Skandal in Großbritannien
Hunderte Sexualstraftäter untergetaucht: Weil sie ihren Namen änderten

In den letzten drei Jahren sind in ganz Großbritannien 729 als Sexualstraftäter registrierte Personen wie vom Erdboden verschwunden und gelten als vermisst, berichtet der öffentlich-rechtliche Sender BBC. Der Hauptgrund für ihr Verschwinden seien Namensänderungen, die jedoch ganz legal durchgeführt wurden. Missbrauchsopfer fordern nun neue Gesetze.
Abgeordnete: "Verschwinden von Sexualstraftätern ist ein Skandal"
Wer in Großbritannien als Sexualstraftäter gilt, wird ins Register für Sexualstraftäter aufgenommen. Dort verbleibt man auch nach der Entlassung aus dem Gefängnis und ist verpflichtet persönliche Angaben wie Adresse, Passdaten oder auch den Namen und auch alle Decknamen immer selbstständig zu aktualisieren. Sprich: Ändert ein Sexualstraftäter seinen Namen, muss er dies melden - und zwar innerhalb von drei Tagen. Hält er diese Frist nicht ein, drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.
Diese Strafe ist für einen Teil der Täter aber scheinbar nicht abschreckend: Laut BBC Recherchen hätten zwar knapp 1500 registrierte Sexualstraftäter die Polizei über rechtmäßige Namensänderungen informiert, ein Großteil aber tat das nicht und konnte so vom Radar der Polizei verschwinden. „Das schiere Ausmaß der Verstöße und des Verschwindens von Sexualstraftätern ist ein Skandal“, sagt die Abgeordnete Sarah Champion gegenüber dem Sender. „Das derzeitige Benachrichtigungssystem funktioniert eindeutig nicht.“
Sexualstraftäter ändert zwei Mal seinen Namen und missbraucht weiter
Bereits seit Jahren fordern Abgeordnete und Aktivisten strengere Gesetze, die es Sexualstraftätern nicht erlauben, ihren Namen zu ändern und ein sorgenfreies Leben zu haben. Auch die Engländerin Della Wright verlangt ein Verbot der Namensänderung von Menschen, die ins Register für Sexualstraftäter aufgenommen wurden. Denn das momentane System sei „viel zu simpel“ und "anfällig für Missbrauch“, sagt die heutige Botschafterin der Organisation „The Safeguarding Alliance“, die sich für den Schutz von Kindern und Jugendlichen einsetzt.
Della Wright will mit ihrer Arbeit anderen ersparen, was sie selbst erleben musste: Im Alter von sechs und sieben Jahren wird sie von ihrem Betreuer Terry Price missbraucht. Erst Jahre später, als sie die Kraft entwickelt ihren Peiniger als junge Erwachsene anzuzeigen, kommt heraus, dass der Mann weitere diverse Sexualverbrechen begangen hat. Allerdings unter anderem Namen. Mindestens fünf Mal soll er für ein paar Pfund die Identität gewechselt und dann mit seiner weißen Weste Kindern nah gekommen sein. Auch als Wrights Fall endlich vor Gericht kommt, ist es ihm möglich, seinen Namen zu ändern und den Prozessablauf damit zu behindern und seinem Opfer erneut zu demütigen.
Della Wright klagt im Interview mit BBC: „Es sollte nicht Sache der Opfer und Überlebenden sein, die Regierung zu bitten, etwas dagegen zu unternehmen.“ Für sie bringe dieses Recht auf Täter-Anonymität ein "falsches Gefühl der Sicherheit" für die Überlebenden mit sich.
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Namensänderungen von Sexualstraftätern "in die zu schwierig Schublade gewandert"
Bereits im März 2022 wurde der ehemalige Polizeichef von Derbyshire, Mick Creedon, vom Innenministerium ernannt, um den Umgang der Polizei mit registrierten Sexualstraftätern zu überprüfen. Auch der Umfang der Namensänderungen von Straftätern sei intern geprüft worden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind jedoch bis heute nicht veröffentlicht worden. „Es ist beunruhigend zu sehen, dass Geld und Zeit dort hineingesteckt wurden und wir keine greifbaren Ergebnisse oder Schlussfolgerungen gesehen haben“, sagt Abgeordnete Champion im Interview und fügt hinzu: „Im Grunde ist dieses Thema in die 'zu schwierig'-Schublade gewandert."
Sarah Champion ist es nun gelungen, das britische Parlament auf das Problem aufmerksam zu machen. Am 2. März 2023 werden die Parlamentsabgeordneten über die Namensänderungen von Sexualstraftätern debattieren.