Ehefrau wollte die TrennungVater von vermisster Hilal nach Messerangriff auf Ehefrau zu Bewährungsstrafe verurteilt

Der 57-jährige Angeklagte am Tag der Urteilsverkündung vor dem Hamburger Landgericht.
Der 57-jährige Angeklagte am Tag der Urteilsverkündung vor dem Hamburger Landgericht.
RTL Nord

Mit einem 24 Zentimeter langem Messer soll ein 57-jähriger Angeklagter mehrfach auf seine Ehefrau eingestochen haben. Der Prozess vor dem Hamburger Landgericht erregt dabei besondere Aufmerksamkeit, da es sich bei dem Mann um den Vater der vor mehr als zwei Jahrzehnten verschwundenen Hilal handelt. Die Richter fällten am Donnerstag (01.09.2022) ihr Urteil.

Vater von Hilal wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt

Ein Jahr und drei Monate auf Bewährung wegen fahrlässiger Körperverletzung – so lautet das Urteil gegen den Vater der vermisste Hilal aus Hamburg. Anfang April soll er seine Ehefrau mit einem Messer leicht verletzt haben.

Die Staatsanwältin hatte nach Abschluss der Beweisaufnahme eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren beantragt. Ihrer Aussage zufolge habe die Familie nach dem Verschwinden von Tochter Hilal niemals Frieden gefunden. Zudem habe die Staatsanwältin keinen Tötungsvorsatz erkennen können, auch die Frage nach der Schuldfähigkeit des Familienvaters sei von Relevanz. Sie hob zudem hervor: „Ich möchte – unabhängig von der Schuldfähigkeit – betonen, dass Hilals Verschwinden mit dieser Tat nichts zu tun hat“.

Anwältin des Angeklagten: „Heute geht ein Verfahren zu Ende, das eigentlich eine Tragödie ist“

Ein Psychiater hatte zuvor im Rahmen der Beweisaufnahme erklärt, der 57-Jährige habe sich, seitdem seine Tochter vermisst werde, charakterlich stark verändert und sei in ein tiefes Loch gefallen. Der Familie sei alles genommen worden und gerade die nagende Ungewissheit, was mit der kleinen Hilal geschehen war, sei das Schlimmste für den Familienvater gewesen. Noch heute habe er Albträume und durchlebe das Verschwinden seiner Tochter immer wieder aufs Neue. Eine schwere Depression konnte der Facharzt jedoch nicht attestieren. Die Symptome, die der Mann aufweise, könnten jedoch auf eine posttraumatische Belastungsstörung hindeuten.

Die Anwältin des Familienvaters plädierte auf Freispruch. Sie betonte, dass seine Familie hinter dem Angeklagten stünde und auch seine Frau ihn nicht im Gefängnis sehen wolle. Zusammenfassend sagte sie: „Heute geht ein Verfahren zu Ende, das eigentlich eine Tragödie ist.“

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Seine Familie stand geschlossen hinter dem Angeklagten

Die Richter des Hamburger Landgerichts begründeten ihr Urteil mit der eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten, die sich für sie aus dem Verschwinden der kleinen Hilal ergibt. Diese werteten sie unter anderem zu Gunsten des Familienvaters.

Nach Verkündung des Urteils zeigte sich die Familie erleichtert, umarmte den 57-Jährigen und weinte. Bereits während der Verhandlung war die Familie geschlossen aufgetreten, gerade seine anwesenden Kinder lächelten ihren Vater an und nickten ihm aufmunternd zu, wie unsere RTL-Reporterin beobachten konnte.

Vater verlor Kontrolle, weil seine Frau sich trennen wollte

Am 05. April dieses Jahres erlebte die Familie der vermissten Hilal einen erneuten Schicksalsschlag: Der Familienvater soll seine Ehefrau mit einem Messer angegriffen haben, als diese von der Arbeit nach Hause kam. Eine Tochter des Paares ging dazwischen und wurde wie ihre Mutter leicht verletzt, konnte ihren Vater aber zum Aufhören bewegen. An die Tat selbst will sich der Angeklagte nicht mehr erinnern können, erst das Flehen seiner Tochter habe ihn wieder zu Sinnen kommen lassen.

Als Grund für seinen Angriff nennt der Angeklagte in einer Erklärung, die seine Anwältin bei Prozessauftakt vor Gericht verlas, dass seine Frau sich von ihm habe trennen wollen. Laut Psychiater will der Angeklagte zudem überhört haben, wie seine Frau einer gemeinsamen Tochter gesagt habe, dass sie ihren Ehemann nie geliebt habe. Diese Äußerung habe ihn derart gekränkt, dass er die Kontrolle verlor. Das Paar lebte in einer arrangierten Ehe. Seit dem Verschwinden der gemeinsamen Tochter Hilal vor 23 Jahren habe der 57-Jährige zudem mit psychischen Problemen zu kämpfen.

Seit 23 Jahren fehlt von Hilal jede Spur

Die gemeinsame Tochter des Ehepaares, Hilal, verschwindet am 27. Januar 1999 im Alter von zehn Jahren spurlos. Zuletzt gesehen wurde das kleine Mädchen in einer Einkaufspassage wenige Meter von ihrem Zuhause in Hamburg-Lurup entfernt. Die Polizei startete daraufhin eine der größten Suchaktionen in der Hamburger Nachkriegsgeschichte, die bisher nicht aufgegeben wurde. Bis heute verfolgt die Polizei neue Spuren – jedoch seit 23 Jahren ohne Erfolg. (xas)