Anwohner sind wenig begeistert
Obstfirma "schießt" mit Kanonen auf ungeliebte Hagelkörner

Ein fünfminütiger Hagelschauer kann die Obsternte einer ganzen Saison zunichtemachen. Um das zu verhindern, hat ein Obst- und Gemüsehandel aus Sachsen sieben Hagelschutzkanonen angeschafft. Bei vielen Anwohnern stoßen sie allerdings auf Unmut.
Verhindern Hagelschutzkanonen auch Regen?
"Es klingt wie in einem Artilleriegefecht", beschreibt Anwohner Roland Kühnel die Hagelschutzkanonen, wenn sie in Betrieb genommen werden. Er setzt sich gegen die Kanonen ein, sucht das Gespräch mit der Obstland AG, einem Obst- und Gemüsehandel aus Grimma. Denn die Lautstärke der Kanonen sei nur das kleinere Übel, sagt er – sie verhinderten auch Regen. "Die Kanonen gingen los, und innerhalb von wenigen Minuten war die Gewitterwolke verschwunden", sagt er. Diese Beobachtung will Kühnel in den vergangenen zehn Jahren nicht nur einmal gemacht haben. Für ihn sind die Hagelschutzkanonen vor allem ein Eingriff in die Umwelt.
Druckwellen sollen Hagelschlag verhindern

Jan Kalbitz vom Vorstand der Obstland AG erklärt auf RTL Anfrage die Funktionsweise der Kanonen: "Durch Druckwellen wird die Obstplantage vor Hagelschlag geschützt. Ein Acetylen-Luft-Gemisch wird zur Explosion gebracht. Dadurch verwirbeln die Wolkenschichten, und das Anwachsen von Eis- und Hagelkörnern wird unterbunden." Knapp 1.700 Hektar ist die Obstplantage der Obstland AG in Sachsen groß, und bereits ein fünfminütiger Hagelschauer würde ausreichen, um die komplette Ernte von einem Jahr zu zerstören.
Die Alternative zu den Hagelschutzkanonen ist laut Jan Kalbitz ein Hagelnetz. Damit müsste man das komplette Obst bedecken, um es zu schützen. Für die Obstland AG sind diese Netze allerdings erstmal keine Alternative: "Diese sind sehr kostenintensiv, und der optische Eindruck der Landschaft würde mit Plastik verschandelt werden" so Jan Kalbitz.
Physiker hält die Kanonen für Humbug
Prof. Micheal Schreiber, Physiker an der TU Chemnitz, hat eine ganz andere Meinung zu den Kanonen: "Das Einzige, was diese Maschinen können, ist die Beeinflussung der Trommelfelle in der Umgebung." Aus seiner Sicht ist die Entfernung der Kanone zur Gewitterwolke viel zu hoch. Die Druckwelle müsste eine Höhe von vier Kilometern erreichen, um tatsächlich die Bildung von Hagelkörnern zu unterbinden. Laut Prof. Schreiber ist physikalisch unmöglich.
Und eine Hagelschutzkanone kostet satte 40.000 Euro. Dafür, dass sie nur Lärm macht? Schreiber beschreibt dieses Phänomen so: "Diese Maschinen gibt es bereits seit Jahrhunderten, und schon damals haben die Menschen geglaubt, es gebe weniger Hagelschauer." Was nicht da ist, kann man nicht messen. Roland Kühnel will trotzdem nicht aufgeben. Als Nächstes ist ein Gespräch mit dem Bürgermeister der Stadt Grimma geplant.