Das Rätsel um den 120-Millionen-Euro-Kunstraub
Warum stiehlt man ein Gustav Klimt-Gemälde und bringt es wieder zurück?

Das teure "Bildnis der Frau" des österreichischen Malers Gustav Klimt war am 22. Februar 1997 aus der Gallerie verschwunden. 22 Jahre lang war es das meistgesuchte Ölgemälde der Welt. Und dann tauchte es Ende letzten Jahres plötzlich wieder auf. Eine sehr skurrile Räubergeschichte aus dem norditalienischen Piacenza. Der Präsident des Kunstmuseums, Massimo Ferrari, ist sich sicher: Das vermisste Gemälde hat niemals über die Zeit in einem Zwischenraum der Außenwand der Galerie gelegen. Wir haben nachgefragt, warum das unmöglich ist.
Das "Bildnis der Frau" war in einem perfekten Zustand
Warum kann das weltberühmte Bild, dessen Wert heute auf 120 Millionen Euro geschätzt wird, nicht im Zwischenraum der Galerie gewesen sein? „Weil das Gemälde, die Rahmung, die Siegel, alles in einem perfekt konservierten Zustand waren“, erklärt Massimo Ferrari. Wo sich das Bild in Wirklichkeit befand, können vielleicht zwei Männer sagen, die sich in Piacenza vor einigen Tagen der Polizei freiwillig stellten. Dabei geht es um zwei Personen, die als „Profi-Einbrecher“ bekannt sein sollen - einer von ihnen habe den Spitznamen „Spiderman“. Ob die Schuldbekenntnis stimmt, sei dem Präsidenten der Galerie vollkommen egal. Er genießt nur das Glück, das Meisterwerk des Wiener Malers wieder zurückzuhaben.
Die Mona Lisa von Piacenza
Für den Klimt wird nun ein ganzer Saal im Museum freigeräumt, er wird so etwas wie die Mona Lisa von Piacenza. Im Italienischen sagte er auch gar nicht „Glück“, sondern im Original-Ton das familiäre Wort für Sitzfleisch, „culo“. Und „culo“ hatte die Galerie, dieses Meisterwerk der Moderne urplötzlich wieder zu bekommen.
Das Geheimnis um das Bild aber ist noch längst nicht gelöst. Am 22. Februar 1997 war es aus der Gallerie verschwunden, wo es seit 1923 hing, eine Spende des Galleriegründers, gekauft für damals schon die beträchtliche Summe von 30.000 italienische Lire. Die italienische Beamten kamen den Dieben damals nicht auf die Spur. War es durch das Dach entwendet worden? Darauf deutete der Holzrahmen hin, den man am Lichtfenster auf dem Dach gefunden hatte.
Es gab jedoch keine Zeichen eines Einbruches und leider war die Alarmanlage an diesem Tag ausgeschaltet. Es könnte Hilfe „von innen“ – vielleicht vom Wachpersonal gegeben haben? Das lag nah, sichtbare Spuren eines Einbruchs gab es nicht, aber klare Indizien eben auch nicht. So blieb das Bildnis Klimts verschwunden. Im Jahr 1997, beim Verschwinden, hatte es einen geschätzten Wert von damals 3,5 Milliarden italienische Lire, umgerechnet 1,5 Millionen Euro. Mittlerweile beträgt der Marktwert wohl 120 Millionen Euro.
Das "Bildnis der Frau" entstand zwischen 1916 und 1917

Wiedergefunden wurde das Bild am vergangenen 10. Dezember vollkommen zufällig, bei Gartenarbeiten. Eine Story, die wie eine Räuberpistole klingt. Klimt hätte sie gefallen. Gartenarbeiter wollten Efeu von einer Außenwand entfernen, dabei entdeckten sie eine überwucherte Luke, dahinter einen kleiner Raum und darin, in einem schwarzen Plastiksack, lag das Bildnis, noch im Rahmen, mit allen Siegeln und Lacken, wie das Original beschrieben worden war.
Das nun wiederentdeckte Bild ist Teil einer ganzen Serie von Frauenporträts, die Klimt in seinen letzten Lebensjahren zwischen 1912 und 1918 angefertigt hat und um das Bild selber rankte sich noch ein weiteres Geheimnis, welches nun der Polizei von Piacenza half, die Authentizität des wiedergefundenen Gemäldes zu bestätigen.

Unter dem heutigen Frauenportrait verbarg sich nämlich ein anderes Frauenportrait, immer gemalt von Klimt, welches aber seit 1912 als verschollen galt. Im 1996 war der damals 18-jährigen Schülerin Claudia Maga, die für die Schule die Bilder der Galerie studieren sollte, die große Ähnlichkeit des Bildnisses der Frau von Piacenza mit dem Portrait der verschollenen geglaubten Frau mit schwarzem Hut aufgefallen: Daraufhin wurde die „Frau von Piacenza“ mit Röntgentechnik untersucht und siehe da, die Schülerin hatte etwas bemerkt, was Generationen von Kunstsachverständige nicht bemerkt hatten: Klimt musste das erste Bildnis, nur einmal in Dresden ausgestellt, übermalt haben: Aus der Dame mit dem dunklen Hute war eine Dame mit dunklen Haaren geworden, vor grünem Hintergrund. Das durchleuchtete Bild gab sein Geheimnis preis- es war dasselbe. Nur 10 Monate später aber wurde das Bild gestohlen. Die wildesten Spekulationen wurden über den Verbleib angestellt. Angeblich habe der wegen Korruption in Italien mit Haftbefehl gesuchte ehemalige Chef der Sozialistischen Partei Bettino Craxi das Bild mit ins tunesische Exil genommen. Es tauchten auch schlecht gemachte Fälschungen auf.
Das Bildnis blieb verschwunden. Also die Gärtner es nun wiederfanden, musste die Authentizität zweifelsfrei nachgewiesen werden. Und nun wurde wieder das Bild mit Röntgenstrahlen untersucht, wenn auch nun direkt in der Kriminaltechnik der Polizei und nicht mehr im Krankenhaus von Piacenza, wie noch 1996. Direktor Ferraris konnte es am 18. Januar freudig verkünden: „Das Bild ist echt“. Den entscheidenden Beweis lieferte die von der Schülerin durch kluge Beobachtung entdeckte „Doppelstruktur“, das übermalte Bild. Das hätte kein Fälscher hinbekommen.
Waren Spuren der Täter am Gemälde und am Müllsack?
Für die Polizei ist der Fall aber noch nicht abgeschlossen. Sie prüft, ob die beiden Personen, die sich als Diebe offenbart hatten, den Klimt tatsächlich in den schwarzen Müllsack gepackt haben. Das könnte man ja nachweisen. Klar ist nur, dass der Klimt dort, im Versteck unter dem Efreu nicht lange gelegen hat, das bestätigt der Präsident. Überdies erzählt Ferrari, dass man vor drei Jahren genau im „Klimt-Versteck“ einen Stromzähler gesucht und nichts gefunden habe: Die „Dame aus der Wiener Gesellschaft“ hat ihr Geheimnis noch nicht offenbart.