Trendwende wegen Corona?

Großstadt-Boom zu Ende

ARCHIV - Über den Rhein führt die Hohenzollernbrücke - vorbei am Dom - zum Hauptbahnhof in Köln. (Archivfoto vom 26.07.2005). Die Anwohner des Rheins und seiner Zuflüsse bis zur Stadt Köln schnupfen einer Wasseranalyse zufolge rund neun Tonnen Kokain im Jahr. Das schließen Wissenschaftler des Nürnberger Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung aus der Messung eines Kokain-Abbauprodukts im größten deutschen Fluss. Auf seinem Weg bis Köln nehme der Rhein das Abwasser von fast 40 Millionen Menschen auf, erläuterte Institutschef Prof. Sörgel am Mittwoch (22.11.2006). Für ganz Deutschland ergebe sich aus den Messwerten ein grob geschätzter Jahresverbrauch von rund 20 Tonnen Kokain. Foto: Oliver Berg dpa/lnw (zu dpa 0383 vom 22.11.2006) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die Zahl der Geburten ist in Köln besonders deutlich gefallen, in Duisburg sogar extrem.

Hohe Mieten, unbezahlbare Immobilien – der Großstadt-Boom schien über Jahre keine Grenzen zu kennen. Doch Corona könnte zu einer Trendwende führen. Denn eine Studie hat jetzt herausgefunden: Die meisten Städte in Deutschland schrumpfen, einige sogar extrem.

Nur Leipzig, Hamburg und München wachsen leicht

Die Corona-Pandemie hat das Wachstum der Großstädte in Deutschland ausgebremst. Zu dieser Einschätzung kommen Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) nach einer Auswertung von Einwohnermeldedaten der 15 größten deutschen Städte. Verantwortlich dafür seien eine geringere Zuwanderung, weniger Geburten und mehr Sterbefälle im ersten Corona-Jahr 2020, schreiben die Forscher um Prof. Dieter Rink in einem Diskussionspapier. Auch für 2021 sehen die Wissenschaftler eher negative Vorzeichen.

Die Wissenschaftler haben sich die Bevölkerungsentwicklung in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Köln, München, Leipzig, Dresden, Hannover, Düsseldorf, Essen, Bremen, Stuttgart, Nürnberg, Dortmund und Duisburg angeschaut. Am Ende der 2010er Jahre seien diese Städte fast ausnahmslos gewachsen, im Mittel um ein halbes Prozent (0,55) zwischen 2017 und 2018. 2019 lag das Wachstum bei 0,36 Prozent. 2020 stand dagegen ein durchschnittliches Minus von 0,18 Prozent. Mit Leipzig, Hamburg und München hätten nur noch drei der Städte ein kleines beziehungsweise moderates Wachstum verbuchen können.

Sterbefälle deutlich höher als Geburten

Für die Großstädte sei die Zuwanderung aus dem Ausland sowie aus dem ländlichen Raum zuletzt von großer Bedeutung gewesen. 2020 habe es da Einbrüche gegeben. Bei den Zuzügen schlug über alle Kommunen ein Minus von knapp 17 Prozent zu Buche, während die Fortzüge um 9 Prozent sanken.

Laut den Forschern sind die Zuzüge in München, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt/M. und Bremen zwischen 18 und 21 Prozent gesunken, in Duisburg sogar um 34 Prozent. Duisburg ist jedoch auch die Stadt, in der die Zahl der Wegzüge am stärksten gesunken ist (22 Prozent). Andere Städte in denen die Wegzüge sehr stark zurückgingen sind Nürnberg, Bremen, Dortmund, Frankfurt/M. und Hamburg (weniger als 9 Prozent).

Auch das Verhältnis von Geburten zu Sterbefällen sei voriges Jahr ungünstig gewesen: Einem Geburtenrückgang von 2,5 Prozent stand in den Städten ein Anstieg der Sterbefälle um knapp 5 Prozent gegenüber. Besonders deutlich ist laut der Studie die Zahl der Geburten in Frankfurt/M., Bremen, Köln, Stuttgart (-3,5 Prozent) und insbesondere Duisburg (-8 Prozent) gefallen. Nur in München und Leipzig ist die Zahl leicht gestiegen (+0,5 Prozent).

„Wie es aussieht, wurden im ersten Corona-Jahr 2020 langjährige Trends der Einwohnerentwicklung in Deutschlands 15 größten Städten gebremst beziehungsweise unterbrochen“, schreiben die UFZ-Forscher. Auch für 2021 erwarten sie weiter rückläufige Einwohnerzahlen. Es sei zu vermuten, dass sich „nur noch geringe Wachstumsraten, Stagnation und vermehrt Schrumpfung beobachten lassen“. (dpa/aze)