Helmut Kohl: Der Kanzler der Einheit ist mit 87 Jahren gestorben

Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ist tot. Er starb im Alter von 87 Jahren, wie sein Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner mitteilte. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Helmut Kohl zurückgezogen an der Seite seiner Ehefrau Maike Kohl-Richter in Ludwigshafen am Rhein.

1982 wurde Helmut Kohl Kanzler

Altkanzler Helmut Kohl (CDU) und seine Ehefrau Maike Kohl-Richter kommen zusammen am Samstag (03.04.2010) an ihrem Wohnhaus in Ludwigshafen-Oggersheim vor die Eingangstüre. Kohl feiert am 3. April seinen 80. Geburtstag. Eine zentrale Feier wird es am 5. Mai in Ludwigshafen geben. Dazu werden 1000 Gäste erwartet. Foto: Ronald Wittek dpa/lrs  +++(c) dpa - Bildfunk+++
Altkanzler Kohl mit seiner Ehefrau Maike Kohl-Richter an seinem 80. Geburtstag.
dpa, Ronald Wittek

Es war ein Bild, wie geschaffen für die Fotografen. Da stand Helmut Kohl vor dem Brandenburger Tor und schaute auf eine feierlich jubelnde Menschenmenge, die ausgelassen schwarz-rot-goldene Fahnen schwenkte. An seiner Seite Ehefrau Hannelore, außerdem Hans-Dietrich Genscher und Richard von Weizsäcker. Sie alle waren tief bewegt von diesem besonderen Augenblick und sangen aus vollem Hals mit, als im Hintergrund eine Kapelle die deutsche Nationalhymne anstimmte. Es war der Tag der deutschen Einheit, der 3. Oktober 1990. Und es war der Tag, an dem das politische Wirken Helmut Kohl seinen Höhepunkt gefunden hatte. Der ehemalige Beamtensohn aus Ludwigshafen hatte seine historische Chance genutzt und zwei deutsche Staaten zusammengeführt, die über Jahrzehnte durch weitaus mehr getrennt waren, als nur durch eine dunkle, hohe Mauer.

ARCHIV - Der CDU-Vorsitzende und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, mit seiner Ehefrau Hannelore und seinen Söhnen Peter (r) und Walter (l) aufgenommen am 21.7.1975 im Sommerurlaub in St. Gilgen in Österreich. Kohl prägte Deutschland über 16 Jahre als Kanzler und die CDU als Vorsitzender während eines Vierteljahrhunderts. Am 3. April 2010 wird Kohl 80 Jahre alt. Foto: Heinz Wieseler (zu dpa-Themenpaket: "80. Geburtstag Helmut Kohl zum 3. April" vom 28.03.2010)  +++(c) dpa - Bildfunk+++
Kohl mit seiner Ehefrau Hannelore und seinen Söhnen Walter und Peter im Jahr 1975
dpa, Heinz Wieseler

Geboren wurde Helmut Kohl am 3. April 1930 in Ludwigshafen als das jüngste von drei Kindern einer katholischen Familie. Zwar war auch sein Vater als Gründer der CDU Ludwigshafen politisch aktiv, doch als Kohl 1947 in die rheinland-pfälzische CDU eintrat, war wohl kaum zu erwarten, dass der damals 17-Jährige auf der politischen Weltbühne einmal solchen Einfluss nehmen würde. Mit 29 Jahren leitete der Politiker aus dem Stadtteil Oggersheim den CDU-Kreisverband seiner Heimatstadt, mit 36 Jahren war er bereits Landesvorsitzender der Union in Rheinland Pfalz und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Auch als er drei Jahre später zum jüngsten Ministerpräsidenten Deutschlands aufstieg, hatten ihn bundespolitisch erst wenige auf der Rechnung.

Dabei war der durch sein knöchernes Auftreten und aufgrund seiner Statur häufig belächelte Kohl noch längst nicht am Ziel: 1973 übernahm er den Parteivorsitz und wurde 1982 in einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen den Amtsinhaber Helmut Schmidt (SPD) zum Bundeskanzler einer christlich-liberalen Koalition.

Kohl legte einen großen Fokus auf die Außenpolitik

Innenpolitisch wollte Kohl das Land mit einer "geistig-moralischen Wende" verbessern, hatte aber zunehmend mit politischen Affären seiner Partie und wirtschaftlicher Stagnation des Landes zu kämpfen. Dem Vorwurf von Führungsschwäche begegnete der ehemalige Kanzler aber stets mit einer strikten Beharrlichkeit in seiner politischen Auffassung und seinen Prinzipien. Konflikte saß der Rheinland-Pfälzer nicht nur aus, sie härteten ihn ab. Parteikollegen allerdings kritisierten im Laufe der Jahre diesen stetig wachsenden Eigensinn ihres Parteivorsitzenden.

Den großen Fokus legte Kohl stets auf die Außenpolitik. Er war der erste Kanzler der Nachkriegsgeneration, der vor dem israelischen Parlament sprechen durfte. Seine Freundschaft zu dem Sozialisten Francois Mitterand wirkte sich nachhaltig auf das deutsch-französische Verhältnis und europäische Einigungsprozesse aus. Das in späteren Jahren gute Verhältnis zum ehemaligen KPdSU-Generalsekretär Michael Gorbatschow und dessen Beitrag zum Ende des Ostwest-Konflikts und dem Ende des Sozialismus in der DDR nutze Kohl mit politischem Feingefühl, um den Siegermächten ihre Zustimmung zur Deutschen Einheit abzuringen. Sein Versprechen in Ostdeutschland für "blühende Landschaften" zu sorgen, erwies sich aber gerade in den Jahren nach der Einheit als weitgehend leere Behauptung und sorgte in Deutschland zunehmend für Missmut. Die Kosten der Einheit hatten Kanzler und Regierung dramatisch unterschätzt. Mit seinem gezielten Wirken bei der Gründung der europäischen Union (1992) und der sieben Jahre später vollzogenen Einführung des Euro vermochte es Kohl aber zumindest noch auf europäischem Parkett Punkte zu sammeln.

Das Ansehen Helmut Kohls nahm heftigen Schaden, als er 1999 in den Mittelpunkt des CDU-Parteispendenskandals rückte und die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleite. Weil Kohl sich nur wenig einsichtig zeigte und die Namen anonymer Spender nie preis gegeben hat, distanzierte sich auch die eigene Partei von ihrem großen Übervater. Die Wähler hatten dies aufgrund von Reformstau, Staatsverschuldung und anhaltende Arbeitslosigkeit schon etwas früher getan und Kohl bei der Bundestagswahl 1998 das Vertrauen entzogen.

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2001 musste Helmut Kohl einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen

2001 erlebte Kohl einen weiteren Schicksalsschlag, als seine Frau Hannelore sich nach schwerer Erkrankung das Leben nahm. Beide waren 41 Jahre verheiratet und hatten zwei Söhne.

Am 8. Mai 2008 heiratete Kohl seine Lebensgefährtin Maike. Die Hochzeit wurde in der Kapelle der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg im engsten Freundeskreis gefeiert. Die beiden sind seit 2005 ein Paar.

Dass Helmut Kohl Deutschland geprägt hat, wie kein anderer Kanzler ist als Aussage sicher nicht haltbar, dafür waren die einzelnen Epochen innen- wie außenpolitisch einfach zu verschieden. Wahr ist allerdings, dass Kohl neben Konrad Adenauer einer der bedeutendsten und einflussreichsten Politiker war, den die Christdemokraten je in ihren Reihen hatten. Kohl war mit 16 Jahren so lange Bundeskanzler wie kein anderer vor ihm, seine Partei führte er mehr als ein Vierteljahrhundert. Als Kanzler der Einheit wird er den Deutschen sicher präsenter in Erinnerung bleiben, als in der Rolle des wortkargen Paten, der sich beim Thema Parteispendenskandal stets in nicht nachvollziehbares nebulöses Schweigen hüllte.