„Große literarische Abenteuer“
Diese sechs Titel stehen auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024

Welche sechs Autoren dürfen auf den Deutschen Buchpreis 2024 hoffen?
Am Dienstag hat die Jury die Shortlist des Deutschen Buchpreises bekannt gegeben. Sechs Autoren haben es mit ihren Romanen ins Finale geschafft. Am 14. Oktober – einen Tag vor der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse – wird der Sieger verkündet. Wir zeigen euch die nominierten Titel.
Moderner Heiratsschwindel und echte Sehnsüchte in „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ von Martina Hefter
Tagsüber hilft Juno ihrem schwerkranken Mann dabei, seinen Alltag zu meistern. Nachts chattet sie mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Doch statt auf diese Love-Scammer hereinzufallen, spielt Juno Spielchen mit ihnen. Eines Tages trifft sie auf Benu, der ihre Behauptungen ebenso durchschaut wie sie seine.
In ihrem Roman „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“* erzählt die Autorin Martina Hefter von modernen Heiratsschwindlern, ihren Opfern und der gemeinsam geschriebenen Geschichte. Das Buch streift viele wichtige Themen, aber nie mit einem mahnenden Zeigefinger, sondern als Gedankenimpuls.
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„Die Projektoren“ von Clemens Meyer: Ein Epos über die Krisen Europas und die Kunst des Erzählens
Für diesen Roman solltet ihr viel Zeit einplanen. „Ein Oschi, der in der deutschsprachigen Literatur seinesgleichen sucht“, schreibt MDR Kultur über „Die Projektoren“*. Der Autor erzählt auf über tausend Seiten von Krieg und Gewalt, von alten und neuen Nazis, von Utopien, Hoffnungen und Fantasien.
Darum geht’s: Im Velebit-Gebirge erlebt ein ehemaliger Partisan die abenteuerlichen Dreharbeiten der Winnetou-Filme. Jahrzehnte später finden an genau diesen Orten die brutalen Kämpfe der Jugoslawienkriege statt – mittendrin eine Gruppe junger Rechtsradikaler aus Dortmund, die die Sinnlosigkeit ihrer Ideologie erleben muss. Und in Leipzig werden bei einer Konferenz in einer psychiatrischen Klinik die Texte eines ehemaligen Patienten diskutiert: Wie gelang es ihm, spurlos zu verschwinden? Konnte er die Zukunft voraussagen? Und was verbindet ihn mit dem Weltreisenden Karl May, der einst ebenfalls Patient der Klinik war?
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„Hasenprosa“ von Maren Kames: Ein ungewöhnlicher Roman
Auf dem Cover von „Hasenprosa“* steht zwar Roman, in vielen Rezensionen ist aber eher von „Lyrischer Prosa“ die Rede. Worum es eigentlich geht, ist schwer zu fassen und anscheinend auch gar nicht so wichtig in diesem Roman. Die Regeln der Grammatik werden zugunsten einer rätselhaften Kunstsprache missachtet, die Autorin Maren Kames nutzt Neologismen wie „Sowiesobedarf“ und „Rumpelpotenz“, und die Hasenstory erinnert ein wenig an „Alice im Wunderland”. Ist „Hasenprosa“ eine Art Coming-of-Age-Geschichte verfasst als Autofiktion? Eines steht fest: Bei diesem Roman zählt weniger die Handlung als die Sprache, der Sprachwitz und das Einfallsreichtum.
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann: Ein Anti-Heimatroman
Ihr solltet hier keinen romantischen Heimatroman erwarten: Täglich treiben der 19-jährige Jannes und seine Familie die Schafe über die Flächen der Lüneburger Heide. Doch in der Gegend kommt Unruhe auf – der Wolf ist zurück. Es mehren sich Schafsrisse und mit ihnen Konflikte im Dorf, die schnell politisch werden. Neue Nachbarn, die ihre vermeintliche Hilfe anbieten, glänzen eher mit völkischen Symbolen und versteckten Parolen. Die Situation droht in Selbstjustiz der Bevölkerung zu eskalieren. „Von Norden rollt ein Donner“* ist ein fesselnder Roman über Vergangenes und die Zukunft der (primär) ländlichen Bevölkerung. Markus Thielemann zeigt auf subtile Weise, wie sich ein Idyll in sein Gegenteil verkehren kann.
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Mit „Vierundsiebzig“ liefert Ronya Othmann ein ergreifendes Zeitzeugnis
„Vierundsiebzig“* ist das zweite Buch von Ronya Othmann. Es wird zwar als Roman ausgewiesen, eine Rezensentin beschreibt die Geschichte aber eher als Reportage. „Ich habe gesehen. Das Ich ist ein Zeuge. Es spricht, und doch hat es keine Sprache.” So beschreibt die Autorin in ihrem neuen Roman den Vorgang des Erzählens. Sie will eine Form finden für das Unaussprechliche, den vierundsiebzigsten Völkermord an der jesidischen Bevölkerung, verübt 2014 in Shingal von Terroristen des IS. Ronya Othmann, selbst jesidischer Abstammung, ist für ihren Roman an die Tatorte gereist – und versucht, das Unsägliche in Worte zu fassen.
Von Freundschaft, Abschied und Ankommen: „Lichtungen“ von Iris Wolff
In ihrem Roman „Lichtungen“* zeichnet die Autorin Iris Wolff eine berührende Freundschaft, die sich als Reise in die Vergangenheit offenbart – die Geschichte wird quasi rückwärts erzählt. Während das erste Kapitel im Jetzt spielt, gehen wir mit jedem Kapitel weiter zurück in die Vergangenheit.
Darum geht’s: Zwischen Lev und Kato besteht seit ihren Kindertagen eine besondere Verbindung. Doch die Öffnung der europäischen Grenzen weitet ihre Lebensentwürfe und verändert ihre Beziehung für immer. Was braucht es, um sich von den Prägungen der eigenen Herkunft zu lösen?
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Diese Gemeinsamkeit haben die sechs Romane der Shortlist
Die sechs Bücher, die auf der Shortlist stehen, befassen sich alle mit der jüngeren Geschichte und leiten diese aber auch aus der Historie ab. Die Jury habe für die Shortlist Romane ausgewählt, „die auf neue Weise Licht und Dunkel unserer jüngeren Geschichte erkunden, die auch erzählerisch Grenzen überwinden und dabei große literarische Abenteuer sind”, betont Jurysprecherin Natascha Freundel laut Mitteilung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Jedes Buch ist formal wie inhaltlich einzigartig.” Am 14. Oktober wird schließlich der Sieger des diesjährigen deutschen Buchpreises verkündet. Wir können also gespannt sein!
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