Landtagswahl Sachsen-Anhalt
Kenia-Koalition 2.0 - Gibt es eine Neuauflage des "Bollwerks gegen Rechts"?

Von Antje Rudolf
Fünf Jahre nach dem politischen Erdbeben in Sachsen-Anhalt werden die Karten am 06. Juni mit der Landtagswahl neu gemischt. 2016 schaffte es die AfD aus dem Stand mit 24,3 Prozent als zweitstärkste Partei in den Landtag und zwang die CDU zur ersten Kenia-Koalition auf Landesebene mit der SPD und den Grünen. Die CDU will erneut regieren, mit Reiner Haseloff als Ministerpräsidenten. Wen sich die Christdemokraten dafür ins Boot holen werden, bleibt offen. Wird es erneut Kenia oder könnte die FDP eine schwarz-rot-gelbe Koalition ermöglichen?
Zweite Auflage der Zweck-Koalition?
Das „Bollwerk gegen Rechts“, das 2016 aus CDU, SPD und Grünen hervorging, hat fünf Jahre lang gehalten, obwohl es nicht nur einmal so aussah, als stehe die Kenia-Koalition kurz vor dem Bruch. Vor allem CDU und Grüne waren sich oft uneins und warfen dem Gegenüber vor, Verabredetes nicht einzuhalten. Die SPD war meist dazwischen.
Gestritten wurde unter anderem um Umweltthemen. Die grüne Umweltministerin Claudia Dalbert bekam viel Gegenwind für ihr Ziel, den ehemaligen Todesstreifen zum Naturschutzbiotop zu erklären. Auch die CDU zog den Ärger ihrer Koalitionspartner auf sich. Es ging um die rechtsextreme Vergangenheit von Parteiangehörigen oder Annäherungsversuche an die AfD. Jüngst führte die Frage um die Erhöhung der Rundfunkgebühr fast zu einem Bruch in der Kenia-Koalition. Wäre nicht die Corona-Pandemie, wäre das Bündnis kurz vor der Wahl wohl zusammengebrochen.
Grüne profitieren vom Bundestrend
Trotz der Querelen zeigt sich die Zweck-Koalition Wochen vor der Landtagswahl auf Kuschelkurs und zieht eine positive Bilanz. Sollte es zu einer Wiederauflage der schwarz-rot-grünen Dreiecksbeziehung kommen, dann wären die Kräfteverhältnisse laut der aktuellen Umfrageergebnisse aber andere.
Vor fünf Jahren schafften es die Grünen mit 5,2 Prozent gerade so in den Landtag. Entsprechend wurden sie von der CDU bei den Koalitionsverhandlungen kaum ernst genommen. Mittlerweile haben die Grünen ihr Umfrageergebnis verdoppelt. Sie scheinen vom aktuellen Bundestrend zu profitieren. Bei erneuter Regierungsbeteiligung stehen für die Grünen – wenig überraschend – der Umwelt- und Klimaschutz als oberstes Ziel auf dem Programm. Besonders der öffentliche Personennahverkehr soll gefördert werden als wirkliche Alternative zum Auto. Finanziert werden soll das teilweise aus Parkgebühren.
Deutschland-Koalition denkbar

Aber auch das Abschneiden der FDP könnte ein entscheidendes Zünglein an der Waage bei der Koalitionsbildung sein. Laut aktuellen Umfragewerten würde die derzeit außerparlamentarische FDP in den Landtag einziehen und könnte Reiner Haseloff somit zu einer möglichen Deutschland-Koalition aus schwarz-gelb-rot verhelfen und die ungeliebte Grüne aus dem Bündnis und auf die Oppositionsbank befördern. FDP-Spitzenkandidatin Lydia Hüskens hat bereits Bereitschaft für eine Regierungsbeteiligung signalisiert.
Die AfD mit Umfragewerten knapp hinter der CDU ist für Reiner Haseloff weiter eine rote Linie, auch wenn Teile der CDU in der Vergangenheit keine Berührungsängste mit der Partei hatten. Ganz aussichtslos sind die Chancen für einen AfD-Sieg allerdings nicht. Sollte sie tatsächlich stärkste Partei im Land sein, wäre das nach 2016 ein weiteres Erdbeben im sachsen-anhaltinischen Landtag. Ein Bündnis mit der Linken sieht Haseloff ebenfalls nicht. Eine Minderheitsregierung schließt er aus.

Wichtige Themen für Sachsen-Anhalt
Die Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie wird wohl in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen. Obwohl Sachsen-Anhalt laut Haseloff „am glimpflichsten aller 16 Bundesländer durchgekommen“ ist, muss die Wirtschaft weiter gefördert und strauchelnde Unternehmen steuerlich nicht noch mehr belasten werden.
Die Pandemie hat zudem deutlich gemacht, dass das Land bundesweiter Bummelletzter im Bereich Schulbildung ist. In Sachsen-Anhalt fehlen so viele Lehrkräfte wie in keinem anderen Bundesland. Der einberufene runde Tisch zum Schulfrieden sollte eine wichtige Weichenstellung in der Bildungspolitik sein. Für GEW-Landeschefin Eva Gerth fühlte es sich eher an wie „Wahlkampfdekoration“. An der Bildungspolitik muss weiter stark gearbeitet werden. Die Parteien haben dazu ganz unterschiedliche Konzepte.
Große Lücken gibt es auch in der medizinischen Versorgung. Gerade auf dem Land ist der Ärztemangel teilweise gravierend. Daher spielt das Thema auch im Wahlkampf eine große Rolle. Es geht darum, bestehende Krankenhäuser vor der Schließung zu bewahren und dem Landarztmangel Herr zu werden.
Das Land muss den Strukturwandel weg von der Braunkohle schaffen. Bis 2038 muss das laut Bundestag und Bundesrat gelingen. Haseloff spricht sich gegen einen Ausstieg vor 2035 aus und setzt eher auf Emissionssenkungen bei Heizung und Verkehr. Auf dem Feld will er sich für weitere Forschungsgelder stark machen.
Stimmungsbarometer für die Bundestagswahl
Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gilt als letzter Stimmungstest vor der Bundestagswahl im September, obwohl sich bis dahin der Wind noch drehen kann. Nach den Maskenaffären, den Wahlschlappen im Südwesten und den Machtkämpfen um die K-Frage, könnte ein Sieg in Sachsen-Anhalt der CDU für die Bundestagswahl zumindest ein wenig Rückenwind geben. Für einen Erfolg in Sachsen-Anhalt gibt es deswegen auch bundesprominente Unterstützung. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder besuchte zusammen mit Ministerpräsident Reiner Haseloff vergangene Woche im Rahmen des Wahlkampfs die Raffinerie in Leuna. Dort forderte er von der kommenden Bundesregierung eine stärkere Beachtung von Ostdeutschland. Kanzlerkandidat Armin Laschet hat sich für Freitag und Samstag in Sachsen-Anhalt angekündigt.