Zum 100. von Fritz Walter
Der unvergessene „Held von Bern“

Fritz-Walter-Wetter – mit diesem Begriff kann heute immer noch nahezu jeder Fußball-Fan etwas anfangen. Bei Dauerregen, tiefem Boden und glattem Rasen präsentierte sich der Kapitän der WM-Elf von 1954 stets in Hochform, so auch beim legendären WM-Finale 1954 in Bern. 3:2 besiegte Deutschland die damals scheinbar übermächtige Mannschaft der Ungarn, der WM-Sieg ging als „Wunder von Bern“ in die Geschichte ein und wird von Historikern gerne als die wahre Geburtsstunde der Bundesrepublik bezeichnet.
Ehrenspielführer der Nationalmannschaft
Fritz Walter, der Lenker und Denker des deutschen Spiels, wäre heute 100 Jahre alt geworden. „Da hätten wir einen schönen Geburtstag gehabt. Er hätte nicht alleine gefeiert. Es wären alle, die noch da wären von damals, hingegangen“, sagt Horst Eckel im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Mit 88 Jahren ist der Pfälzer der einzige Spieler aus der 54er-Weltmeisterschaft, der noch lebt.
Fritz Walter starb am 17. Juni 2002 im Alter von 81 Jahren in seinem Haus in Enkenbach-Alsenborn, ein halbes Jahr nach dem Tod seiner Frau Italia. In Ausstellungen und auf Internetseiten erinnern die Stadt Kaiserslautern, sein Club FCK und der Deutsche Fußball-Bund an den großartigen Sportsmann. Der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft bestritt 61 Länderspiele (33 Tore) und wurde unvergesslich mit dem Triumph 1954 beim Turnier in der Schweiz.
Ein Sieg für die Ewigkeit

3:8 hatten die Deutschen in der Vorrunde gegen die Elf von Ferenc Puskas verloren, 0:2 lagen sie im Endspiel nach nur acht Minuten hinten. Kurz vor Schluss traf Helmut Rahn im Wankdorf-Stadion zum 3:2. „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen - Rahn schießt - Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“, so rief es der dadurch berühmt gewordene Reporter Herbert Zimmermann.
Und dann: „Aus, aus, aus - aus! - Das Spiel ist aus! - Deutschland ist Weltmeister.“ Noch heute treiben diese Töne und Bilder vielen Deutschen Tränen in die Augen.
Fritz Walter erinnerte sich damals im „kicker“ an das Wunder: „Ungarn war vier Jahre ungeschlagen, niemand hatte uns eine Chance eingeräumt. Es war der reine Wahnsinn, als Helmut Rahn noch das Ding zum 3:2 machte. Der Boss hat sein Tor angekündigt. Als ich ihn fragte: `Was ist mit deinem Tor? ́ flachste der zurück: `Fritz, noch ist Zeit. ́ Wenig später waren wir Weltmeister.“
Dieser Sensationssieg elektrisierte das ganze Land. „Wir sind wieder wer!“, war plötzlich die Stimmungslage in Deutschland. Neun Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab der Triumph einer ganzen Nation ein neues Selbstwertgefühl – und machte Fritz Walter zu einem stets bescheiden gebliebenen Vorbild für Generationen. Der Historiker Joachim Fest sah es so: „Es gibt drei Gründungsväter der Bundesrepublik: politisch ist es Adenauer, wirtschaftlich Erhard und mental Fritz Walter.“
„Friedrich der Große“
Nach der Überreichung der WM-Trophäe, bei der Walter sich demütig verneigte, stand dem Pfälzer die Welt offen. Doch die lukrativen Angebote von Top-Clubs aus ganz Europa nahm er nicht an. Walter blieb seinem FCK, für den er von 1928 bis 1959 auflief und in 384 Spielen insgesamt 327 Tore erzielte, immer treu. 1951 und 1953 wurde er mit Lautern Meister.
Für heutige Zeiten kaum vorstellbar war dem Spielmacher die Heimatverbundenheit wichtiger als das große Geld. Diese Haltung machte Walter, der 1940 in die Wehrmacht eingezogen wurde und der seine besten Jahre als Fußballer an den Krieg verlor, in seiner Heimat zum Mythos. Durch die Umbenennung der Arena auf dem Betzenberg zum Fritz-Walter-Stadion setzte der mittlerweile tief gefallene FCK seiner Ikone schon vor 35 Jahren ein Denkmal.
Kein Lautsprecher
Fritz Walter war wie alle Künstler sensibel, nicht unbedingt ein Kämpfer, aber ihn zeichnete Willensstärke aus. Der Lauterer gehörte nicht zu den lauten Leuten im Land. Doch hob er nur leicht die Stimme an, wurde es mucksmäuschenstill. Für ihn gehörte es zu den Selbstverständlichkeiten, Probleme mannschaftsintern zu lösen. Er hörte sich alle und alles an, entschied er dann, gab es keine Widerrede. Auf seinen damaligen Mitspieler Horst Eckel hat der WM-Kapitän zeit seines Lebens einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Fritz Walter sei „ein besonderer Mensch gewesen: Großherzig, bescheiden und hilfsbereit", schreibt der 88-Jährige bei Sportbuzzer. Er habe sich nie „für etwas Besseres gehalten". Für Eckel war Walter „ein Mentor, der mich auch mal davor bewahrt hat, Unsinn zu machen".
Einzig im Weg stand Fritz Walter bisweilen sein Aberglaube. War zum Beispiel bei der Abfahrt zufällig eine Nonne in der Nähe, verfinsterte sich sein Gesicht und er sagte: „Am besten wir bleiben daheim, das wird heute sowieso nichts.“ Hatte er dagegen einen Schornsteinfeger gesehen, war er hellauf begeistert, selbst wenn er vorher in ganz schlechter Stimmung gewesen war.
Idol am Betzenberg

Der heutige U21-Trainer Stefan Kuntz, ebenfalls eine FCK-Ikone, gehört zu der Generation, die Fritz Walters Kunststück beim 1. FC Kaiserslautern wiederholte und mit den Pfälzern Meister (1991) wurde.
„Wir haben damals im Grunde einfach seinen Leitspruch erfüllt", sagte der gebürtige Neunkirchner DFB.tv: „Wir haben mit einer unwahrscheinlichen Kameradschaft, einer Ausgeglichenheit in der Mannschaft und einem großen Zusammenhalt etwas erreicht, womit keiner gerechnet hat."
Horst Eckel, der Jüngste der damaligen WM-Mannschaft, wünscht sich ein Wiedersehen mit Fritz Walter im Himmel. „Ich hoffe es. Dann machen wir weiter mit dem Fußball, wie wir es früher gemacht haben. Es war eine schöne Zeit.“
RTL.de/dpa