Meinungskommentar
Von der besten Freundin zur Super-Glucke: Das macht eine Freundschaft mit Müttern so schwierig

Die Dreißiger sind vor allem bei Frauen ein Jahrzehnt des Umbruchs. Gerade als Single fällt auf, wie sehr sich alles verändert – erst recht, wenn die Freundinnen auf einmal Mütter werden. Denn nur die wenigsten bleiben die Alten.
Muttersein und Freundschaft: Wenn die coole Freundin zur Glucke wird
Es ist Wochen her, dass ich von meiner Freundin Lena* etwas gehört habe, wenn nicht sogar Monate. Vor zwei Jahren wurde sie Mutter. Als wir damals in einem Café saßen und sie mir die frohe Botschaft überbrachte, habe ich mich ehrlich und sehr doll für sie und ihren Mann gefreut. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass damit ein Countdown an Schwangerschaftswochen begann, der gleichzeitig den Sterbeprozess der Freundschaft darstellen würde.
Viele Frauen, die Kinder kriegen, sind auf einmal nicht mehr die gleichen Personen. Natürlich ist auch mir als Single klar, dass ein Kind viel Aufwand und auch einen Teil Selbstaufgabe bedeutet, doch aus einer coolen Freundin, die Interessen und Hobbys hatte, wird vielfach nur noch eins: ein Muttertier. Der Themenkatalog, aus dem man als Freundin noch auswählen kann, startet bei entzündeten Nippeln und endet bei durchlässigen Windeln und Baby-Chor-Besuchen. Manchmal wird aus der gechilltesten Zeitgenossin auf einmal eine hysterische Glucke, die ihr Kind keine zwei Minuten aus der Hand gibt. Teilweise nicht mal an den eigenen Mann.
Als gute Freundin, die weder Mann noch Familie betreuen muss, versuche ich verständnisvoll zu sein, mich an ihre Zeiten und Orte für Treffen und Telefonate anzupassen, doch das bedeutet für mich eine enorme Umstellung und Flexibilität. Denn selbst wenn so manche Frau erstmal gar nicht mehr arbeitet, wird man plötzlich zum Lückenfüller und in telefonische Timeslots gepresst wie beispielsweise Mittwoch 17-18 Uhr. Am Wochenende niemals, weil da ist Happy-Family-Time und nach 19 Uhr geht auch nicht, weil sie da selbst mit der Zweijährigen gemeinsam ins Bett geht. Staunend starre ich auf die sehr begrenzten Terminvorschläge bei WhatsApp und frage mich, ob sie eigentlich vergessen hat, dass manche Menschen Vollzeit arbeiten. Ich kann eben nicht um zwölf Uhr Mittags zu Besuch kommen und um 17 Uhr auch nicht telefonieren.
Hobbys und Interessen? Fehlanzeige
Weil sie ja nun mal ein Baby hat und ich es nicht nachvollziehen kann, wie hoch der Aufwand real ist und natürlich meine Freundin gerne habe, versuche ich mich anzupassen, wo es nur geht. Besuche sie an Tagen, an denen ich freihabe, unterbreche Telefonate, wenn die Kleine schreit und melde mich unentwegt, damit wir den Kontakt nicht ganz verlieren.
Es macht mich traurig, dass so viele Frauen, die Mütter werden, auf einmal keine Interessen, auf einmal keine Hobbys mehr haben und ich meine nicht die Alleinerziehenden oder die Zeit direkt nach der Geburt, wenn das Baby noch ganz klein ist. Viele von ihnen haben ach so tolle Ehemänner und Väter gefunden und ich beobachte bei 80 Prozent in meinem Umfeld: diese "Super-Daddy's" machen kaum einen Finger krumm. Wenn er von der Arbeit kommt oder Wochenende ist, ist Sport, Playstation oder sonst was angesagt, dann hat er "frei". Selbst wenn sie telefoniert und er auch Zuhause ist, ist sie es, die das Telefonat unterbricht und sich um das schreiende Kind kümmert. Er sitzt bräsig auf der Couch und stellt auf Durchzug. Trotzdem ist das Wochenende natürlich dafür da, um auf dem Herbstmarkt einen auf "Happy Family" zu machen.
Die Rolle der "Super-Mama": Wenn selbst die Väter sich hinten anstellen müssen
Doch ich muss ausnahmsweise auch mal eine Lanze für die Männer brechen, denn was ich auch beobachten konnte, ist, dass viele Frauen die Rolle als "Super-Mama" genießen ohne Ende. Sie sind die, die unersetzlich sind. Sie wollen das auch oftmals so, selbst wenn sie längst nicht mehr stillen. Sie wollen das Kind jeden Abend ins Bett bringen und kriechen dann gleich mit rein, obwohl der Vater es genauso könnte und vielleicht auch täte, wenn sie ihn mal ließen. Sie wollen die engste Bezugsperson des Kindes sein, dafür geben sie sich oftmals selbst auf, geben alle Interessen auf und sind dann eben nur noch das Muttertier.
Für mich als Freundin ist das aber auch nicht leicht, nicht nur das Erfordernis zur maximalen zeitlichen Flexibilität und Anpassung an den Tagesrhythmus der Mama-Freundin, wenn ich sie noch weiter sehen und hören will. Auch die Inhalte der Gespräche büßen an Qualität ein. Kein Wunder, sie erlebt ja nichts anderes mehr als Spielplatz und Krabbelgruppe.
Doch weil ich meine Freundin lieb habe, sage ich nichts und schlucke es runter, wenn das einzige Telefonat nach Wochen wieder durch das Babygeschrei unterbrochen wird und ich sogar noch ein wenig zickig sage: "Ist dein Mann nicht Zuhause und kann mal hingehen eben?" und sie ins Telefon flötet: "Doooch, aber ich mach mal eben und ruf zurück". Aber oftmals kommt der Rückruf nie, denn dann ist sie eingeschlafen neben dem Kind, während er sich auf der Couch im Schritt kratzt. Ich sitze Kilometer entfernt für die nächsten zwei Stunden da und starre auf mein Handy, um den Rückruf von Lena nicht zu verpassen. Doch es klingelt nicht. Enttäuscht resigniere auch ich irgendwann, gehe ins Bett und konnte nicht mal eine wichtige Sache aus meinem Leben erzählen. Denn im Leben von Müttern ist oft nur noch eins wichtig, die Familie. Leider merken sie dadurch gar nicht mehr, was um sie herum noch passiert.
* Lena heißt im echten Leben anders
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei stern.de