Buch-Tipp: "I'm a Nurse""Ich bin gerne Krankenschwester, aber...": Franziska Böhlers Klartext über Kliniken

Franziska Böhler
Franziska Böhler ist Krankenschwester - und Buchautorin.
iStockphoto

Franziska Böhler ist Krankenschwester auf der Intensivstation. Und zwar von Herzen gern. Aber die 33-jährige Mama von zwei Kindern hat gehörig die Pappe auf. In ihrem Buch schildert sie schonungslos nicht nur die schönen Seiten ihres Berufs, sondern auch, was schiefläuft in deutschen Krankenhäusern und Intensivstationen, wie der Sparkurs motivierte Pflegekräfte dazu zwingt, ihre Patienten immer wieder zu vertrösten, selbst die Schwerstkranken. Ein schockierendes und lesenswertes Buch, geschrieben mit Herzblut und Wut.

Krankenpfleger und -schwestern: Stets überlastet, nicht gut genug geschützt

Eindrucksvoll schildert uns Franziska Böhler, wie belastend die Situation in deutschen Kliniken nicht nur für die Patienten, sondern auch für sie und ihre Kolleginnen ist. Das Schockierende: Teile des Buches „I’m a Nurse“* hatte sie schon verfasst, bevor Corona Deutschland, ach die ganze Welt in den Würgegriff nahm. Umso drastischer muten Franziska Böhlers Schilderungen des Stationsalltags an. Wenn damals das Personal schon den ganzen Tag hektisch durch die Station rannte, wie muss es erst werden, wenn die dritte Covid-Welle richtig zuschlägt und noch mehr Menschen auf den Intensivstationen um ihr Leben ringen?

Wie wichtig es wäre, dass Krankenschwestern, Pfleger und Hebammen dort Zeit hätten für jeden Patienten, dass sie ausgeruht Entscheidungen treffen könnten in einer Abteilung, in der es ständig um Leben und Tod geht, beweist jedes einzelne der Fallbeispiele, die zum Teil vom ihren Followern stammen.

Doch Franziska Böhler geht es nicht nur um die Situation „auf Station“, sondern darum, auch den Menschen, die in der Pandemie die größte Last zu tragen haben, ein Gesicht zu geben. Zu zeigen, was es mit ihnen macht, der Seuche jeden Tag ins Auge zu sehen, am Anfang der Pandemie extrem schlecht geschützt, weil niemand in Deutschland für den Pandiemiefall vorgesorgt hatte. Dafür ein bisschen Klatschen vom Balkon? Rührend. Aber schönen Dank!

Schließlich riskieren Franziska Böhler und Kollegen jeden Tag aufs Neue ihr Leben für das anderer. Finden Sie übertrieben? Ok, wussten Sie, dass Klinikchefs in Deutschland ihre Mitarbeiter aufforderten, nicht mehr einkaufen zu gehen? Weil sie wussten, wie hoch die Gefahr war, dass ihre Ärzte und Pflegefachkräfte sich im Dienst anstecken und die Krankheit dann nach draußen tragen. Franziska Böhler erzählt sachlich, wie sie aufgefordert wurde, einen Drogeriemarkt zu verlassen. Es hatte sie jemand erkannt – und Angst vor Ansteckung. Schließlich nennt die meinungsfreudige Krankenschwester nicht nur in ihrem Buch die Dinge beim Namen, sondern auch in zahlreichen Medien und bei Instagram, wo ihr eine Viertelmillion Menschen folgt. Die konnten auch ihren letzten Wutausbruch lesen:

Details über die Arbeit in einem Gesundheitssystem, das längst selbst krank ist

Da geht es um ihre Kolleginnen und Kollegen, die in dieser fordernden Situation den Dienst quittiert haben. Denn der Fachkräftemangel entsteht nicht nur, weil die Kliniken kaputtgespart werden: „Aus meinem Jahrgang an der Krankenpflegeschule ist heute kaum mehr die Hälfte noch im Beruf“, berichtet Franziska Böhler, seit 2007 im Dienst. Sie ist sicher, dass nicht Schicht- oder Wochenenddienste der Grund sind. Wussten sie und die Kollegen ja vorher. Auch wenn das wegen der Kinder manchmal doof ist, die Party (vor Corona) ohne sie stattfand, der Film schon angefangen hatte. Nicht entschieden haben sie sich aber für Dienste in ständiger Unterbesetzung, für Bedingungen, die Pflege und Medizin gefährlich und unmenschlich machen. Für die Arbeit in einem vergifteten Gesundheitssystem, das längst selbst krank ist und dringend Hilfe braucht.

Franziska Böhlers Buch „I’m A Nurse: Warum ich meinen Job als Krankenschwester liebe – trotz allem“ wurde 2020 mit dem LovelyBooks Leserpreis in Silber ausgezeichnet.

*Wir arbeiten in diesem Beitrag mit Affiliate-Links. Wenn Sie über diese Links ein Produkt kaufen, erhalten wir vom Anbieter eine Provision. Für Sie entstehen dabei keine Mehrkosten. Wo und wann Sie ein Produkt kaufen, bleibt natürlich Ihnen überlassen.