VfB-Stürmer jagt Tor-Rekord

Zwei-Meter-Schlaks aus Österreich mischt die Bundesliga auf

Sasa Kalajdzic
Sasa Kalajdzic
Imago Sportfotodienst

Er kam von einem No-Name Team aus Österreich, fiel erst monatelang aus und mischt nun die Bundesliga auf. Sasa Kalajdzic entwickelt sich beim VfB Stuttgart zum Publikumsliebling und will am Samstag (15.30 Uhr/RTL-Liveticker) ausgerechnet gegen den FC Bayern einen Tor-Rekord einstreichen. Unterstützung bekommt er dabei von einer VfB-Legende.

Von Emmanuel Schneider

„Kommt Frühling, kommt VfB“, sagte einst der frühere Stuttgart-Trainer Otto Baric. In den vergangenen Jahren war bei den Schwaben meistens eher Frühlingsblues denn Frühlingsfest angesagt. Doch in diesem Jahr ist der VfB in der Spur - und der Spruch müsste umformuliert werden in: Kommt Frühling, kommt Kalajdzic. Denn beim Aufsteiger verzaubert der 23-jährige Stürmer-Schlaks die Fans.

Der Angreifer, der in dieser Saison wie aus dem Nichts auftrumpfte, hat einen gewaltigen Lauf. Der Österreicher traf in den vergangenen sieben Bundesliga-Spielen. Das schaffte beim Traditionsclub bislang nur die Ikone Fredi Bobic in der Saison 1995/96. Schon am Samstag im Spiel gegen den FC Bayern kann sich Kalajdzic mit einem weiteren Treffer zum alleinigen Rekordhalter aufschwingen.

Austrian Airline: Air Kalajdzic hebt ab

Selbstbewusstsein für dieses Vorhaben sollte inzwischen reichlich vorhanden sein. Der Angreifer traf zuletzt aus allen möglichen Lagen, teilweise auch kurios, weil der Ball zum Beispiel von Frankfurts Verteidiger Martin Hinteregger ins Tor prallte oder er seinen Gegenspieler wie in der Partie gegen Hoffenheim zum Eigentor nötigte. Doch genau solche Tore machen eben auch gute Stürmer aus. Tore erzwingen, einfach da sein, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit Mario Gomez oder Simon Terodde gab es schon ähnliche Kandidaten in Stuttgart, die das zelebrierten. Von solchen Karrieren ist der 23-Jährige freilich noch weit entfernt.

Die Anlagen sind vielversprechend, er bringt das ganz Paket mit. Nun verwundert es nicht, dass Kalajdzic mit seinen zwei Metern Länge, damit ist er der größte Bundesliga-Profi, über eine gewisse Lufthoheit verfügt und schon sechs Tore einköpfte. Es überrascht dann aber doch, dass der Schlaks alles andere als eindimensional ist, sogar ein feines Füßchen hat. Kalajdzic trifft mit Links (drei Tore) wie mit Rechts (vier). Das Leichtgewicht, er wiegt laut VfB-Homepage nur 76 Kilogramm, entpuppt sich mittlerweile als echtes Stürmer-Schwergewicht, das nicht nur als Wandspieler eingesetzt werden kann, sondern mit seiner guten Technik auch die Bälle zu verarbeiten weiß.

Sasa Kalajdzic
Lange Gräten, feines Füßchen.
Imago Sportfotodienst
Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Durchstarter in der 1. Liga

Dabei hatte seine Reise beim VfB mit einem Worst Case begonnen: Im Trainingskick gegen Freiburg erlitt er im Sommer 2019 zwei Wochen nach dem Transfer eine Knieverletzung, Kalajdzic riss sich das Kreuzband, dazu den Außenmeniskus und das Innenband. Totalschaden. Zehn Monate ackerte er in der Reha. Und beobachtete, wie sich sein neues Team mehr schlecht als recht durch die 2. Liga mühte und wenig dominant den Aufstieg packte.

Beflügelt vom Comeback war dann in der 1. Liga alles anders. Der fitte Kalajdzic spielte
endlich wieder - und traf. In den ersten drei Partien erzielte er jeweils ein Tor. Dann folgte eine erste Phase der Ladehemmung. Der wiedergenesene Stürmerkollege Nico Gonzalez lief ihm zunächst den Rang ab. Der VfB lief mit spielfreudigem Offensivfußball wie beim 5:1 gegen den BVB weiter heiß, auch wenn Kalajdzic etwas abkühlte. Vor allem auf Silas Wamangituka, Gonzalez oder Tanguy Coulibaly konzentrierte sich das Scheinwerferlicht, wenn nicht gerade eine interne Schlammschlacht samt hauseigenem Machtkampf Schlagzeilen machte.

Doch seit dem Jahreswechsel läuft's auch wieder beim österreichischen Stürmer, der in der Spitze nach dem erneuten Gonzalez-Ausfall viel Last mit seinen schmalen Schultern stemmen musste. Aus der Stuttgarter Startelf ist er momentan nicht wegzudenken. Inzwischen hat Kalajdzic in der teaminternen Scoringwertung sogar Durchstarter Silas Wamangituka auf Platz zwei verdrängt und ist bester Scorer (17 Punkte, 13 Tore, vier Vorlagen). Aktuell ist er hinter Robert Lewandowski, André Silva, Erling Haaland, Wout Weghorst und Andrej Kramaric der torgefährlichste Stürmer der Liga.

„Geil, isser wieder drinnen"

Bei den Fans hat der junge Stürmer schon Kultstatus erlangt. Der Youngster wienert sich offen und sympathisch durch die Interviews. So beschimpfte er sich selbst einst als „Trottel“, weil er sich in der Fußball-Manager-App Kickbase nicht aufgestellt hatte und natürlich prompt traf. Oder er lobte seine Mitspieler emotional („Ich küsse deine Augen“) und sagte mal ganz ehrlich: „Juckt mich nicht“, dass die Frankfurter mit dem Remis wohl nicht so zufrieden seien. Den angesprochen Treffer gegen Landsmann Hinteregger kommentierte er mit "Ich dachte: geil, isser wieder drinnen".

Unter all den glattgebügelten Jungfußballern wirkt Kalajdzic angenehm ehrlich und geradeaus. Dass er überhaupt den Sprung in die Bundesliga geschafft hat, darf als Überraschung gewertet werden. Kalajdzic entspringt keiner der vielgelobten Nachwuchsakademien. Er lernte das Kicken bei Wiener Vorort-Clubs. In der österreichischen Hauptstadt ist Kalajdzic auch geboren und aufgewachsen, seine Eltern kamen in den 1990ern aus Serbien nach Österreich. Die Profikarriere startete er dann bei Admira Wacker Mödling (12 Tore, 12 Vorlagen in 35 Partien) vor den Toren Wiens.

Mit diesem ungeraden Weg passt er gut ins Profil von VfB-Sportvorstand Sven Mislintat, der auch weniger stromlinienförmige Talente in den Kader holt wie zuletzt Coulibaly oder Wamangituka. Getreu dem Motto: unangepasst, jung und wild. "Sasa ist ein klassischer Zentrumsstürmer, der für seine Größe eine sehr, sehr coole Beweglichkeit und ein sehr geiles Spielverständnis hat“, lobte Mislintat.

Bobic würde ihm den Rekord gönnen

Inzwischen durfte er schon zwei Mal in der österreichischen Nationalmannschaft ran. Und wie das so ist im Fußballgeschäft, die vielen Tore wecken Begehrlichkeiten, nicht nur in Deutschland. Angeblich sind neben RB Leipzig schon die AS Rom, West Ham United, Everton und Juventus auf Kalajdzic aufmerksam geworden.

Der 23-Jährige fühlt sich nach eigenen Aussagen aber noch pudelwohl in Stuttgart. Er könne sich „sehr gut vorstellen“, länger beim VfB zu bleiben, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“. Im Moment passe einfach alles. Und als nächstes steht erst mal der Tor-Rekord auf dem Zettel. Aus der Ferne drückt sogar Rekord-Kollege Bobic die Daumen. "Ich bin weit weg zu sagen, dass er nicht treffen soll", sagte er der "Bild". "Ich würde mich total freuen, wenn er es schafft. Auch weil es gegen die Bayern immer ein spezielles Spiel ist."

Und der Frühling geht ja bekanntlich gerade erst los.