57-Jährige auch zahlreiche Kopfverletzungen erlitten haben. Nun gibt Stalzer ein erstes Interview – und kritisiert die Aufmerksamkeit, die ihr Fall bekommen hat.

Iris Stalzer spricht nach Messer-Attacke über „unfassbare Belastung”

„Gesundheitlich geht es mir gut. Was natürlich eine unfassbare Belastung ist, ist dieses Drumherum. Ich habe damit in dieser Form überhaupt nicht gerechnet”, erzählt sie im Interview mit der Westfalenpost. Die 57-Jährige sitzt in der Innenstadt von Herdecke, die Strapazen, die hinter ihr liegen, lassen sich nur erahnen.

Bereits im Vorfeld des Gesprächs hatte Iris Stalzer deutlich gemacht, keinerlei Fragen zum Tathergang sowie weiteren Belangen der laufenden polizeilichen Ermittlungen zu beantworten, schreibt die Zeitung. Zudem hatte sie deutlich gemacht, dass sie keine Antworten auf Detailfragen zu ihren Kindern geben wird.

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Iris Stalzer kritisiert Medien und Bundeskanzler Merz

Denn nicht nur Deutschlandweit hat der Fall für Aufsehen gesorgt. „Ich habe tatsächlich überhaupt nicht erwartet, dass ein solcher Medienrummel entstehen würde“, sagt die SPD-Politikerin. „Wenn ich höre, dass da irgendwelche Artikelchen bis in die New York Times und zu CNN geraten sind, muss ich sagen, bin ich sprachlos. Es geht doch um eine Geschichte, die sich hier in unserer relativ kleinen Gemeinde abgespielt hat. Ich bin auch keine Bundespolitikerin oder ein Mensch, der irgendwie bundesweit Bedeutung hat.“

Doch das gelte nicht nur für die Medien, sondern auch für den Bundeskanzler, der sich ebenfalls zu dem Drama geäußert hatte: „Ich will jetzt Herrn Merz keinen Vorwurf machen und mir ist auch klar, dass wir in einer schnelllebigen Zeit leben. Aber sich binnen Minuten zu Dingen zu äußern, von denen man so wenig weiß und dann da eine Meinung zu zu haben, das finde ich extrem schwierig“, erklärt sie in dem Interview mit der Westfalenpost. „Ich finde, da sind auch manche Menschen viel zu schnell am Handy. Ich glaube, man ist gut beraten, auch mal zu schauen, was eigentlich los ist, bevor man sich im großen, weiten Netz positioniert und äußert.”

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Bürgermeister Stalzer gibt erstes Interview: „Es gab auch Hass und Hetznachrichten”

Doch nicht nur die generelle Berichterstattung sei für sie ein Problem gewesen: „Und ich habe auch nicht erwartet, dass man meine Kinder zeigt, ob nun verpixelt oder nicht verpixelt, ob von vorne oder von hinten, in einer Situation, wo noch alles völlig ungeklärt war. Das fand und finde ich ausgesprochen schwierig.“

Aus guten Gründen, wie sich zeigen sollte: Sie habe nicht nur Genesungswünsche erhalten. „Es gab auch Hass und Hetznachrichten, die eigentlich mehr die Kinder betrafen als mich, wo es dann in die rassistische Ecke ging, weil - warum auch immer - irgendjemand die Herkunftsländer der Kinder veröffentlicht hatte“, so die 57-Jährige. „Da gab es wirklich ganz fürchterliche Kommentare, bei denen klar ist, dass da Grenzen überschritten werden und dass es sich ganz klar um Straftaten handelt.“

In wenigen Tagen wird sie offiziell Bürgermeisterin

Immer an ihrer Seite: Ihr Mann: „Ich habe mich schon gefragt: Meine Güte, was würdest du jetzt tun, wenn du wirklich ganz allein wärst oder kein Umfeld hättest, das dich tragen kann? Trotz aller Belastung bin ich da schon in einer bevorzugten Situation“, so Stalzer. „Mein Mann und ich wären ja eigentlich in den Herbstferien zwei Wochen in den Urlaub gefahren, waren aber jetzt zwei Wochen zu Hause und das war auch – glaube ich – ganz gut“, erzählt sie weiter. „Es standen noch ganz viele Gesprächstermine mit unterschiedlichsten Verfahrensbeteiligten an. Ich habe gesagt: Lass es uns jetzt machen, dann haben wir es hinter uns. Man will ja auch weiterkommen in der Sache.“

In wenigen Tagen wird sie in ihr Amt eingeführt. „Wenn ich mir das Amt nicht zutrauen würde, würde ich es nicht machen.“ Dennoch hat sie sich zunächst Rückendeckung der Partei geholt, wie sie weiter verrät. „Und da war auch nicht die Frage ‚Will ich das noch?‘ sondern da war die Frage ‚Wollt ihr das noch?‘. Und da kam ein ganz klares und deutliches ‚Ja‘ von allen Seiten aus der Partei. Nachdem ich diese Antwort hatte, war für mich alles andere gar nicht mehr infrage zu stellen.“

Am 4. November findet die Amtseinführung statt. Ihr Appell dabei: „Wenn nur Menschen mit perfekten Familien sich engagieren dürfen, dann glaube ich, verzerrt das unsere Gesellschaft sehr. Für manche mag das Leben ein Ponyhof sein, für die meisten ist es das nicht.“

Verwendete Quellen: Westfalenpost und dpa