Ein Pariser versenkt Paris

Das ist Bayerns Final-Held Kingsley Coman

Soccer Football - Champions League - Final - Bayern Munich v Paris St Germain - Estadio da Luz, Lisbon, Portugal - August 23, 2020  Bayern Munich's Kingsley Coman celebrates scoring their first goal, as play resumes behind closed doors following the outbreak of the coronavirus disease (COVID-19)  Manu Fernandez/Pool via REUTERS
Kingsley Coman
ca, REUTERS, POOL

Kingsley Coman verließ Paris St. Germain als Bursche, um von anderswo aus die Fußball-Welt zu erobern. Im Finale der Champions League versenkte der Franzose nun ausgerechnet seine alte Liebe. Wer ist der Matchwinner der Bayern? Und wie tickt er? Eine Reise bis zu seiner Oma in die Karibik.

Mit dem Club, für den er im zarten Alter von 16 Jahren sein Profidebüt geben sollte, kam Kingsley Coman schon bei seiner Geburt in Berührung. Sein Vater ist Anhänger von Paris St. Germain. Es muss ihn mit Stolz erfüllt haben, als der Club seinen Filius für die Jugendakademie verpflichtete.

Kingsley war da acht Jahre alt und hatte erst zwei Jahre Fußball im Verein gespielt, in Moissy-Cramayel, 50 Kilometer südöstlich von Paris. Dort hatten seine Eltern, die aus Guadeloupe in der Karibik stammen, ein Zuhause gefunden.

Coman spricht heute offen über seine Jugend in einem der Pariser „Banlieues“, jener Vorstädte, in denen Kriminalität und Arbeitslosigkeit an der Tagesordnung sind. „Nicht immer einfach sei es gewesen“, sagt er über seine Kindheit.

Bei PSG wird Coman zum Mann, bei Bayern zum Helden

Im Finale der Champions League ist der Junge aus der unwirtlichen Betonwüste am Sonntag zum schillernden Helden geworden. Der 24-Jährige verwertete eine Flanke von Joshua Kimmich mit dem Kopf zum 1:0, gleichzeitig der Endstand des Spiels. Dabei ist der Kopfball überhaupt nicht die Spezialdisziplin des flinken Offensivmannes.

Coman ist einer, der auf der Außenbahn zuhause ist, ein Spieler, der dribbeln kann und irre schnell ist. So schnell, dass selbst ein Mitspieler wie Serge Gnabry, selbst ziemlich flott unterwegs, sagt: Keiner bei uns ist so schnell wie „King“.

Ex-Offensiv-Kollege Sandro Wagner sagte im Rahmen der Final-Übertragung sinngemäß: Wenn es um Tempo mit dem Ball am Fuß geht, gibt es auf der Welt nicht viele, die besser sind.

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Keine Geduld in Paris? Coman geht zu Juventus Turin

Diese Schnelligkeit war es wohl, die 2014 Juventus Turin auf den Nachwuchsmann aufmerksam werden ließ. Der italienische Rekordmeister verpflichtete den damals 18-Jährigen, dessen Vertrag in Paris nicht verlängert worden war. Direkt am ersten Spieltag der Serie-A-Saison durfte er sein Debüt geben.

Warum Paris ihn nicht behalten wollte? Naja, der Club mit den großen Ansprüchen ist nicht gerade dafür bekannt, behutsam Talente aufzubauen. Vielmehr soll der Erfolg sofort her: mit gestandenen Profis. Seit 2012 ist der Club vollständig in der Hand der Investorengruppe Quatar Sports Investments. Und Zeit ist bekanntlich Geld.

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Apropos Geld: 21 Millionen Euro legte der FC Bayern München 2017 auf den Tisch, als er Coman nach einer zweijährigen Leihe fix verpflichtete. Die Summe klingt im Vergleich zu den 222 Millionen Euro, die Paris im selben Jahr für den brasilianischen Superstar Neymar an den FC Barcelona überwies, doch schwer nach Kinkerlitzchen.

Gar kein Kinkerlitzchen war die Rolle, die die Bayern für ihren Neuen im Kopf hatten: Franck Ribéry war nicht mehr der Jüngste. Irgendwer würde auf der linken Seite an die Nachfolge herangeführt werden müssen.

Ein Unruhestifter?

Manch einer in München wird sich damals aber gefragt haben, ob das Geld nicht aus dem Fenster geschmissen wurde. Coman wurde im Juni 2017 vorübergehend festgenommen. Der Vorwurf gegen ihn lautete häusliche Gewalt gegen seine Ex-Freundin. Im darauffolgenden September wurde er zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt.

Spoiler: Die Befürchtungen, der Rekordmeister könnte einen Unruhestifter verpflichtet haben, bewahrheiteten sich nicht. Coman, Vater von zwei Mädchen, fuhr an der Säbener Straße, an der das Trainingsgelände der Bayern liegt, zwar einmal im McLaren vor, was Sponsor Audi so gar nicht schmeckte, dafür aber versprach er reumütig einen Werksbesuch.

Kritiker werfen dem Franzosen seine Verletzungsanfälligkeit vor. Die Krankenakte, die er mit sich rumschleppt, ist lang. Zwei Risse des Syndesmosebandes im Sprunggelenk setzten ihn 2018 saisonübergreifend für mehr als 30 Spiele außer Gefecht. Er verpasste auch die WM in Russland. 22 Länderspiele hat er bislang für Frankreich bestritten.

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Neues Zuhause München

Bei den Bayern hat der Flügelflitzer ein neues Zuhause gefunden. Zwar fühle er mit seiner Heimatstadt, sagte er nach dem Final-Sieg. „Ich wollte natürlich ein gutes Spiel machen. Aber das ist nichts gegen PSG. Ich bin jetzt zu 100 Prozent bei Bayern. Da kann ich nicht aus alter Verbundenheit zurückziehen.“

So spricht jemand, der seine Zukunft bei dem Club plant. Allerdings hat Coman in München Konkurrenz bekommen. Nationalspieler Leroy Sané kam von Manchester City und ist ebenfalls auf der Außenbahn zuhause.

Die Omas verfolgen alles

Wer Coman genauer betrachtet, sieht einen heimatverbundenen jungen Mann. Sein Kleidungsstil ist auf vielen Bildern karibisch angehaucht. Hemden mit bunten Mustern, beigefarbene Blazer, weiße Shirts. So oft es geht, reist er in die Heimat der Eltern, wo es lässig zugeht. Der Kicker schätzt, dass die Leute um seine Berühmtheit wissen, er dort aber einfach nur „Kingsley“ sein kann.

Eine Anekdote zum Schluss: In einem Interview auf der Vereinshomepage der Bayern verriet Coman einmal, dass seine Omas seine Karriere aus der Karibik verfolgen. Eine der beiden könne nichts mehr sehen und höre die Spiele deswegen im Radio. Die Leistung bewerte sie danach, wie oft der Name ihres Enkels genannt wird. Wenn das kein Ansporn ist.