Landeskirche informiert über Missbrauchsfall
Missbrauchsopfer erzählt: "Das, was er gemacht hat, ist als Vergewaltigung einzuordnen!"

Nicht nur die katholische Kirche ist von Fällen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche betroffen, sondern auch die evangelischen Kirche. Am Montag berichtete die Evangelische Landeskirche Hannover in Georgsmarienhütte (Landkreis Osnabrück) über einen solchen Fall schwerer sexualisierter Gewalt in einer Kirchengemeinde in den 1970er Jahren.
„Er hat sich hinter mich gelegt, das war wie eine Schraubzange"

Lisa Meyer* wurde als Kind von einem Diakon schwer missbraucht. Sie erinnert sich in einer Videobotschaft noch genau an die Übergriffe des damaligen Gemeindediakons Siegfrid G. „Das muss man sich so vorstellen, dass er mich geküsst hat, dass er mich im Brustbereich angefasst hat und ich weiß noch, dass es Sommer war, ich einen kurzen Rock anhatte und er hat mich auch gegen meinen Willen im Intimbereich berührt!“ 1973 befand sich der damals 30-Jährige in der Ausbildung und spielte mit den Kindern im Jugendkeller der Christusgemeinde im niedersächsischen Georgsmarienhütte. Als Lisa Meyer* einmal krank im Bett lag, sei er zu ihr gekommen: „Er hat sich hinter mich gelegt, das war wie eine Schraubzange und hat unter der Decke schweren sexuellen Missbrauch begangen. Zur Einordnung: nach heutigem Straftatbestand ist das, was er gemacht hat, als Vergewaltigung einzuordnen!“
"Ich glaube schon, dass Menschen von seinen Neigungen gewusst haben!"
In diesem Jahr sind dann Unterlagen aufgetaucht, woraus ersichtlich wurde, dass nicht nur die Vorwürfe gegen Siegfrid G. bekannt waren, sondern es auch Bemühungen gab, ihn zu schützen, bestätigt Hannes Meyer-ten Thoren, leitender Theologe vom evangelischen Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte: „Ich glaube schon, dass Menschen in Georgsmarienhütte, auch in der Umgebung des Täters, auch von seinen Neigungen gewusst haben!“
"Ich hoffe, dass ich anderen Mut gemacht habe, sich Gehör zu verschaffen!"
Noch jetzt, Jahrzehnte später kämpft Lisa Meyer* um die Aufarbeitung: Zu lange seien der Täter und die Institution Kirche geschützt worden. „Ich hoffe, dass ich anderen Mut gemacht habe, sich Gehör zu verschaffen!“ Sie will nicht Opfer sein, sondern handeln - auch für andere. In Absprache mit ihr hat das Landeskirchenamt nun begonnen, den Fall und den Stand der Aufarbeitung öffentlich zu machen.(kst/mtu/dpa)
*Name von der Redaktion geändert