Italien und Co. spielen um Nations-League-TitelStell dir vor, es ist feinster Fußball - und keinen interessiert's

Soccer Football - Euro 2020 - Semi Final - Italy v Spain - Wembley Stadium, London, Britain - July 6, 2021 Italy's Leonardo Bonucci and Giorgio Chiellini react during the penalty shoot-out Pool via REUTERS/Carl Recine
Giorgio Chiellini (r.) jubelt im Elfmeterschießen gegen Spanien.
mb, Pool via REUTERS, CARL RECINE

Große Namen, feiner Fußball – und ein dicker Pokal. In dieser Woche stehen echte Leckerbissen auf dem europäischen Fußball-Tisch, auch wenn das an vielen Menschen vorbeigeht und dem Großteil der Fans möglicherweise sogar egal ist. Die Nations League lädt zum Final Four. Mit dabei ist die Crème de la Crème: Europameister Italien, Weltmeister Frankreich, Spanien und Belgien.

Nächster Pokal für Italien?

Die Altstar-Recken Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini jagen jetzt also den nächsten Titel. Europameister Italien kann nur drei Monate nach dem Gewinn der Europameisterschaft in Wembley schon wieder einen Pokal gewinnen – und das im eigenen Land. Im Halbfinale der umstrittenen Nations League spielt die „Squadra Azzurra“ im ehrwürdigen Giuseppe-Meazza Stadion in Mailand gegen Spanien. Im zweiten Semifinale treffen Belgien und Frankreich aufeinander.

Klangvolle Namen also. Dazu ein würdiger Rahmen im Mailänder WM-Stadion – und trotzdem versprüht die Nations League wenig Glanz oder Ruhm. Der Titel dient nicht gerade als großes Motivationsposter in der Umkleide. Und nicht mal die Spieler scheinen so 100-prozentig Gier darauf zu haben. "Wenn ich mich zwischen der Nations League und der Champions League entscheiden muss? Die Champions League!", sagte Belgiens Mittelfeldmann Axel Witsel. „Es ist keine Weltmeister- oder Europameisterschaft!“ Auch wenn er hinterher schob: "Wir sind extrem motiviert und wollen endlich einen Pokal gewinnen." Muss er ja auch sagen.

Nations League statt Freundschaftsspiele

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So sieht das Ding aus: Cristiano Ronaldo holte bei der Premiere 2019 den Pokal.
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An dieser Stelle ein kurzer Blick zurück: Die Nations League wurde 2018 von der UEFA eingeführt, um die Zahl der vielen belanglosen Freundschaftsspiele einzudämmen. Dafür gibt es nun mehr oder weniger belangvolle Spiele mit dem Anstrich in der Nations League. Erst in der Gruppenphase mit vier Teams, die Sieger der A-Liga dürfen dann um den Silberpokal spielen. Die sportliche Relevanz sollte künstlich erzeugt werden, so richtig verfangen hat sie jedoch noch nicht. Klar: Die Nations League kann als eine Art Notanker zu einer Quali bei der WM verhelfen, darauf sind die Top-Teams im Halbfinale aber ziemlich sicher nicht angewiesen.

Zusätzliche Belastung sind die Spiele in dieser Woche immerhin nicht. Die Teams im Halbfinale bekamen in der WM-Qualifikation eine Fünfergruppe zugelost, haben dadurch weniger Partien und in dieser Woche Quali-frei.

Wer sich nun fragt, warum das DFB-Team nicht im Final Four dabei ist. Deutschland scheiterte in der Gruppe D spektakulär, in Erinnerung ist vor allem die Schande von Sevilla (0:6), nach der der frühere Bundestrainer Joachim Löw hart angezählt worden war. Während Deutschland also in der Gruppenphase k.o. ging, zog Spanien als Gruppensieger ins Halbfinale ein.

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Spanien mit Not-Kader und 17-Jährigem

Und trotz aller Diskussionen um die Relevanz heißt es von Coach Luis Enrique: "Das ist ein Wettbewerb, den wir gerne gewinnen würden.“ Und auch sein Gegenüber Roberto Mancini versucht Enthusiasmus zu entfachen: „Es wäre doch fantastisch, wenn wir die Nations League gleich nach der Europameisterschaft gewinnen würden.“

Bei der Neuauflage des Halbfinales der EM 2021 (4:2 im Elfmeterschießen für Italien) müssen beide Teams auf zentrale Akteure verzichten. Mancini fehlen mehrere Offensivkräfte, unter anderem Ciro Immobile und Andreas Belotti.

Der Spanien-Kader wurde allerdings noch mehr durchgeschüttelt. Mehr als zwölf Spieler fallen aus. Trotzdem ist erneut ist kein Spieler von Real Madrid dabei, was Luis Enrique viel Kritik einbringt. Im Fokus: Der 17-jährige Gavi vom FC Barcelona. Er würde bei einem Einsatz zum jüngsten Spieler der Geschichte der spanischen Nationalmannschaft aufsteigen. Doch auch diese Personalie stieß den Kritiker sauer auf. „Ich hätte niemals einen 17-Jährigen berufen“, murrte Ex-Nationaltrainer Javier Clemente.

Donnarumma hofft auf vergebende Tifosi

Sein Debüt würde er in einem nur halbgefüllten Stadion feiern. Während Wembley im EM-Finale fast platzte, werden wegen Corona-Bedingungen nur 37.000 Zuschauer nach Mailand kommen. Viele blicken mit Spannung auf den Empfang für Rückkehrer Gianluigi Donnarumma. Der Milan-Keeper war im Sommer zu Paris St. Germain gewechselt. Viele Tifosi haben ihm das nicht verziehen, erste Plakate in der Stadt zeugen davon. „Hoffentlich werde ich von den Milan-Fans nicht ausgepfiffen“, sagte der Keeper im Vorfeld.

Neben dem Nicht-Ausgepfiffen-Werden sei der Titel das Ziel, klar. Aber viel wichtiger dürften für Italien und Co. die Qualispiele im November sein, wenn es um das WM-Ticket für Katar geht. Und für Italien steht noch was anderes Großes auf dem Spiel. Die Weltrekordserie von 37 Spielen in Folge ohne Pleite ist noch intakt. Am Sonntag soll sie bei 39 stehen und mit dem nächsten Titel gekrönt werden.

Und immerhin: Neben vielleicht nicht ganz so viel Ruhm und Ehre, dem 7,5 Kilogramm schweren Pokal gibt es auch einen dicken Batzen Geld zu gewinnen: 7,5 Millionen Euro. (msc)