Polizei empört, Uni distanziert sich

Serie sexueller Belästigung an der FU Berlin: AStA rät Studierenden, nicht die Polizei einzuschalten

Die FU Berlin zählt rund 38.000 Studierende und hat ihren zentralen Campus in Berlin-Dahlem im Bezirk Steglitz-Zehlendorf.
Die FU Berlin zählt rund 38.000 Studierende und hat ihren zentralen Campus in Berlin-Dahlem im Bezirk Steglitz-Zehlendorf.
deutsche presse agentur

An der FU Berlin belästigt ein Mann wiederholt Frauen. Statt bei der Polizei anzurufen, empfiehlt der Studierendenausschuss in einer Rundmail, ihn einfach wegzuschicken und zur Not die Uni-Security zu holen – nicht aber die Polizei! Grund: Der womöglich labile Mann könnte von „Rassismus“ und „Gewalt“ bedroht sein. Die Berliner Polizei reagiert empört. Auch die Uni selbst ist anderer Ansicht.

Mann belästigt immer wieder Studentinnen

In einer Rundmail an Studierende warnt der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Freien Universität Berlin aktuell vor einem Mann, der mehrfach am Campus Frauen belästigt haben soll. Seit Mitte Januar habe er auf dem Uni-Gelände offiziell Hausverbot. „Noch können wir nicht einschätzen, ob er sich daran hält“, schreibt der AStA. Bislang habe sich der Mann „nicht einsichtig“ gezeigt. Er befinde sich offenbar in einem „psychischen Ausnahmezustand“.

AStA informiert über Schutzmaßnamen – aber für wen eigentlich?

Für alle, die dem Mann begegnen, hat der AStA, der selbst ausschließlich aus Studierenden besteht, eigene Ratschläge: Zunächst solle man ihn wegschicken und auf das Hausverbot verweisen. Außerdem könne man sich auch an den Sicherheitsdienst der Uni wenden, schreiben die Verfasser.

Davon, die Polizei einzuschalten, hält der AStA in diesem Fall offenbar nicht viel: Es sei „natürlich in eurem Ermessen“, ob die Polizei hinzugezogen werde, heißt es in der Mail. „Wir möchten jedoch unbedingt darauf hinweisen, dass Polizeieinsätze für von Rassismus betroffene Menschen grundsätzlich mit einem erhöhten Risiko einhergehen, Polizeigewalt zu erfahren.“ Dabei geht es offenbar um die eth­ni­sche Her­kunft des Mannes. Zudem, so der AStA, seien die meisten Polizeibeamten „nicht ausreichend im Umgang mit psychischen Ausnahmezuständen geschult“. Durch einen „unnötigen Einsatz von Gewalt“ würden Einsätze oft eskalieren. Alternativ verweist der AStA auf den Sozialpsychiatrischen Dienst. Allerdings könne dieser nur eingreifen, wenn das Einverständnis der beteiligten Personen, auch das des Mannes, vorläge.

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Polizei kontert und auch Uni widerspricht

Die Berliner Polizei kritisiert die Aussagen des AStA: „Opfern von sexueller Gewalt von einer Strafanzeige abzuraten, kann langwierige Folgen für die Psyche der oder des Betroffenen haben“, sagte Sprecherin Beate Ostertag der „Berliner Morgenpost“. „Das Ohnmachtsgefühl und die Hilflosigkeit, die im Erleben der Straftat entsteht, können sich verfestigen.“ Daneben gebe es Möglichkeiten aus dem Gefahrenabwehrrecht, um gegebenenfalls weitere Opfer vor Übergriffen zu schützen.

Auf Twitter warnte die Deutsche Polizeigewerkschaft vor einer Täter-Opfer-Umkehr.

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Auch die Freie Universität selbst distanziert sich von den Empfehlungen seines Studierendenausschusses. In einem schriftlichen Statement der Pressestelle gegenüber dem Tagesspiegel heißt es: „Mitglieder und Gäste der Freien Universität sollten, wenn Gefahr in Verzug ist oder sie oder andere Personen in eine Notsituation geraten, den Notruf der Polizei wählen“.

Mann ist kein Unbekannter

Weil die Beschwerden sich in jüngster Zeit häuften, wolle der AStA nun möglichst viele Menschen informieren, hieß es in dem Rundschreiben. Der darin namentlich genannte Mann soll Frauen gegenüber bereits mehrfach übergriffige, sexistische Kommentare gemacht haben. Sogar Androhungen körperlicher Gewalt habe es schon gegeben. Mindestens eine Person habe er über einen längeren Zeitraum gestalkt. Zu körperlichen Übergriffen sei es bislang nicht gekommen. Laut dem „Tagesspiegel“ gibt der Mann auf diversen Portalen im Internet an, in den 90er-Jahren selbst an der FU studiert und bis vor wenigen Jahren auch promoviert zu haben. Aktuell sei er demnach „Philosoph und Künstler“. (lmc)