Gefährliche Nebenwirkungen: Dutzende Tote durch Bayer-Blutverdünner?

968 Fälle unerwünschter Wirkungen, davon 72 Todesfälle - das ist die verheerende Bilanz in den ersten acht Monaten diesen Jahres hinsichtlich des Blutverdünners Xarelto. Und die Berichte über Nebenwirkungen des Medikaments aus dem Hause Bayer reißen laut Medienangaben nicht ab. Die knapp 1.000 Fälle seien laut 'Spiegel' beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) registriert worden.
Im gesamten Jahr 2012 seien dagegen 750 Verdachtsberichte unerwünschter Wirkungen, darunter 58 Todesfälle, gemeldet worden. Ein Bayer-Sprecher sagte dazu, dass der Nutzen des Medikaments die Risiken weiterhin überwiege.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beruhigte aber am Montag - es ließen sich keine neuen Gefahren bei dem Bayer-Präparat feststellen. Laut einem BfArM-Sprecher besteht bei Xarelto aktuell keine neue Risikolage. Die Behörde beobachte aber ständig alle in der EU zugelassenen Arzneimittel auf mögliche Gefahren. "Der Anstieg der Verdachtsmeldungen muss immer im Zusammenhang mit anderen Faktoren bewertet werden, wie etwa dem Anstieg der Verordnungszahlen und auch dem tatsächlichen Meldeverhalten der Ärzte", erklärte der Sprecher. Üblicherweise würden Verdachtsfälle bei einem neuen Medikament häufiger gemeldet.
Xarelto ist für Bayer derzeit das wichtigste neue Medikament. In allen Einsatzgebieten zusammengenommen traut der Pharmakonzern dem Mittel jährliche Spitzenumsätze von mehr als zwei Milliarden Euro zu. Allein im zweiten Quartal erlöste Bayer 219 Millionen Euro mit dem Blutverdünner - mehr als dreimal so viel wie noch vor einem Jahr.
Blutungsrisiko durch Gerinnungshemmer
Wie bei allen Gerinnungshemmern besteht auch bei Xarelto ein Blutungsrisiko. Auch das Konkurrenzmedikament Pradaxa von Boehringer Ingelheim war wegen Todesfällen in die Schlagzeilen geraten. Für diese neuen Gerinnungshemmer gibt es noch keine Gegenmittel, die die Wirkung bei lebensbedrohlichen Blutungen schnell umkehren können. Bei dem seit Jahrzehnten als Standardmedikament verwendeten Warfarin zur Vorbeugung von Schlaganfällen leistet dies Vitamin K. Allerdings gilt das inzwischen patentfreie Warfarin als schwer dosierbar. Zudem müssen strikte Diätvorschriften eingehalten werden und regelmäßige Bluttests sind notwendig.
Deshalb werden zunehmend die neuen, teureren Gerinnungshemmer wie Xarelto und Pradaxa verschrieben. Im vergangenen Jahr seien 25,5 Millionen Tagesdosen verordnet worden, nach 700.000 im Jahr 2011, berichtete das Magazin unter Verweis auf den neuen Arzneiverordnungs-Report, der am Donnerstag veröffentlicht werden soll. Mit Xarelto "sind wir seit Mai dieses Jahres weltweit Marktführer bei den Thrombosemitteln", sagte Bayer-Chef Marijn Dekkers der 'WirtschaftsWoche'.
Das BfArM hatte in der vergangenen Woche bemängelt, "dass nicht alle verordnenden Ärzte die Fachinformation hinsichtlich des Managements von Blutungsrisiken gut genug kennen", wie es in einem Informationsbrief heißt. Es bestehe auch bei den neuen Gerinnungshemmern "ein signifikantes Risiko" von schweren Blutungen, auch mit Todesfolge, betonte die Behörde.