Der Ruf, die Bahn und Löw

Das hat Wolfsburg nicht verdient!

VW-Stammwerk
Ein Blick auf Wolfsburg.
deutsche presse agentur

Der Pendler aus dem Westen nach Berlin kennt es. Der Pendler aus der Hauptstadt in den Westen ebenfalls: Dass der ICE in Wolfsburg hält, das ist längst keine ausgemachte Sache. Und nun fährt auch noch der Nationalmannschaftszug ohne Halt vorbei.

Jetzt rauscht auch noch der DFB-Zug vorbei

16.05.2021, Sachsen, Leipzig: Fußball: Bundesliga, RB Leipzig - VfL Wolfsburg, 33. Spieltag in der Red Bull Arena. Leipzigs Benjamin Henrichs und Wolfsburgs Ridle Baku (r) in Aktion. WICHTIGER HINWEIS: Gemäß den Vorgaben der DFL Deutsche Fußball Liga bzw. des DFB Deutscher Fußball-Bund ist es untersagt, in dem Stadion und/oder vom Spiel angefertigte Fotoaufnahmen in Form von Sequenzbildern und/oder videoähnlichen Fotostrecken zu verwerten bzw. verwerten zu lassen. Foto: Jan Woitas/dpa-Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Wolfsburger Ridle Baku fährt nicht zur EM.
cvi, dpa, Jan Woitas

Es gibt Städte, die lösen bei Menschen komische Emotionen aus. Bitterfeld gehört dazu. Oder auch Darmstadt. Was weniger am zweiten Teil des Stadtnamens liegen dürfte. Eine andere Stadt, die Menschen oft fremdeln lässt, ist Castrop-Rauxel. Das übrigens völlig zu Unrecht (was auch für Darmstadt gilt, vermutlich auch für Bitterfeld). Der schöne Erin-Park ist das Stichwort. Ein anderes: das wunderschöne Schloss Bladenhorst. Und noch eins: das angrenzende, spektakuläre Schiffshebewerk Henrichenburg. Es gibt durchaus noch weitere „places to be“. So. Und dann ist da auch noch Wolfsburg. Kennt jeder. Wegen Volkswagen. Wegen des VfL. Wegen der Deutschen Bahn. Oft genug lässt sie ihre Gäste von Berlin nach Hannover (oder umgekehrt) an der Stadt vorbeirauschen. Mal absichtlich. Mal nicht.

Und nun rauscht noch anderes Premium-Produkt „made in Germany“ an der Stadt einfach so vorbei: der Nationalmannschaftszug. In dem hatte Bundestrainer Joachim Löw 26 Plätze zu besetzen. Er schickte die Tickets nach München, nach London, nach Mönchengladbach, nach Dortmund, nach Leipzig, nach Bergamo, nach Frankfurt, nach Freiburg, nach Leeds. Nicht aber nach Wolfsburg. Nicht an Maximilian Arnold, der die wohl beste Saison seines Lebens spielt, nicht an Ridle Baku, der die Bundesliga mit seiner Rechtsverteidiger-Furore begeistert.

Ein denkbares Szenario: Die Lautsprecheransage am kleinen Bahnhof ertönt. "Es fährt durch, der ICE zur Fußball-EM. Bitte treten Sie zurück von der Bahnsteigkante." Dann kommt der Sog der Geschwindigkeit, von dem du dich mitnehmen lassen willst. Doch du bleibst stehen. Wolfsburger Realität. Tja, was zieht man daraus nun für eine Erkenntnis: Löw ist schlimmer als die Bahn? Die gibt wenigstens ab und an mal ein kurzes Gastspiel in der Stadt. Hoffnung aber naht: Nach der EM gibt es einen neuen Bundestrainer, womöglich ja einen, der von hier auch mal einen mit auf große Fahrt nimmt.

Ein kleines bisschen Gerechtigkeit?

Schleuse Henrichenburg wird gesperrt
Das Schiffshebewerk Henrichenburg ist durchaus sehr spektakulär.
deutsche presse agentur

Aber sind wir mal ehrlich: Ein Skandal ist die Ignoranz des Bundestrainers gegenüber den Fußballern des VfL nicht, bitter ist sie allemal. Für die Spieler, für den Club, für Wolfsburg. Das hat die Auto-Metropole einfach nicht verdient. Denn die Stadt und ihr Fußball, das ist über die Grenzen hinaus keine Geschichte der großen Gefühle. Die Volkswagenarena kein Sehnsuchtsort. Anders als das Ruhrstadion in Bochum etwa (von dort ist es übrigens nicht weit nach Castrop-Rauxel). Und die Stadt oftmals nicht die, in der die Stars leben wollten. Spieler wie Max Kruse oder Julian Draxler verbrachten ihre Zeit lieber in Berlin. Für das ohnehin nicht mit Euphorie verbundene Image war das Gift. Dass nun weder Kruse noch Draxler im EM-Kader von Löw stehen, vielleicht ist es ein kleines bisschen ausgleichende Gerechtigkeit.

Und für alle, die mit dem Image ihrer Stadt hadern, sei Folgendes zitiert. Von Kai Hawaii, dem Sänger der Deutschrockband „Extrabreit“. Über seine Heimatstadt Hagen schreibt er in seiner Biografie „Hart wie Marmelade“: Sie (die Stadt Hagen) hat den „Charme einer eingeschlagenen Fresse“. Aber, und das stammt nun nicht von Kai Hawaii, sie hat immerhin einen Nationalspieler mit Stallgeruch: Lukas Klostermann!