Nach Verbot der FIFA
"One Love"-Blamage des DFB-Teams: "Eier raus oder Koffer packen"

Der Fußball-Weltverband FIFA erhält für das Verbot der "One Love"-Armbinde bei der WM in Katar viel Kritik aus dem Sport und aus der Politik - allerdings wird auch das "Einknicken" der nationalen Verbände hinterfragt. Unser stellvertretender Sportchef Timo Latsch sieht beim DFB zu starke Worte und zu schwaches Handeln.
Flagge zeigen, auch wenn der erste Gegenwind kommt
Die Entscheidung des DFB die „One Love“-Binde nicht zu tragen, ist blamabler als das Aus in der Vorrunde der WM vor vier Jahren in Russland. Ihr habt schon verloren, bevor das erste Spiel angepfiffen wurde. Eine Fußballer-Generation, die mehr sein will als spielende Millionäre, muss auch Flagge zeigen, wenn der erste Gegenwind kommt. Wenn schon nicht die Regenbogenfahne, dann doch wenigstens dieses kleine Stück Stoff mit dem Herzen in der Mitte.
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Ich hatte die Gelegenheit vor vier Wochen bei der Reise mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser für 24 Stunden in Doha sein zu dürfen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte keine Sekunde ausgelassen, den neuen Stil seines Verbands klar und deutlich zu verkünden: Wir stehen für unsere Werte. Wir stehen für Menschenrechte. Wir sind bereit eine Strafe zu akzeptieren. Allein die Androhung einer solchen reicht, um einzuknicken. Sorry Herr Präsident, das ist beschämend.
Der DFB hat eine historische Chance verpasst
"Lasst Euch was einfallen, oder kommt heim"
Wir haben ein Jahr lang zu unserer Dokumentation „Rote Karte statt Regenbogen“ recherchiert. Homosexuelle aus Katar berichten, dass sie Todesangst haben. Sie sprechen von Demütigung, Folter und Diskriminierung im WM-Gastgeberland. „Ihr müsst uns von außen helfen, von Innen erneuert sich dieses Land nicht“, ist die Botschaft einer Transfrau, die wir in einem Hotel in einer europäischen Großstadt interviewt haben. Wir haben sie Faisar getauft. Ihren richtigen Namen dürfen wir nicht sagen, weil es zu gefährlich für sie ist. Faisar ist für ihre Botschaft nach Europa gereist und hat viel riskiert, um uns auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Bei jeder Einreise nach Katar wird sie schikaniert. Sicherheitskräfte haben ihr jüngst die Haare abrasiert. Sie hat uns ihre Geschichte erzählt, auch mit dem Funken Hoffnung auf Besserung bei dieser WM.
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Nein, allein das Tragen der „One Love“-Binde würde die schockierende Situation der Menschen in Katar nicht verbessern. Und nein, der DFB ist nicht verantwortlich für die Menschenrechtslage im Emirat. Aber ein minimales Zeichen der Solidarität für Frauen wie Faisar, für die vielen Gefolterten und Unterdrückten in Katar hätte ich erwartet.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass diese Fußballergeneration ihre Haltung, die sie zweifelsfrei hat, auch zeigt. Jetzt kommt es darauf an. Farbe zu bekennen oder wie einst Oliver Kahn forderte: „Wir brauchen Eier“. Mindestens drei Vorrundenspiele sind Zeit diese (wieder) zu finden. Es geht darum, die Glaubwürdigkeit des DFB und dieser Spielergeneration nicht komplett zu verspielen. Lasst Euch was einfallen, oder packt die Koffer und kommt heim.