Unfalldrama um Ex-NBA-Star

Die Karriere des NBA-Sonderlings Shawn Bradley

FILE - In this Feb. 17, 2001, file photo, Dallas Mavericks center Shawn Bradley reacts as he argues a defensive foul he was charged with during the second quarter of an NBA basketball game against the Washington Wizards in Dallas. Former NBA player Shawn Bradley was paralyzed when he was struck from behind by a vehicle while riding a bike near his Utah home, saying in a statement nearly two months after the accident he intended to bring awareness to bicycle safety. (AP Photo/Bill Janscha)
Typen wie Shawn Bradley hat es in der NBA nicht allzu oft gegeben.
DB JSZ WFJ, AP, BILL JANSCHA

Shawn Bradley spielte einst an der Seite von Dirk Nowitzki bei den Dallas Mavericks und in der deutschen Nationalmannschaft. Jetzt ist "Siggi" schwer verunglückt. Der Mann, der Basketball so anders aussehen ließ, wird nicht mehr laufen können.

Eine Ausnahme unter den Brettern

Wenn sich Shawn Bradley mit Gheorge Muresan duellierte, dann erlebte die physische NBA eine brutale Entschleunigung. Dann ging es nicht um Sprungkraft, um krachendes Dunking-Spektakel oder um wilde Fadeaways. Wenn sich Bradley mit Muresan duellierte, dann ging's vor allem um Zentimeter, um 460 im Ganzen, fast paritätisch verteilt auf zwei schlacksige Körper. Muresan zählte 231, er war damit der größte NBA-Profi aller Zeiten, Bradley maß 229 Zentimeter. Was die Beiden elementar unterschied: das Gewicht. Muresan brachte fast 150 Kilo auf die Waage, Bradley nur 107. Das sah schon eigenartig aus. Nicht nach NBA.

Es war aber NBA. Und zwar 12 Jahre lang, ehe ihn gesundheitliche Probleme zur Aufgabe zwangen. Die Geschichte von Shawn Bradley ist durchaus bemerkenswert, denn sie erzählt die eines Sonderlings unter den Brettern. Die 90er, das waren die beeindruckenden Jahre der athletischen Center - trotz eines Michael Jordan, eines Charles Barkley, eines Karl Malone und des alten "Magic" Johnson. In den 90er-Jahren, da vermöbelten sich Alonzo Mourning, Patrick Ewing, Hakeem Olajuwon, Shaquille O'Neal, Dikembe Mutombo, David Robinson, Rik Smits oder aber Vlade Divac gegenseitig an den Körben. Es waren Duelle mit Dynamik, aber vor allem mit Physis. Eine Physis, die Bradley nie hatte.

Der Zahnstocher unter den großen Jungs

 Shawn Bradley Mavericks
So sehen 229 Zentimeter aus.
www.imago-images.de, imago images/Sauer, via www.imago-images.de

Bradley, das war der Zahnstocher unter den großen Jungs. Oft nicht ganz ernst genommen, aber dennoch gefürchtet. Denn Bradley hatte seine Arme überall. Und in der Defensive oft zuletzt am Ball. 2219 Bälle hat er geblockt, damit er für die Philadelphia 76ers, für die New Jersey Nets und die Dallas Mavericks über 4400 gegnerische Punkte verhindert. Eine Zahl, die locker reicht, um weit über 40 Spiele zu gewinnen. Mit den 2219 Blocks steht er in der ewigen Bestenliste auf Rang 15, mit der durchschnittlichen Zahl von 2,55 pro Spiel liegt er sogar auf Rang neun.

Wenn Bradley seine Arme zum Block ausfuhr, da kam er nicht überraschend und spektakulär aus dem Parkett-Nirvana angerauscht. Dann schepperte er seinem Gegner die Bälle nicht wütend aus dem Slam-Dunk-Anflug, nein, Bradley servierte den Ball höflich ab. Ein Chef-Kellner am Ring. Wie wundervoll anders er das tat, das zeigt eine Szene aus seinem wohl besten NBA-Spiel. Gegen die alles überragenden Chicago Bulls mit Jordan, Dennis Rodman Ron Harper und Toni Kukoc nahm er dem Kroaten ein Layup in unvorstellbarer Höhe weg. Nicht mit einem BÄM, eher mit einem PSSST. Einfach weggechippt. Und mit dieser leisen Art seines Spiels setzte er in der Dynastie der lauten Giganten seine Spuren. Die Saison 1995/96, 1996/97 und 1997/98, das waren seine. Danach baute er ab, auch weil er bei Dallas Mavericks spielte, die ihr Spiel ab dem Jahr 1999 auf den großen Power Forward Dirk Nowitzki konzentrierten.

Gemeinsam spielten Bradley und Nowitzki auch für Deutschland. Doch die Einbürgerung und Nominierung des im pfälzischen Landstuhl geborenen Riesen war im Vorfeld der EM 2001 mächtig umstritten. Denn für den Center flog Vladimir Bogojevic, einer der damals besten deutschen Aufbauspieler, aus dem Kader. Laut internationalem Reglement durfte nämlich nur ein eingebürgerter Akteur im Kader einer Nationalauswahl stehen. Das Turnier beendet die DBB-Auswahl auf Rang, verpasste in einem Halbfinal-Drama gegen die Türkei (78:79) die Sensation nur hauchzart.

Nun musste "Siggi", wird er im genannt wurde, einen schweren Schicksalsschlag verkraften. Der 48-Jährige, der 2005 mit dem Basketball aufgehört hatte, ist nach einem Verkehrsunfall querschnittsgelähmt. Der Unfall hatte sich nach Angaben der Mavericks am 20. Januar in seinem Wohnort St. Goerge im US-Bundesstaat Utah ereignet, als er von hinten von einem Auto erfasst worden war. Nach einer Operation verbrachte er die zurückliegenden acht Wochen im Krankenhaus und begann bereits dort mit der Rehabilitation. Die Ärzte hätten ihm gesagt, dass es ein langer und mühsamer Weg werde, hieß es in der Mitteilung.

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"Einer der nettesten Jungs da draußen"

Die Nachricht sorgte für große Bestürzung in der NBA, ganz besonders bei den Mavericks. "Unsere Herzen, Gedanken und Gebete sind bei Shawn Bradley", sagte Coach Rick Carlisle. "Wir hoffen, dass es ihm besser geht. Es ist eine sehr tragische Nachricht." Klub-Besitzer Mark Cuban betonte, Bradley habe "schon immer enormen Kampfgeist" gehabt und schickte seinem ehemaligen Spieler beste Wünsche. Devin Harris, dessen erste-NBA Saison bei den Mavericks gleichzeitig Bradleys letzte war, sagte: "Einer der nettesten Jungs da draußen. Du sprichst von einem sanften Riesen, dann kommt dir Shawn in den Sinn. Er nahm mich damals unter seine Fittiche, zeigte mir die Vor- und Nachteile und wie ich mich in der Community engagieren kann. Er ist der Typ, der dir das Hemd von seinem Rücken geben würde."

Bradley selbst lässt sich von dem schweren Schlag aber offenbar nicht unterkriegen. Der streng gläubige Mormone richtete laut Angaben seiner Frau Carrie den Blick bereits wieder nach vorne und nehme die schwere Situation an. Er wolle seine Kraft nutzen, um ein größeres öffentliches Bewusstsein für die Bedeutung der Fahrradsicherheit zu schaffen.